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Wie Wasser in Salzburg und Durst in Simmering

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120 Milliarden für die Altstadt-Sanierung werden dringend gesucht. Um Bausparmittel heranziehen zu können, wäre ein weiteres, schwieriges Woh-nungs-Gesetzeswerk notwendig.

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120 Milliarden für die Altstadt-Sanierung werden dringend gesucht. Um Bausparmittel heranziehen zu können, wäre ein weiteres, schwieriges Woh-nungs-Gesetzeswerk notwendig.

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Wenn plötzlich in beiden politischen Lagern Österreichs Leute auf den Gedanken kommen, man könnte

doch ... nun, es ist zunächst gar nicht wichtig, wovon sie meinen, daß man es könnte.

Schon die verdächtige Ubereinstimmung signalisiert zur Genüge, daß es sich nur um zweierlei handeln kann. Entweder man hat eine Möglichkeit entdeckt, dem Wähler auf eine Weise zu gefallen, die einen wenig kostet und im eigenen Lager keine Tabus verletzt. Oder aber man meint, auf eine Goldader gestoßen zu sein, auf einen Geldquell, der sich zum Flie-

ßen bringen läßt, so daß etwas von dem geschehen könnte, wovon alle sagen, daß es längst geschehen sollte, und was doch ewig nicht geschieht.

Das Problem, von dem alle reden und für das seit Jahren intensiv nach einer Lösung (sprich: Goldader) gesucht wird, heißt Stadtreparatur. Die Goldader, die dafür angebohrt werden soll, hört auf den Namen Bausparen, stellt sich aber mit guten Gründen taub. Die findigen Köpfe, die Stadtreparatur und Bausparen zusammenspannen wollen, sind in beiden großen Parteien in Wien zu orten.

Der Bestand an Substandard-wohnungen in Österreichs Städten wird auf 350.000 geschätzt, da-

von allein 270.000 in Wien. Für eine Sanierung dieser 350.000 Wohnungen, ihre Anhebung auf einen keineswegs luxuriösen Standard, veranschlagen Fachleute einen Finanzierungsbedarf von 120 Milliarden Schilling in den nächsten zehn Jahren. Abbruch und Neubau würde 200 Milliarden kosten.

Demgegenüber ist etwa der Geschäftsführer der Raiffeisen Bausparkasse, Thomas Wawra, dem Plan zwar nicht total abgeneigt, aber der Meinung, daß aus dem Raiffeisen-Bauspartopf für die Stadtreparatur sicher nicht mehr als allenfalls wenige hundert Millionen pro Jahr geholt werden könnten.

Solche Skepsis ist in Österreichs Bausparkreisen weit verbreitet. Grund dafür ist, daß sich Bausparen und Stadtsanierung zueinander etwa so verhalten wie Wasser in Salzburg und Durst in Simmering. Sie können zusammen nicht kommen.

Bausparen wurde erfunden, um Menschen den Weg zu einem Eigenheim zu erleichtern. Sie sparen zunächst einen größeren Betrag an und bekommen dann den

Bausparkredit dazu. Das Bauspargesetz schreibt bindend vor, daß jeder Bausparkredit grund-bücherlich abgesichert wird.

Die Bewohner der desolaten Stadtviertel wohnen in Mietwohnungen. Weder die Häuser noch die Wohnungen sind ihr Eigentum.

Die Althausbesitzer haben wenig Interesse, mit Bausparkrediten oder auf andere Weise, aber jedenfalls mit ihrem Geld, Wohnungen zu verbessern, die dadurch weder frei werden, noch viel mehr Zins bringen. Es könnte allenfalls eine Möglichkeit geschaf-

fen werden, daß ein vom Mieter aufgenommener, zur Verbesserung seiner Wohnung verwendeter Kredit mit Zustimmung des Hausherrn grundbücherlich oder auf andere Weise abgesichert wird. Etwa durch eine Landeshaftung anstelle der jetzt obligaten hypothekarischen Sicherstellung.

Gretchenfrage: Wer bewahrt den Mieter davor, seine verbesserte Wohnung zurücklassen, den dafür aufgenommenen Kredit aber auf Heller und Pfennig zurückzahlen zu müssen, wenn er aus irgendwelchen Gründen gezwungen ist, sie zu verlassen?

Aus den Direktionsetagen der Bausparkassen kam bisher kein großer Empörungsschrei ob des Bohrversuches. Die Bausparkassen können sich tatsächlich Kooperationsbereitschaft leisten: Voraussetzung für die Altstadtsanierung mit Bausparmitteln wäre ja, daß sich überhaupt Mieter finden, die ihre Wohnung verbessern wollen, indem sie zuerst jahrelang sparen, dann jahrelang auf den Bausparkredit warten, um zuletzt das Geld in eine Wohnung zu stekken, die nicht ihnen gehört.

Bevor das Wehr ein wenig gehoben werden und etwas vom Bauspargeld in die Stadtsanierung fließen kann, müßten neue gesetzliche Regelungen vor allem für die Sicherstellung der dafür vergebenen Bausparkredite (Landeshaftung?) und zum Schutz sanierungswilliger Mieter vor dem Verlust ihrer Investitionen getroffen werden. Ein heikles Unterfangen auf schwierigem Gelände.

Thomas Wawra sieht dem eventuellen Tag X gelassen entgegen: „Entscheidend kann nur sein, was die wohnenden, sparenden Menschen wollen, und alle Umfragen zeigen ja, daß Eigentum bevorzugt wird. Die Bausparkassen haben die Wünsche der Bausparer zu erfüllen und nicht die Vorstellungen der Kommunalpolitiker. Die vernachlässigten, zerfallenden Miethäuser in den österreichischen Städten und vor allem in Wien sind leider das Ergebnis der Ideologie, daß Wohnen nichts kosten darf."

Zum Wesen des Bauspargedankens gehört übrigens nicht nur die Ideologie des Eigentums, sondern auch das genossenschaftliche Prinzip, das im konkreten Fall sicherstellt, daß der Bausparkredit um so früher erteilt werden kann, je intensiver vorher angespart wurde. Viele warten im Augenblick, streng in der Reihe, auf ihr Darlehen. Auch wenn ein Weg gefunden werden kann, das Bausparen in die Stadtreparatur einzubinden, kann es kein Vordrängen geben: Ein strenges Punktesystem sorgt für Gerechtigkeit bei der Vergabe der Mittel.

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