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für die Familie

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nis des VfGH aufgegriffen und kon-zeptiv so wie politisch vertreten. Trotz erfreulicher, direkter und indirekter Fortschritte, konnte bisher der Durchbruch im Sinne des Erkenntnisses des VfGH noch nicht erzielt werden.

Eine begründeterweise meist nicht unter Lastenausgleich diskutierte familienpolitische Maßnahme stellt die Mitversicherung im Rahmen des Sozialversicherungssystems dar. Dem Umfang nach werden auf diese Weise die höchsten finanziellen Aufwendungen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene für die Familien erbracht. Die Bedeutung dieses Bereiches für die Familien wird zweifellos zunehmen.

Die großartige Solidarleistung Lastenausgleich darf nicht hinwegtäuschen, daß dieses Modell an die Grenzen seiner Funktionalität zu kommen scheint. Es besteht nun bereits 40 Jahre. Während dieser Zeit hat es einen weitreichenden Wandel gegeben, der auch und gerade die Familien betroffen beziehungsweise erfaßt hat. Zwei zusammenfassende Hinweise dazu:

Neue Probleme - altes Modell

□ In den fünfziger und noch sechziger Jahren hat es eine eher homogene gesellschaftliche Situation gegeben mit hohen Heiratsraten, niedriger Erwerbsquote von Müttern mit Schulkindern, eine fast doppelt so hohe Kinderzahl je Frau und niedrige Scheidungshäufigkeit.

□ Ein massiver Individualisierungsschub hat sich voll ausgewirkt, wobei eigenes Einkommen eine bedeutende Rolle spielt. Damit verbunden ist die Multiperspektivität des Lebenskonzeptes mit real nutzbaren und genutzten Wahlmöglichkeiten.

Demgegenüber ist das Modell Lastenausgleich gleich geblieben. Die Familie als Lastenträger besteht auch im Bewußtsein der Gesellschaft. Hier sind wir über das Denken in Ernährungsbeihilfe nicht hinausgekommen. Kein Mensch würde von Pensionistenförderung oder Pensionistenbeihilfe reden, obwohl Pension und

Familien„beihilfe" zwei Seiten einer Medaille sind. Auch würde es niemandem einfallen, die Arbeitsfreude an der Erwerbsarbeit bereits als Entlohnung für die erbrachte Leistung anzunehmen. Im Bereich der Leistungen der Familie wird das Argument zur Verschleierung von wirtschaftlicher Ausbeutung unter massivem emotionalen Druck, immer wieder verwendet.

Zweifache Familienleistung

Dabei soll hier nicht übersehen werden, daß die Verbindung von Familie und Leistung insbesondere emotional schwierig sein mag. Gerade weil die von Familien erbrachten Leistungen anderen, menschlichen Kriterien entsprechen als jenen in vielen Bereichen der Erwerbswelt, erscheint es wichtig, diesen Zusammenhang herzustellen.

Ein neuer Ansatz könnte einer Verbesserung der Situation dienlich sein. Denn wie der österreichische Nobelpreisträger J. Schumpeter festhält, sind Krisen auch immer solche der alten Methoden. Dieser neue Ansatz geht von der Familie als einem System aus, das Leistungen erbringt, die es im Rahmen eines gesellschaftlichen Ausgleiches als einen eigenständigen Bereich einzubeziehen gilt.

Was leistet nun dieses neue Paradigma über das alte hinaus? Zu dieser Frage einige Hinweise: □ Es entspricht der komplexen Wirklichkeit von Familie in der Leistungsgesellschaft besser als das einfache Modell des Lastenträgers. Familie gelingt nicht von alleine. Lebensqualität in und durch Familie muß erarbeitet werden. Dabei erbringt Familie eine zweifache Leistung, nämlich im Sinne von kaum substituierbaren Vorleistungen für jedes der gesellschaftlichen Teilsysteme, damit diese überhaupt leistungsfähig sein können sowie Dienstleistungen eigener Art für den einzelnen Menschen und die Gesellschaft beziehungsweise den Staat.

□ Es hilft neue Lösungen zu finden und bestehende stimmig zu integrieren. Mit dem Lastenansatz war es offenbar nicht möglich und wird auch nicht möglich sein, die Transferzahlungen, den Steueraspekt und den Sozialversicherungsaspekt in einem Konzept stimmig zu integrieren. Mit dem Leistungsansatz sollte dies gelingen, was auch notwendig ist. Neu wäre jedenfalls, daß eigenständig erbrachte Leistungen auch direkt individuell abgegolten werden und nicht nur indirekt, als abgeleitete Ansprüche.

□ Schließlich sei noch auf das schon oben angedeutete rhetorische Problem hingewiesen. Es macht einen Unterschied, ob von Familie als Leistungsträger oder als Lastenträger gesprochen wird, nämlich beispielsweise den, daß von einer Pension als wohl verdientem Anspruch ausgegangen wird und bei der Familienbeihilfe von einer Förderung, einer Alimentation. Das und vieles damit Verbundene wird wohl nicht ohne Belang für Familie und Familienpolitik sein.

Selbst wenn zweifelsfrei sicherge-

stellt werden könnte, daß ein neues Paradigma, ein neues System tatsächlich alle erwarteten Vorteile erbringen wird, besteht im Übergang ein nicht zu unterschätzendes Problem. Das gilt wohl auch für das dargestellte Anliegen. Allerdings führt das Verharren im alten System, also im hartnäckigen Versuch, die Vergangenheit zu verlängern, meist in eine Sackgasse. Dann brechen häufig Lösungen überfallsartig durch. Dabei ist das Risiko jedenfalls größer als der sorgsam vorbereitete Versuch, der Zukunft in der Gegenwart eine gute Gelegenheit zu bereiten.

Die Chance des Jahres 1994

Abschließend seien zwei Hinweise gegeben, wie der Wechsel eingeleitet und ansatzweise umgesetzt werden könnte:

□ Auf der Ebene der Bewußtseinsbildung wird es notwendig sein, das knappe Gut Zeit neu zu gliedern. Derzeit wird von Arbeitszeit und Freizeit gesprochen. C. Geißler schlägt vor, eine Dreiteilung vorzunehmen, nämlich in Erwerbszeit, Sozialzeit und

persönliche Zeit.

□ Auch wenn es bereits ermutigende Versuche gibt, die Leistungen in der Familie monetär zu bewerten, stellt das eine schwierige Frage dar. Bis diese zufriedenstellend beantwortet werden kann, muß allerdings nicht gewartet werden. Als ein möglicher Einstieg könnte auf der Bedarfsseite angesetzt werden.

Hier bietet sich das Existenzminimum als Orientierungsgröße an. Jedem Familienmitglied wird das Existenzminimum konkret und real zugebilligt. Es kann davon ausgegangen werden, daß damit sicherlich die tatsächlich erbrachte Leistung nicht überzahlt wird.

Das Internationale Jahr der Familie 1994 könnte ein Instrument sein, um aus diesem Traum eine neue Wirklichkeit werden zu lassen. Wichtig wird dabei sein, daß nicht einige allein träumen, sondern viele gemeinsam (H. Camara). Dieser Beitrag sollte auch eine Einladung zum gemeinsamen Träumen sein.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Ehe und Familie.

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