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Der große Bluff mit dem Dachbodenausbau

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Gäbe es einen „Oscar” für den besten politischen Bluff, Bürgermeister Leopold Gr atz wäre bereits dessen mehrfacher Gewinner. Sein Rezept:, Legitime Forderungen der Bevölkerung oder Postulate der wirtschaftlichen Vernunft „aufgreifen” und sie dann mit spektakulären, aber vollkommen wirkungslosen Gestzen „unschädlich” machen.

Begonnen hat die Reihe dieser Juxgesetze mit dem Baumschutzgesetz, das zwar manche kostspielige Schikane für den an der Grünlanderhaltung ohnehin interessierten Gartenbesitzer bringt, aber keinen Bauspekulanten - gleichgültig, ob privat, genossenschaftlich oder kommunal - daran hindern wird, auch weiterhin „Baummord” im großen Stil zu betreiben.

Von der Stadterhaltung wird - vom Bund wie von der Gemeinde - gleichfalls viel geredet, aber die Schutzzonenerlässe kommen, wenn überhaupt, meist zu spät, die öffentliche Hand ist - siehe Karlsplatz - selbst weiterhin der größte Bausünder, und die Finanzierungsfragen von Denkmal- und Ensembleschutzaufgaben werden „ausgeklammert”. Desgleichen wird der Umweltschutz zwar „propagiert”, aber Wien besitzt noch immer keine zweckentsprechende Kläranlage für seine Abwässer und keine leistungsfähigen Deponien, speziell für Sondermüll. Die Kamine der Müllverbrennungsanlagen jagen auch weiterhin ihre Abgase nahezu ungefiltert in die Luft Dafür baut man um so eifriger an der überflüssigen Donauinsel, durch die auch noch die letzten Naturreservate Wiens zerstört werden.

Der neueste Bluff ist nun die Förderung des Dachbodenausbaus: Dem Förderungswerber, so wird großspurig verkündet, schenkt die Gemeinde 20 Prozent der Ausbaukosten. Nebenbei wird angemerkt, daß nur derjenige gefordert werde, für den die Wohnbauförderung 1968 nicht in Frage komme. Im Klartext: Hauseigentümer sind von der Förderung ausgeschlossen.

Wer aber soll in einem Haus, das ihm gar nicht gehört, mit einem Aufwand von Hunderttausenden von Schilling den Dachboden ausbauen? Nun, möglicherweise eine Firma, welche dringend Geschäftsräume in einer bestimmten Lage benötigt Weit gefehlt: Die Hälfte des ausgebauten Dachbodens muß Wohnzwecken dienen, was diese Aktion für Firmen in den meisten Fällen uninteressant macht.

Die ganze Förderung reduziert sich auf ein paar Ausnahmefalle, in denen ein Hauseigentümer für Angehörige, die als Mieter angemeldet werden, den Ausbau durchfuhrt - sofern nicht noch festgelegt wird, daß Verwandtschaft mit dem Hauseigentümer ein Ausschließungsgrund von der Förderung ist

Man braucht daher kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, daß man diese Förderungsmittel wenig in Anspruch nehmen wird - ausgenommen vielleicht für die Bauführung in Gemeindehäusern durch Organisationen, die der Gemeinde Wien nahestehen. Die offiziellen Sprecher werden es aber nicht verfehlen, zu bedauern, daß von einer wohlgemeinten Initiative so wenig Gebrauch gemacht wird, und dies als Beweis ansehen, daß mein Wohnbauangelegenheiten eben nicht der Privatinitiative überlassen könne.

Statt solche propagandistisch aufgeblasene, aber substanzlose Förderungsmaßnahmen zu beschließen, sollten lieber die bestehenden ausbaufeindlichen Bestimmungen aufgehoben werden. Bisher war es nämlich oberstes Ziel der Wohnbaupolitik ganz allgemein und speziell derjenigen der Gemeinde Wien, jede Verbesserung oder Ausweitung des Altbaubestandes zu boykottieren. Deshalb wird jeder Dachboden- und sonstige Ausbau von der Herstellung oder Verbesserung des Gehsteigs abhängig gemacht, deshalb darf der Dachboden maximal zu zwei Dritteln ausgebaut werden, was die Wirtschaftlichkeit der ganzen Bauführung häufig in Frage stellt, deshalb existiert als besondere Wiener Spezialität das famose Garagengesetz: Für jede hergestellte Wohneinheit muß auch eine Garage errichtet werden. Da dies in den meisten Althäusern aus technischen und/oder Mieterschutzgründen nicht möglich ist, hebt die Gemeinde Wien - gleichgültig, ob sie dann eine Garage baut oder nicht - eine Ausgleichabgabe ein, deren exorbitante Höhe auch noch die letzten Ausbauwilligen abschreckt.

Des weiteren ist der Dachbodenausbau zumeist auch eine Frage des Vorhandenseins eines Lifts. Da aber keine gesetzliche Möglichkeit besteht, im Fall der Installation eines Lifts sämtliche Mieter - soweit sie dessen Nutznießer sind - aliquot mit den Herstellungskosten zu belasten, müssen die gesamten diesbezüglichen Aufwendungen in die Kalkulation der Dachbodenwohnungen einbezogen werden - was diese endgültig bis zur Unerträglichkeit verteuert. Denn jener Fall, daß sämtliche Mieter eines Hauses bereit sind, die Kosten für die Errichtung eines Lifts mitzutragen, tritt wohl kaum jemals ein.

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