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Föderalistisch gegen den Knall

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Der Mensch der modernen Industriegesellschaft verbringt einen Großteil des Tages in „lärmintensiver“ Umgebung. Das immer dringender werdende Bedürfnis nach einem ruhigen Ort, der in erster Linie die Wohnung sein müßte, wird aber im Wohnbau immer noch zuwenig berücksichtigt. Wohnbauten werden oft in Gegenden errichtet, die erfahrungsgemäß sehr lärmanfällig sind. Der Begriff der „hellhörigen Wohnung“ ist nicht nur ein Schlagwort, sondern in vielen Fällen eine bedauerliche Tatsache. In Österreich hat sich vor zwölf Jahren der „Österreichische Arbeitsring für Lärmbekämpfung“ konstituiert und ist seither darum bemüht, in Zusammenarbeit mit internationalen Institutionen ähnlichen Charakters, Empfehlungen und Richtlinien für einen wirksamen Lärmschutz der Bevölkerung auszuarbeiten.

Die Bestimmungen, die sich auf die Lärmisolierung beziehen, sind in den verschiedensten Gesetzen und Verordnungen enthalten, vornehmlich in den Bauordnungen der jeweiligen Bundesländer. Bedauerlicherweise sind einzelne dieser Bauordnungen so geartet, daß sie den Erfordernissen der gewandelten Umweltsbedingungen nur noch sehr wenig oder gar nicht entsprechen. Der Ruf nach einer einheitlichen, modernen Regelung wird bereits seit Jahren ebenso nachdrücklich wie erfolglos erhoben, und obwohl bereits einige Bundesländer in dieser Hinsicht erfolgversprechende Schritte unternommen haben, hinkt man in anderen Ländern hinter der Gegenwart nach, ohne sich zu entscheidenden Änderungen entschließen zu können. Die Bundesländer Kärnten, Steiermark und Oberösterreich haben in letzter Zeit auf diesem Sektor aber Pionierarbeit geleistet. Die Stadt Linz ist an eine Bauordnung aus dem Jahre 1887 gebunden — ähnlich „antiquiert“ sind die einschlägigen Bestimmungen in fast allen Bundesländern — welche natürlich keine Lärmschutzbestimmungen enthält. Die Baubehörde dieser Stadt wird aber jetzt einlaufende Bauprojekte auch hinsichtlich der vorgesehenen Schallschutzmaßnahmen, also insbesondere hinsichtlich Deckenaufbau, Wohnungstrennwände, Lage von Aufzugsschächten, Müllabfuhr-

schächten usw. überprüfen. Durch gütliche Verhandlungen mit den Gesuchstellern wird zumeist eine/ zufriedenstellende Lösung gefunden und werden die Pläne demenjtspre-chend schon vor Erteilung der Baubewilligung berichtigt, &o daß die Einhaltung des Plaues selbst mit seinen Konstruktionsangaben eine Gewähr für ausreichenden Schallschutz bietet.

In der neueren Kärntner Bauordnung, die im Kärntner Landesgesetzblatt vom 15. September 1969 veröffentlicht wurde, lautet der 22: „Vorhaben müssen den Anforderungen der Sicherheit, der Gesundheit, des Verkehrs, der Zivilisation, des Landschaftsbildes und des Ortsbildes nach den Erkenntnissen der Wissenschaft, insbesondere der Technischen Wissenschaften, entsprechen.“ Die Initiativen dieser Bundesländer in diesen Belangen können durchaus als beispielgebend betrachtet werden, und es wäre wünschenswert, wenn für die Lösung dieses allgemein interessierenden Probleme bundeseinheitliche Richtlinien geschaffen werden könnten. Es ist dies eine Forderung, die über dem Verharren auf föderalistischer Eigenständigkeit stehen müßte, da letztlich die Lärmbelästigung allenthalben so einheitlich ist, wie es die Bestimmungen zu ihrer Bekämpfung sein sollten.

Ausreichende schallschutztechnische Maßnahmen sind bei rechtzeitiger Planung bautechnisch relativ einfach und billig durchführbar. Die Mehrkosten für die Erfüllung der Schallschutzvorschriften liegen in der Schallschutzgruppe 1 unter zwei Prozent der Baukosten, jene für höheren Schallschutz zwei bis vier Prozent. Maßnahmen zur Verbesserung des Schallschutzes im fertigen Bauwerk sind hingegen schwierig oder unmöglich und wesentlich teurer. Angesichts der Gefährlichkeit des Lärms für den menschlichen Organismus und die Psyche wäre es daher empfehlenswert, wenn künftige Mieter in einer neu zu errichtenden Wohnung sich bereits rechtzeitig für den Schallschutz interessieren, und auch selbst während des Bauverlaufes die richtige handwerkliche Ausführung der Schallschutzmaßnahmen betreiben. Der österreichische Arbeitsring für Lärmbekämpfung (ÖAL) bei der österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundheit hat im Mai vorigen Jahres in Wien ein international beschicktes Round-Table-Gespräch abgehalten, in dessen Verlauf eine Reihe von Grundsatzforderungen im Zusammenhang mit der Lärmbekämpfung erhoben wurden. Von dem Neun-Punkte-Programm verdienen insbesondere die drei ersten, welche sich mit den rechtlichen und gesetzgeberischen Belangen des Problemes befassen, besondere Beachtung: Punkt 1 verlangt eine Verankerung des Rechtes auf Ruhe im Grundrechtskatalog, Punkt 2 die Anpassung der Gesetze und Vorschriften an den jeweiligen Stand der Technik zur Vermeidung und Verringerung von Lärmstörungen und verstärkte Anwendung in der Verwaltung und Punkt 3 die vermehrte Information der Behörden und Mandatare über Lärmbekämpfung als öffentliche Aufgabe der Gesundheitspolitik durch Vermittlung des vorhandenen Wissens auf dem Fachgebiet des Lärmschutzes.

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