6698984-1963_20_03.jpg
Digital In Arbeit

Wer schafft die Finanzmittel herbei?

Werbung
Werbung
Werbung

Wenn wir uns auf den Standpunkt stellen, daß dieser Betrag entweder allein vom Staat aus Steuergeldern oder allein von den Staatsbürgern aus ihrem verfügbaren Einkommen aufgebracht werden muß, können wir ein „Nein“ provozieren.

70 Milliarden verraucht, vertrunken, verfahren

Aber ein Land wie Österreich, in dem zwischen 1950 und 1960 3 52.000 Autos angeschafft wurden — davon allein 212.000 von Unselbständigen — sollte nicht so leicht kapitulieren. Für die Anschaffung und den Betrieb privater Kraftfahrzeuge, für alkoholische Getränke und für Tabakwaren haben die Österreicher zwischen 1950 und 1960 rund 70 Milliarden Schilling ausgegeben. In den nächsten zehn Jahren dürfte dieser Betrag weit mehr als 100 Milliarden Schilling erreichen. Im Vorjahr wurden für Tabakwaren 3,6 Milliarden ausgegeben, für alkoholische Getränke 1960 bereits 7 Milliarden, wozu noch Ausgaben für die private Motorisierung in der Größenordnung von rund 5 Milliarden kommen. Bei einem angeblichen Bedarf von 500.000 Wohnungen operieren wir außerdem mit Zahlen von weitaus geringerer Glaubwürdigkeit. Da Wohnungsproblem ist nur zum Teil ein Wohn bau problem und zu einem anderen Teil eine Frage der Fehlnutzung des vorhandenen Wohnraumes. Bei der sozialistischen Wohnbautagung

wurde zugegeben, daß in Österreich 4,1 Prozent aller Wohnungen leerstehen, wenngleich nicht zugegeben wurde, daß die Bezahlung von Anerkennungszinsen die Wohnraumhortung begünstigt. Aber auch der Wohnungsbedarf ist eine fiktive Größe, solange die öffentliche Hand Geschenkwohnungen baut und die Wohnungswerber sich zur Sicherheit bei mehreren Stellen um eine Wohnung bewerben.

Das Wohnungsproblem ist ebenso wie das Problem einer ausreichenden Ernährung oder einer ausreichenden Versorgung mit Bedarfsgütern aller Art lösbar. Für die Koalition, die es seit dem Staatsvertrag immer mehr verlernt, große Probleme anzupacken, wäre dieses Problem die Bewährungsprobe für eine auch in Zukunft mögliche fruchtbare Zusammenarbeit.

Notwendig ist nur eins: heraus aus der stickigen Luft.gegenseitiger Beschuldigungen und heran an den Sandkasten eines gemeinsamen Operationsplanes. Vielleicht würde es eine Ermutigung für die „Generalstäbler“ beider Parteien sein, wenn man sie in einen Hubschrauber setzte und einen Rundflug über Österreich absolvieren ließe. Sie würden dann sehen, was auch dem aufmerksamen Auto- und Eisenbahnfahrer nicht entgeht: Während die Nebengasse: Wiens noch von dem düsteren Grau der Zinskasemen beherrscht werden,

schießen auf dem flachen Land Einfamilienhäuser wie Pilze aus dem Boden.

Der Österreicher löst nämlich dort, wo man ihn läßt, sein Wohnungsproblem auch selbst. Wo ihm ein billiger Baugrund und ein billiges Darlehen zur Verfügung gestellt wird, stellt er auch eigene Ersparnisse und der eigenen Hände Arbeit zur Verfügung, uan sich ein eigenes Heim zu scharfen.

Die Meinung, der Selbsthilfewillen des Österreichers beschränke sich auf die Bezahlung seiner Raten für Kraftfahrzeug und Fernsehgerät, ist ebenso falsch wie eine Politik, die ihre helfende öffentliche Hand auch denen entgegenstreckt, die weder bedürftig sind noch selbst etwas zur Lösung ihrer Probleme tun. Damit wird oft den Falschen, auf jeden Fall aber zu wenigen geholfen. Warum sollte das, was auf dem flachen Lande möglich ist, nicht in modifizierter Form auch auf dem sicherlich schwierigeren Boden der Großstadt möglich sein? Es gilt hier einmal umgekehrt den Groß-stadtdschungel des Mietenchaos und des Ablösewuchers, der Wohnungsnot tung und des Untermietzinswuchers, der Wohnbaufinanzierungs- und der Wohnungsvergabeprotektion zu roden.

Warum nicht folgende gemeinsame Grundsätze?

Die Regierungsparteien sollten sich zu diesem Zweck von ihrer ideologischen Verkrampfung befreien und Prestigestandpunkte aufgeben. Die jungen Wähler, die ihre Zukunft sind, haben dafür ohnedies wenig Verständnis. Sie geben jener Partei ihre Stimme, die — im besten Sinn des Wortes — eine für sie vorteilhafte Politik betreibt. Einem jungen Paar, das getrennt oder in teurer Untermiete lebt, ist weder mit dem Mietenstop geholfen noch mit einer öffentlichen Wohnbau-finanzierung, die jahrelange Wartezeiten mit sich bringt. Es träumt davon, daß man in Österreich so leicht zu einer Wohnung kommt wie zu einem Auto: mit Prospekt und garantierter Lieferfrist, mit Baranzahlung und Raten.

Natürlich muß bei der Lösung des Wohnungsproblems nicht nur auf junge Paare Bedacht genommen werden, sondern auch auf alleinverdie-nende Familienväter mit mehreren Kindern und auf Pensionisten und Rentner. Trotzdem ist nicht einzusehen, warum sich die beiden Regierungspar-

teien nicht auf folgende, sozial gerechte und wirtschaftlich vernünftige Grundsätze einigen können:

• Wohnungen gleicher Güte sollen Menschen in gleicher sozialer Lage auch zu gleichen Bedingungen zur Verfügung stehen.

• Wohnungen, die zur Gänze oder überwiegend aus Mitteln der Allgemeinheit erbaut wurden, sollen auch unter Kontrolle der Allgemeinheit vergeben werden.

• Solange in Österreich noch Hunderttausende eine Wohnung suchen, sollen leerstehende Wohnungen als Luxus besteuert werden.

• Wohnungen gleicher Größe und Güte sollen so wie alle anderen „Waren“ auch gleich viel kosten, ihre Benutzer aber sollen eine nach ihrem Einkommen und ihrem Familienstand gestaffelte Wohnungsbeihilfe erhalten.

• Angesichts der wachsenden Zahl dauerhafter Konsumgüter, die ohne öffentliche Hilfe erworben werden, sollen in zunehmendem Maße auch Eigenmittel und der Kapitalmarkt zur Wohnbaufinanzierung herangezogen und damit mehr Wohnungen als bisher geschaffen werden.

• Um den Anreiz für die Bereitstellung von Eigenmitteln zu erhöhen, sollen die Steuerbegünstigungen für Bausparer nach dem Familienstand erhöht und für Bausparer mit niedrigem Einkommen Prämien eingeführt werden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung