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Husch-Pfusch im Gemeindebau

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Die herkömmliche Bauweise wird im städtischen Wohnhausbau der Gemeinde Wien immer mehr vom Fertigteilverfahren verdrängt. Zwei Montagebaufabriken im Norden und im Süden Wiens, an denen die Stadt Wien zu mehr als 50 Prozent beteiligt ist, liefern die Bauelemente. Doch was hier mit städtischer Auftragsgarantie gebaut wird, entspricht nicht immer den Erwartungen der Bewohner. Vor allem, wenn es regnet und Tapeten oder Parkettfußböden durch Sickerwasser zerstört werden…

Die Vorteile des Montagebauverfahrens sind bestechend:

• Die Bauzeiten konnten von rund 24 auf rund 18 Monate pro Vorhaben gesenkt werden. Das ist zwar immer noch um ein Drittel mehr als mit Fertigteilen anderswo gebaut wird, aber immerhin ein gewaltiger Fortschritt.

• Die Baukosten je Quadratmeter

Wohn- und Nutzfläche sind etwas geringer.

• Und die Wohnungen sind nicht so „hellhörig“ wie die herkömmlichen Neubauten.

Wurde 1962 mit 418 Montagebauwohnungen begonnen, waren es 1969 schon mehr als 3000, hingegen sank die Zahl der Wohnungen in herkömmlicher Bauweise von 3200 auf 2400.

Doch verringerte Bauzeit und Baukosten begannen sich bald zu rächen:

• Schon nach wenigen Monaten hielten die Dichtungen der Fertigteilfugen dem Regen nicht mehr stand, und verzweifelte Mieter meldeten Nässeschäden, die von feuchten Flecken an Zimmerwänden bis zu abgelösten Tapeten, aufgebrochenen Parkettböden und Wasserlacken in den Wohnräumen reichten.

• In der ersten Heizperiode platzte eine Reihe von Zentralheizungs radiatoren, und die schmutzigbraune Heizflüssigkeit spritzte auf Wände, Böden und Einrichtungsgegenstände.

• Die Warmwasserspeicher waren im Durchschnitt nach drei Jahren kaputt und mußten auf Kosten der Mieter durch neue ersetzt werden.

• Fenster und Türen waren zum Teil aus so grünem Holz gefertigt, daß sie sich kaum noch richtig schließen ließen.

Beschwerden bei den Hausinspektionen sind in der Regel nur dann sinnvoll, wenn sie in Form von rekommandierten Briefen vorgetragen werden. Auch im Wiener Rathaus tut man so, als sei der Betroffene nur ein querulierender Einzelfall. Selbst ganz hochofflziell im Gemeinderat versucht der zuständige Wohnungsstadtrat Suttner (SPÖ), die Angelegenheit zu bagatellisieren: Er behauptete, „daß nur in einigen wenigen Fällen die Fugen zwischen den Fertigteilen undicht waren“.

Allerdings mußte Suttner selbst zugeben, daß der „Bauring Wien“, dem die „Montagebau-Wien“ angehört, zur Überprüfung dieser Beschwerden immerhin ein eigenes Team schaffen mußte. Außerdem mußte die „Montagebau-Wien“ eine beachtliche Anzahl von Außenaufzügen anfertigen, mit denen sich die Reparaturtrupps von den Montagebaudächem aus an den undichten Hauswänden herunterließen. Haltbare Fugendichtungen hat man jedoch bis heute nicht gefunden.

Trotzdem ist der größte Hausherr Österreichs, die Gemeinde Wien, weiter sehr kaltschnäuzig. Für Erhaltungsarbeiten an Gemeindewohnungen sind im Wiener Budget nur rund 1000 Schilling pro Wohnung und Jahr enthalten, das ist gerade die Hälfte jenes Betrages, der von Experten für notwendig befunden wurde.

Durch eine Anfrage im Gemeinderat an seine Hausherrenpflichten erinnert, antwortete Stadtrat Suttner folgendes:

„Fenster und Balkontüren, die allen Schlagregen trotzen, gibt es laut Aussage der Techniker nicht. Der Mieter kann von seiner Verpflichtung, gegen extreme Witterungsbedingungen von sich aus vorzusorgen, nicht entbunden werden. Und daß der, den die normale Zugluft eines Fensters stört, für eine Dichtung mit Schaumgummi usw. selbst zu sorgen hat, ist eigentlich selbstverständlich.“

Selbstverständlich ist auch, daß sich die sozialistische Mietervereinigung, der die Gemeindemieter „freiwillig“ angehören, gegen derartige Hausherrenmethoden bis heute nicht verwahrt hat. Witterungsunbilden werden also vermutlich weiterhin im Gemeindebau für Abwechslung sorgen.

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