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„Nicht Privilegien zuschanzen“

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FURCHE: Der Wiener ÖVP-Chef Hahn glaubt nicht, daß man den Kommunalwohnbau völlig aus der Welt schaffen kann. Er will sich also mit einer Politik der kleinen Schritte, das heißt mit der Abgabe von Baustellen der Gemeinde Wien an die gemeinnützigen Genossenschaften, begnügen. In der Diskussionsgrundlage für ein kommunalpolitisches Programm der ÖVP wird nun den Gemeinden prinzipiell und überhaupt das Recht abgesprochen, kommunale Wohnbaupolitik zu entfalten und Wohnungen zu besitzen. Ist das ganz ernst zu nehmen oder eher Ausgangspunkt für einen Kompromiß?

BUSEK: Jede Programmforderung ist als Formulierung einer Zielvorstellung zu verstehen. Wir sind der Ansicht, daß es nicht primäre Aufgabe der Gemeinden ist, den gesamten Wohnungsbau zu übernehmen, sondern, jeweils nach der sozialen Situation abgestuft, dem Gemeindebürger bei der Erlangung einer Wohnung zu helfen. Was heißt das nun in der praktischen Anwendung? Daß wir von der Objektförderung, der Förderung der gebauten Wohnung, abgehen wollen zugunsten der Subjektförderung. Es soll dem Wohnungswerber geholfen werden, wobei die unterschiedliche einkommensmäßige und soziale Situation, Kinderreichtum usw., entsprechend berücksichtigt werden muß. Das würde dann so aussehen, daß man Gemeinnützigen Genossenschaften und sonstigen Wohnbauträgern die Voraussetzungen (Infrastruktur, Grund usw.) zur Verfügung stellt und dann den Wohnungswerber entsprechend unterstützt, wie das zum Teil durch die Wohnungsförderung des Bundes und der Länder geschieht, und daß hier die Gemeinde mitwirken soll. Es wird natürlich in der Einkommensund Sozialsituation Grenzfälle geben, wo überhaupt keine Mittel zur Verfügung stehen, und wo auch die Subjektförderung zu wenig wäre. Das gilt etwa für Altenwohnungen, das gilt für sozial wirklich schwäche Menschen, die wirkliche Armut, die wir auch heute noch haben. Hier finde ich einen Wohnungsbau durch die Gemeinden durchaus berechtigt. Er ist früher schon

auf dem Wege der Fürsorge Zuständigkeit der Gemeinden gewesen.

FURCHE: Wie soll das auf lange Sicht nach den Vorstellungen der ÖVP aussehen? Denkt man demnach daran, den Gemeindebau eines Tages wirklich Leuten vorzubehalten, die sich absolut keine Eigentums- oder

Genossenschaftswohnung leisten können, könnte es da nicht zu Unterschichtghettos kommen, oder zu Altenghettos?

BUSEK: Ich glaube, daß es nicht Aufgabe der Gemeinden ist, jenen, die über genügend Einkommen verfügen, die Sorge um die Wohnung zu ersparen. Das ist asozial und verleitet auch zu Erscheinungen, die wir ja kennen, nämlich mit dem Parteibuch auch gleichzeitig die Wohnungen zu vergeben. Der Einwurf, daß hier Ghettos entstehen können, ist durchaus berechtigt. Ich glaube, daß es heute auch nicht mehr Aufgabe sein kann, Wohnburgen, gigantische Einheiten zu errichten, die ganze Gebiete kennzeichnen, und Sondersituationen schaffen, sondern daß man der Notwendigkeit der Durchmischung Rechnung tragen soll. Es wäre etwa möglich, daß man jenen, die heute alte Gemeindewohnungen haben und über ein entsprechendes Einkommen verfügen, die Möglichkeit einräumt, diese im Wohnungseigentum zu erwerben.

FURCHE: Das hieße, daß in ein und demselben Wohnblock

Gemeindemieter und Wohnungseigentümer leben?

BUSEK: Durchaus in ein und demselben Wohnblock, wobei ja zunehmend auch das Problem der Erhaltung der kommunalen Wohnungen auftritt, weil ja vielfach mit den Gemeindewohnungen von gestern die unterausgestatteten Wohnungen von morgen geschaffen würden.

FURCHE: Kann man nicht den Gemeindebau, so wie er sich heute in Wien einschließlich aller Vergabepraktiken abspielt, im Grund genommen als stille Subvention für bestimmte Bevölkerungsschichten betrachten, die in Gemeindebauten eingewiesen werden?

BUSEK: Wir sind durchaus für diese stille Subvention, wie Sie es bezeichnen, nur muß man sich anschauen, ob der, der diese Subvention empfängt, sie auf Grund seiner Einkommenssituation verdient, oder ob hiermit Leute subventioniert werden, die sich eine Wohnung durchaus selber leisten könnten.

FURCHE: Ist das im gegenwärtigen Zustand der Fall?

BUSEK: Als Eigentümer der Wohnungen, nämlich als Gemeinde Wien, würde ich das einmal gerne untersuchen.

FURCHE: Was käme Ihrer Ansicht nach dabei heraus?

BUSEK: Das würde ich einer solchen Untersuchung vorbehalten. Ich habe den Eindruck, daß viele sozialistische Funktionäre mit relativ guter Einkommenslage in billigen Gemeindewohnungen wohnen.

FURCHE: Wie beurteilen Sie in Anbetracht der doch erheblichen Vorteile, die einer doch erheblichen Wiener Bevölkerungsschicht durch die Gemeindewohnungen zukommen, die politische Verkauf barkeit eines solchen Programmpunkts?

BUSEK: Ich glaube, daß man die Bevölkerung darauf aufmerksam machen muß, daß ein sozialer Wohnhausbau nicht dazu da sein kann, einkommensstärkeren Schichten soziale Privilegien zuzuschanzen.

Mit Generalsekretär Busek sprach Redakteur Hellmut Butterweck.

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