6859466-1977_30_04.jpg
Digital In Arbeit

Ein Bonus für sorglose Hausbesitzer

Werbung
Werbung
Werbung

Die im Vorjahr großspurig angekündigte „Große Mietenreform” scheint nunmehr wie das Hornberger Schießen auszugehen. Wie aus den in jüngster Zeit aus dem Justizministerium herausgedrungenen Informationen hervorgeht, ist der Kernpunkt der Reform die Abschaffung des berüchtigten § 7 des Mietengesetzes, was zwar an sich sehr erfreulich wäre, wenn, ja wenn eine praktische Alternative an seine Stelle treten würde. Aber …

In Zukunft soll nicht im eintretenden Reparatursfall der Zins abrupt erhöht werden, sondern es soll bereits auf die Reparaturen durch eine vorsorgliche Mietenerhöhung angespart werden, wobei die zusätzlichen Mieten einem Sondervermögen zufließen sollen, welches ausschließlich für Reparaturen reserviert Sein soll.

So weit, so gut. Aber dieses Sondervermögen soll nicht durch eine generelle Erhöhung der gestoppten Altmieten gebildet werden, sondern auf Grund freiwilliger Vereinbarungen zwischen Hauseigentümern und Mietern. Welche Chancen bestehen, einen Konsens aller Mieter herbeizuführen, bzw. - sofern Mehrheitsentscheidungen zulässig sein werden - auch nur einen Konsens der Mąjoritat, kann sich jeder ausrechnen.

Dies scheint auch den Vätern dieser Idee gedämmert zu haben. Es soll daher die gesetzliche Möglichkeit geschaffen werden, eine solche vorsorgliche Mietenerhöhung durch Gerichtsbeschluß zu erzwingen. Und damit kommen wir vom Regen in die Traufe. Statt daß Behörden und Gerichte von Mietzinsstreitigkeiten entlastet werden, wird hier ein legisti- sches Instrument geschaffen, welches noch viel mehr Kontroversen ermöglicht. Und diese können kaum anders als gerichtlich ausgetragen werden.

Der Sinn dieses Systems besteht nun darin - wie Justizminister Christian Broda höchstpersönlich kommentierte -į daß vorausschauende Zinserhöhungen nur in Häusern erfolgen, wo sie für Reparaturen und Modernisierungsarbeiten , dringend gebraucht werden, nicht aber beispielsweise in gut instandgehaltenen Altbauten, welche ohnehin schon über Komfortwohnungen verfügen. (Ausmaß und Notwendigkeit der Sanierung von Wohnobjekten zeigt nebenstehende Graphik.)

Dies aber würde bedeuten, daß der derzeit bestehende soziale Skandal, daß man nämlich in verwahrlosten Substandardhäusern, die schließlich doch notdürftig, angesichts der hohen Professionistenpreise aber unter beträchtlichen Kosten repariert werden, hohe Zinse zahlen muß, in gut erhaltenen alten Komforthäusern hingegen spottbillig wohnt, nur proloniert und weiter verschärft wird. Also genau das Gegenteil dessen, was aus sozialen Gründen geschehen sollte.

Dies würde des weiteren bedeuten, daß Hausherren, die viel Geld in die Instandhaltung ihres Hauses gesteckt haben, durch Nichterhöhung der Zinse bestraft werden, diejenigen hin gegen, welche ihr Haus bisher verfallen ließen, durch Zinserhöhungen belohnt werden. Auf diese Weise schafft man keine Anreize zur Verbesserung der Wohnqualität.

Freilich hat dieses System nicht ausgesprochene Nebenabsichten, nämlich den privaten Hausbesitz weiterhin finanziell auszuhungern, den Gebietskörperschaften und bestimmten großen Organisationen aus ihren Althausbeständen auf legale Manier zusätzliche Einkünfte zu verschaffen. Während in Privathäusern die Gerichte, wenn überhaupt, ganz bescheidene Zinserhöhungen bewilligen werden, die kaum für die dringendsten Reparaturen reichen, werden die Kommunalverwaltungen ziemlich selbstherrlich zentrale Reparaturfonds schaffen, die der Kontrolle der Mieter praktisch entzogen sind und deren gerichtliche Anfechtung kaum Chancen hätte.

Eine sinnvolle und effiziente Lösung des Problems müßte genau das Umgekehrte dessen durchfuhren, was gegenwärtig geplant ist: Es müßten die Altmieten endlich je nach gebotener Wohnqualität in adäquater Weise differenziert werden. Dies wäre nicht nur sozial gerechter, indem man die, zumeist wohlhabenden Mieter alter Komfortwohnungen angemessene Zinse zahlen läßt - kinderreichen Familien könnte ja durch das versprochene Beihilfensystem geholfen werden -, hingegen die vorwiegend ärmeren Mieter in den Substandardwohnungen vor abrupten Mietenerhöhungen ohne wirklich konkrete Verbesserung der Wohnqualität schützt.

Es wäre auch wirtschaftlich vernünftiger, denn es würde ein wirksamer Anreiz zur Wohnungsverbesserung geschaffen. Wenn auch für verbesserte Wohnungen höhere Zinse verlangt werden könnten, - auch im Falle von Altmieten -, so daß dadurch eine angemessene Amortisation der notwendigen Investitionen möglich würde, so könnten sich die ganzen anderen viel zu komplizierten Maßnahmen erübrigen. Für die Mieter wäre es aber noch immer der einfachste und billigste Weg, zu einer besseren Wohnqualität zu kommen.

Das Ganze könnte durch ein klares und durchschaubares Punktesystem reguliert werden, sodaß gerichtliche Entscheidungen lediglich in den seltensten Fällen notwendig würden und diese auch weniger Unsicherheitsfaktoren enthalten würden.

Weitgehend verfehlt waren auch die übrigen Vorschläge des Justizministers. Allerdings ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. Da die SPÖ einen Dreiparteienkonsens in dieser Materie anstrebt, ist nur zu hoffen, daß sich die übrigen Parteien für keine unzweckmäßigen, im Endeffekt bloß „gesellschaftspolitischen” Lösungen, welche gerade ihnen früher oder später auf den Kopf fallen würden, breitschlagen lassen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung