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Der asoziale Wohnungs(um)bau

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Der gelernte Österreicher weiß um die Tücken und Probleme des Mietengesetzes. Er weiß, daß im Zeichen des sogenannten Mieterschutzes dem Hauseigentümer kaum Rechte zustehen, dem (Haupt)mieter aber sozusagen alle Rechte. Und er weiß auch, daß der Hauptmieter in so mancher Wiener Vierzimmerwohnung unter Mieterschutz monatlich vielleicht 100, wenn es hoch kommt 200 Schilling samt Betriebskosten an den Haus„herm” zahlt, dafür aber als Zimmervermieter von Untermietern spielend 800 Schilling monatlich hereinbringt und sich so ein arbeitsloses Einkommen verschafft.

Die Hauseigentümer sind aber schon längst daraufgekommen, daß diese Zustände behebbar sind, nämlich durch Wohnungsumbau. Bei entsprechendem Wohnungsum- und -ausbau fällt die Wohnung aus dem Mieterschutzzins der Friedenskrone heraus, und dann kann ein kostendeckender Mietzins begehrt werden. Die Gemeinde Wien handelt im übrigen grundsätzlich nach diesem löblichen (?) Prinzip.

Wie man erfährt nehmen die Altbauwohnungen in Wien, deren Mo- natsmietzins zwischen .1200 und 2000 Schilling schwankt, rapid zu. Die Hauseigentümer bauen um und aus, und im Nu haben sie entsprechend hohe, kostendeckende Mietzinse, wozu sie nur der entsprechenden Beschlußfassung durch das Bezirksgericht (einst Mietenkommission) bedürfen. Die Mietzinse des sozialen Wohnungsneubaus bleiben dem gegenüber immer mehr zurück, obwohl es sich dort immerhin um Komfort handelt.

Diese Praktiken kann man wohl auch als asozialen Wohnungsumbau bezeichnen. Sie finden ihre Ergänzung in der in einzelnen Bundesländern gehandhabten Praxis des Nichtausbaues der Dachgeschosse neuer, mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus (Landeswohnbaufonds, Bundes-, Wohn- und Siedlungsfonds) erbauter Ein- und Zweifamilienhäuser. Man baut solche Häuser nur in jenem Ausmaß, welches notwendig ist, um den Wohnbedürfnissen des Bauwerbers und seiner Familie zu entsprechen. Was darüber hinausgeht, meist die an sich im Bauantrag ebenfalls als Wohnraum deklarierten Dachgeschosse, bleibt ohne Zwischenwände, unausgebaut. Das geschieht natürlich nicht wegen Mieterschutzzinssätzen, denn in Neubauten gilt ohnehin freie Zinsvereinbarung, sondern wegen des Kündigungsschutzes. Dieser gilt auch für solche Wohnungen, also baut man sie nicht aus, um sie nicht vermieten zu müssen. Denn man hat Angst, daß Mieter, die eventuell unleidliches Verhalten an den Tag legen, nicht hinauszubringen sind.

Ob es nicht anders auch ginge?

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