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Assanierung heibt Sanierung

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Sieht man von jenen Bauwerken ab, die aus kulturhistorischen und denk-maipflegerischen Gründen schutzwürdig sind (zum Beispiel Kirchen, bedeutende Profanbauten, Ensembles sonstiger Bauwerke, Einzelhäuser), so verbleibt in erneuerungsbedürftigen Stadtteilen eine Vielzahl verschiedenartiger und sanierungsbedürftiger Ojekte. Wie solche Bauwerke verschiedensten Ursprungs sind, verschiedensten Zwecken gedient haben und noch dienen mögen, so weisen sie — unter dem Gesichtspunkt eines Sanierungsprojektes — auch folgende Ünterscheidungskrite-rien auf:

• Größe der einzelnen Baufläche (Grundfläche),

• bisherige Verbauungsdichte,

• Eigentumsverhältnisse (Alleineigentum oder ideelles Miteigentum physischer oder juristischer Personen, darunter auch Gebietskörperschaften).

Bisherige großstädtische Projekte von Stadtteilsanierungen haben darunter gelitten, daß sie im Ergebnis zu einer wesentlichen und ungesun-■ den Veränderung der Eigentumsstruktur an Grund und Boden und damit zu einem Eingriff in das soziologische Bild eines Stadtteiles geführt haben. (So die Sanierung Wien, Liechtentai: An die Stelle einer Vielzahl verschiedener Eigentümer tritt das Eigentum der Gebietskörperschaft; an die Stelle der bisherigen privatrechtlichen, marktorientierten Beziehungen zwischen Vermieter und Mieter der von einzelnen Wohnungseigentümern zueinander, tritt die konforme Abhängigkeit der Mieter von bürokratisch organisierten Hausverwaltungsorganen, die aus Steuermittetn erhalten werden müssen.)

Es ist nun nicht Aufgabe der Gebietskörperschaften, primär als Hauseigentümer und Vermieter auf dem Wohnungsmarkt in Erscheinung zu treten. Abgesehen von grundsätzlichen Überlegungen, führt dies zu einer Entfremdung der Gebietskörperschaft von ihren eigenen, übergeordneten Aufgaben und darüber hinaus in der Praxis zu absurden Ergebnissen. (So wird derzeit von den Gebietskörperschaften von der Möglichkeit der Vereinbarung eines woh-nungsmarktgerechten Zinses bei freiwerdenden Altwohnungen, wie sie durch das Mietrechtsänderungs-gesetz 1968 vom Gesetzgeber für zulässig erklärt worden ist, zum Teil kein und zum Teil nur geringer Gebrauch gemacht. Dies führt dazu, daß neuerlich für gleichartige Wohnungen verschiedene Mieten auf dem Wohnungsmarkt bezahlt werden müssen.)

Wer die internen Zusammenhänge kennt, kann sich aber auch leicht vorstellen, daß infolge der „Verwaltungsnähe“ immer die Gefahr der sachlich nicht begründeten Begünstigung gebietskörperschaftseigener Projekte bei der Erbringung der sonstigen Leistungen durch die Gebietskörperschaft zu Lasten anderer Vorhaben bestell t. Geht man von der Voraussetzung aus, daß

• unsere Rechtsordnung — trotz mannigfacher öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Beschränkungen — eigentumsfreundlich ist, und daher

• die Enteignung nur die ultima ratio darstellen soll (wenn alle anderen Mittel nicht durchdringen) und daß schließlich

• die finanziellen, organisatorischen und verwaltungsmäßigen Möglichkeiten der Gebietskörperschaften beschränkt sind, so ergibt sich daraus die Verpflichtung, nach Lösungen zu suchen, die weiterhin das dingliche Eigentum von Privaten an Grund und Boden, oder, entsprechend dem Fortschritt der Bautechnik, an „Räumen“ ermöglichen, den Gebietskörperschaften aber gestatten, sich aus der Verantwortung nach der Durchführung eines Sanierungsprojektes wieder zurückzuziehen.

Bei Überlegung aller Umstände bietet sich zwangsläufig die Lösung an, leistungsfähige und versierte Bauträger, die über besondere Qualitäten verfügen, als Treuhänder für Aufgaben der Stadterneuerung („Assanierung“) heranzuziehen. Kleinere Vorhaben sollten überhaupt in einem abgekürzten Verfahren privaten Assanierungsgemeinschaften übertragen werden, die sich aus den Eigentümern oder Miteigentümern sanierungsbedürftiger Grundstücke bilden könnten.

Aufgaben der als Sanierungsträger einschreitenden Treuhänder sind unter anderem:

• formelle Betrauung mit der Durchführung des Sanierungsprojektes durch die jeweilige Gebietskörperschaft, nachdem das in Frage kommende Baugebiet zuerst von der Gebietskörperschaft zum Assanierungsgebiet erklärt, das Sanierungsprojekt grundsätzlich genehmigt und gewisse Richtlinien festgelegt worden sind (Zielvorstellungen).

• Erwerb der Grundstücke und Liegenschaften im Sanierungsgebiet mit Hilfe von langfristigen Krediten, die dem Treuhänder etwa von den jeweiligen Landeshypothekenbanken gewährt werden könnten. Die Gebietskörperschaft sichert diese Kredite durch Übernahme einer Ausfallhaftung und verbilligt sie durch die Gewährung von Zinsenzuschüssen.

Beim Erwerb soll den Grundeigentümern ein Preis geboten werden, der von Sachverständigen festgesetzt wird und dem Verkehrswert vor Inangriffnahme des Sanierungsprojektes entspricht. Soferne eine gütliche Einigung nicht zustande kommt: Möglichkeit der Enteignung gegen Entschädigung.

• Absiedlung und wohnungsmäßige Versorgung der Bewohner des Sanierungsgebietes, wobei durch die Gewährung von Übersiedlungshilfen getrachtet werden sollte, die „Absiedler“ primär auf dem normalen Wohnungsmarkt zu versorgen. Die Höhe der Zuschüsse soll von der Bereitschaft zur raschen Räumung abhängig sein. Die Kosten der Absiedlung werden vorerst von der Treuhandgesellschaft getragen.

• Durchführung der Detailplanung des Sanierungsgebietes durch den Treuhänder, wobei alle auftauchenden Probleme gelöst werden sollen. (Etwa Aktivierung vorhandener und Schaffung neuer Grünflächen, Klärung der Transport- und Verkehrsprobleme, Denkmalschutz.)

• Verbauung des Areals — zumindest in den Strukturen — durch den Treuhänder und schließlich

• Veräußerung der fertiggestellten Bauwerke oder Struktureinheiten, oder auch Halbfertigstrukturen an private Bauwerber, die sie unter Inanspruchnahme der geltenden Wohnbauförderungen erwerben beziehungsweise fertigbauen können; Veräußerung Em andere Bauträger (Gesellschaften, Genossenschaften, Bauvereinigungen), die infolge ihrer Größe und Organisation zwar nicht in Frage kommen, Treuhandprojekte durchzuführen, doch durchaus in der Lage sind, Einzelvorhaben fertigzustellen und abzuwickeln.

Während die Zwischenflnanzierung des Grundverkehrs vom Kapitalmarkt übernommen werden könnte, bedürfen die Treuhänder für die Zeit von der Verbauung zur Veräußerung relativ großer, jedoch kurzfristiger Finanzierungsmittel. Soweit Bauwerke durch die Treuhänder bezugsreif hergestellt werden, besteht die Möglichkeit, auf dem Umweg über die künftigen Wohnungswerber Wohnbauförderungsmittel und Eigenleistungen in Anspruch zu nehmen.

Übrig bleiben die Zwischenftnanzie-ruragskosten von Halbfertigstrukturen. Diese könnten entweder durch die künftigen Erwerber (andere Bauträger) finanziert oder aber auch wie die allgemeinen Grundkosten behandelt werden.

Von den Gesamtkosten eines Sanierungsprojektes, die sich aus Planungskosten, Kosten für die Absiedlung und Wohnversorgung einzelner Bewohner und den Kosten für den Abbruch der Häuser sowie den Neubau der vorgesehenen Bauwerke (Strukturen) zusammensetzen, werden die Verkaufserlöse abgezogen. Die Differenz zwischen den Gesamtkosten und den Verkaufserlösen stellen die sogenannten Nettokosten eines Projektes dar. Diese wären zwischen dem jeweiligen Bundesland und der Stadt nach einem festzulegenden Schlüssel aufzuteilen. Der Vorteil der Betrauung von Treuhändern besteht zweifellos darin, daß die Gebietskörperschaften mit ihren Verwaltungskörpern sich übergeordneten Tätigkeiten (auch Kontrollfunktionen!) zuwenden können. Die einmal gewährten Zuschüsse sind jedenfalls geringer als eine jahrzehntelange Belastung der Verwaltung und damit der Steuerträger. Die Gebietskörperschaft wird nach Beendigung des Projektes wieder frei.

Als für das Funktionieren einer Stadt wesentlich erscheinen hiebei die vielfältigen Möglichkeiten ineinandergreifender Eigentumsstrukturen und sonstiger Rechtsverhältnisse an den neuen Bauwerken, die damit dem ursprünglichen Stadtorganismus am nächsten kommen und als eine Voraussetzung für das Funktionieren dieser neuen Stadtteile angesehen werden dürfen.

Dr. Paul Twaroch befaßt sich seit Jahren auch mit Fragen des Wohnens, der Architektur und der Umweltsgestaltung. Der junge Rechtsanwalt wurde 1963 vom damaligen Staatssekretär Dr. Kotzina aus der Prokuratur in das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau berufen. Im 1966 gegründeten Bautenministerium war Dr. Twaroch als Leiter des Ministerbüros tätig. Im Auftrag des Bautenministers Doktor Kotzina wirkte er an der Vorbereitung der Wohnungsreformgesetze mit. Wegen seiner Sachkenntnis wurde er auch zum Vorsitzenden des Arbeitskreises für Umweltsgestaltung der Aktion 20 berufen. Dieser Arbeitskreis beschäftigt sich auch mit den Problemen der Assanierung.

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