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WER ERHALT DIE GEFORDERTEN WOHNUNGEN?

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Will man die Wohnungsnot jüngerer, weniger verdienender Haushalte verringern, muß man mehr geförderte Wohnungen bauen, zu denen sie auch tatsächlich Zugang haben.

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Will man die Wohnungsnot jüngerer, weniger verdienender Haushalte verringern, muß man mehr geförderte Wohnungen bauen, zu denen sie auch tatsächlich Zugang haben.

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Rund drei Viertel der österreichischen Haushalte bestehen aus Wohnungen, deren Errichtung gefördert wurde. Die Förderung erfolgte dabei durch billige Landesdarlehen, Bauzuschüsse, Zinsenzuschüsse, geförderte Bausparkredite oder steuerliche Begünstigungen. Der Zugang zu diesen geförderten Wohnungen ist kaum beschränkt. Die Förderung richtet sich nicht an wenige Notleidende, sondern an breite Kreise der Bevölkerung. Dies ist auch nötig. Eingeforderte Wohnungen könnte sich nur eine sehr schmale Schicht der Österreicher leisten.

In Wien etwa werden freifinanzierte Neubauwohnungen nicht unter 150 Schilling pro Quadratmeter zur Miete beziehungsweise nicht unter 30.000 Schilling pro Quadratmeter zum Kauf angeboten. Eine normale Drei-Zimmer-Wohnung würde damit rund 15.000 Schilling Miete pro Monat oder rund 2,3 Millionen Schilling kosten. Was soll da ein Wohnungssuchender Bankangestellter machen, der mit 20.000 Schilling netto Frau und Kind ernährt?

Diese breite Förderung bedeutet auch, daß es hierzulande viel weniger isolierte Armenviertel gibt als etwa in Großbritannien, wo der geförderte Wohnbau nur für ganz arme Familien zugänglich ist. Problematisch wird die Förderung jedoch dann, wenn vor allem nur mittlere und obere Einkommensgruppen Zugang zu den Förderungsmillionen haben, Haushalte jedoch, die wenig oder noch wenig verdienen, weil sie am Beginn ihrer Berufslaufbahn stehen, nahezu ausgeschlossen werden. Das ist bei der Wohnbauförderung in Österreich weitgehend der Fall. Die verschiedensten Analysen über die Verteilung der Förderungsmillionen zeigen, daß der Großteil der geförderten Wohnungen - vor allem Eigentumswohnungen und Mietwohnungen der gemeinnützigen Bauträger - der oberen Mittelschicht zugute kommen. Einen Ausgleich dazu bieten im wesentlichen nur die geförderten Gemeindewohnungen der Stadt Wien, zu denen auch Einkommensschwächere Zugang haben. Der Grund: Die wesentlich geringeren Einstiegskosten und die sozialen Vergaberichtlinien der Stadt.

Durch die Zugangsschwierigkeiten im geförderten Wohnbau besteht aber auch die paradoxe Situation, daß Haushalte, die am ehesten eine Wohnbeihilfe benötigen würden, keine erhalten, da diese nur an Bewohner geförderter Wohnungen vergeben wird.

Wer in eine geförderte Genossenschaftswohnung - egal ob Miete oder Eigentum - einziehen will, muß einen hohen Einmalbetrag für Grundkosten und Baukosten bezahlen. Während Baukostenbeiträge bei Mietwohnungen noch durch günstige Kredite gefördert werden können, gibt es für die Grundkostenanteile keine öffentliche Hilfe. Gerade aber die Grundkosten sind in den Ballungsgebieten in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen. Ein Wohnungssuchender braucht also bereits beträchtliche Ersparnisse, um überhaupt in eine geförderte Wohnung ziehen zu können. Viele junge Haushalte und Haushalte mit Alleinverdienern können sich diese Beträge nicht leisten und bleiben ausgeschlossen. Ungefördert sind auch die monatlichen Hausbetriebskosten für Müllabfuhr, Wassergebühren et cetera. Diese werden auch nicht durch Wohnbeihilfenzahlungen in Abhängigkeit vom Einkommen des Mieters gefördert. Ein Drei-Personen-Haushalt etwa muß trotz Inanspruchnahme einer Wohnbeihilfe für eine entsprechende geförderte Mietwohnung mit rund 1.500 bis 2.000 Schilling pro Monat an Fixkosten für Hausbetriebskosten rechnen. Bei Familien, in denen es nur einen einzigen Verdiener gibt, wird auch dieser Betrag häufig zu einem finanziellen Problem.

Neben den rein finanziellen Zugangsbeschränkungen zu geförderten Genossenschaftswohnungen und Eigentumswohnungen sind ärmere Haushalte häufig schlecht informiert. Oft wissen sie nicht über die Bedingungen der Wohnbeihilfe oder der Eigenmittelersatzdarlehen Bescheid. Es fehlen Informationen über Bauvorhaben von Genossenschaften und wie und wo man eine Genossenschaftswohnung erhält. Trotz eines sozialen Auftrages bemühen sich aber auch nicht alle gemeinnützigen Bauträger in ausreichendem Maß, ihre Wohnungen verstärkt an einkommensschwächere Haushalte zu vermieten oder zu verkaufen.

Im Zusammenhang mit dem neuen Wohnrecht fordert die ÖVP auch den Verkauf von geförderten Mietwohnungen der gemeinnützigen Bauvereinigungen und der Gemeinden und Städte. Kritiker sagen, dies würde jedoch zu einer weiteren Verschärfung der Wohnungsnotsituation für weniger gut verdienende Haushalte führen. Derzeit noch sozial gebundene Wohnungen würden von ohnehin schon bisher begünstigten und vermögenden Mietern erworben werden und in der Folge bei Nichtbenutzung durch diese neuen Eigentümer zu hohen Knappheitsmieten vermietet werden.

Statt derartigen Vorschlägen sollten die Bundesländer die Zugangsbarrieren zum geförderten Wohnbau abbauen. Anfangszahlungen - auch Grundkostenanteile - sollten in Abhängigkeit von Einkommen und Familiengröße durch eine Subjekthilfe gefördert werden können.

Die gemeinnützigen Bauträger müssen veranlaßt werden, vor allem ihren mit Förderungsmittel errichteten älteren und deshalb billigeren Wohnungsbestand an junge einkommensschwächere Haushalte zu vermieten und ihr Eigenkapital für den sozialen Wohnbau einzusetzen. Die Vergabe von Wohnungen sollte nach objektiven Kriterien, bei denen die aktuelle Wohnsituation, die Einkommens- und Familienverhältnisse berücksichtigt werden, erfolgen. Vorstellbar wäre auch eine Vergabe dieser Wohnungen durch die Gemeinden an sozial bedürftige Haushalte.

Da nicht alle bedürftigen Haushalte im geförderten Neubau unterkommen können, sollte auch die Wohnbeihilfe nicht nur an Bewohner geförderter Wohnungen vergeben werden, sondern auch an Familien in privaten Mietwohnungen. Voraussetzung dafür sind jedoch klare Mietzinsbegrenzungen.

Finanziert könnte diese Beihilfe durch Einsparung bei der steuerlichen Begünstigung für Bewohner geförderter Wohnungen werden. Diese steuerliche Abschreibungsmöglichkeit ist derzeit umso höher, je mehr man verdient.

Der Autor ist Wohnbauexperte in der Arbeiterkammer Wien.

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