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Kirchenanleihe zurückgezahlt

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Die Kirche rief und alle lamen, so lönnte man es formulieren, wenn man die Teilnehmer des Festaktes, der am 15. Oktober 1981 im Marmorsaal und den Kaiserzimmern des Stiftes Klosterneuburg stattfand, betrachtete.

Vertreter des Kreditapparates, defe Bundesministeriums für Finanzen, Freunde und Gönner und die Abgesandten der Presse fanden sich ein. Grund des - freudigen - Ereignisses: die Tilgung der ersten Kirchenanleihe, fast genau vor 25 Jahren zum erstenmal emittiert.

Wahrhaft ein Anlaß, um zu jubeln. Wenn eine Tageszeitung vermerkte, daß dies ein österreichisches Novum war, so sei ihr Recht gegeben. Denn es geschah noch nie in unseren Landen, daß jemand zu einer Anleihe lud, die zur Gänze zurückgezahlt wurde. Da ist man, in unseren Tagen, schon anderes gewöhnt.

Doch nun einiges zur Vorgeschichte: Nicht nur der Staat Osterreich, sondern auch mit ihm die Kirche, stand nach den Wirren des 2. Weltkrieges vor einem Trümmerhaufen. Schulen,

Spitäler und Kirchen waren zerbombt und damit schwer zerstört oder beschädigt und gehörten instandgesetzt. Doch damit waren die zukünftigen Aufgaben der Kirche keineswegs eingegrenzt. Klöster, Seminarien und der Wohnungsbau waren zumindest genauso vordringlich.

In dieser verzweifelten Situation wurde die Idee einer Anleihe geboren. Sicherheiten waren vorhanden, denn die Kirche besaß Klöster, Stifte. Grundstücke - aber kein Geld. Denn für einen Wiederaufbau reichten die Mittel aus der Kirchensteuer noch lange nicht. Was la^ also näher, als eine Anleihe ins Leben zu rufen?

Der Skeptiker waren viele. Erzbi-schof Koadjutor Dr. Jachym führte ein erstes Gespräch mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden der Creditan-stalt, Dr. Joham, über die Pläne ^iner Anleihe, was dieser mit, .ecciesiam extra commärciam" quittierte. Kirche und Geschäft - das paßte nicht in das Weltbild damaliger Bankiers, wohl mit der Verkennung, daß die Kirche ja gar kein Geschäft im üblichen kommerziellen Rahmen abwickeln wollte. Natürlich bot der CA-Chef großzügige Kredite an, die jedoch nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein gewesen wären.

Aber auch in Rom war nicht allen wohl zumute. So stimmten zwar die Konzils-, die Konsistorial- und die Re-ligiosenkongregation einem solchen Vorhaben zu, doch deponierte die Konzilskongregation ein Votum, In dem es hieß „daß es sich darum handle, den Grenzpunkt, wo sich die Kühnheit mit der Vorsicht trifft, festzustellen."

Es gab Skeptiker

Letzten Endes war man aber wohl auch in Rom nicht abgeneigt (und sicher auch neugierig) einer Anleihe zuzustimmen und erteilte die Genehmigung. So kam es zur Gründung der „Aktiengesellschaft zur Förderung von wirtschaftlichen Unternehmungen und von Bauvorhaben", kurz genannt die „Föfderungs-AG".

Diese „Förderungs-AG" wurde auch die Emissionsstelle, wobei alle österreichischen Diözesen, viele Stifte und kirchliche Institutionen nicht nur als Aktionäre auftraten, sondern auch durch die Haftungsübernahme ohne jede Gegenleistung die Bürgschaft für die Emission der kirchlichen Aufbauanleihe übernahmen.

Diesen „Urbürgen" ist das Verdienstzuzurechnen, in einer bis dahin und seither beispiellosen wirtschaftlichen Solidaritätsaktion kirchlicher Rechtspersonen die Basis der kirchlichen Aufbauanleihen geschaffen zu haben.

Und am 17. September 1956 war es soweit: mit einem Volumen von 50 Millionen Schilling konnte die kirchliche Aufbauanleihe bis zum 1. Oktober 1956 gezeichnet werden. Dieses Volumen war, wer die Zeit damals kannte, der weiß es, eine unvorstellbare, um nicht zu sagen, riskante Summe. Man bot keine Steuertiegünstigung, dafür aber eine lange Laufzeit von 25 Jahren und auch die Werbung war, um im wirtschaftlichen Sinne zu sprechen, minimal. 500.000 Schilling waren die Kosten des Werbeaufwandes und die Kanzelaufrufe waren gratis.

Auch ein „Werbeeffekt" war die sie-benprozentige Verzinsung, die man als erster Emittent bot und damit eine Anleihenära einleitete, die fast 20 Jahre währte. Ja, und da war noch was: das Vertrauen der Bevölkerung In die

Kirche. In ihre Rolle als Bollwerk in einer Zeit, in der man zwar optimistisch zu sein hatte, diesen Optimismus aber abstützen wollte. Man hatte Vertrauen zur Kirche, in diesen Jahren, in denen das Vertrauen so stark erschüttert war. Sicher, die Menschen borgten auch vielen anderen Institutionen ihr Geld und in der Folgezeit kamen Unmengen von Anleihen ^uf den Markt. Doch waren alle nicht mit der oder denen der Kirche vergleichbar.

Denn der Kirche gab man nicht Geld, um zu spekulieren und es zu vermehren, sondern es stand ein guter Zweck im Vordergrund. Es konnten damit Schulen, Spitäler, Kirchen, Wohnungen errichtet werden, beziehungsweise instandgesetzt. Kindergärten, Akademien wurden gebaut -Mittel der Kirchensteuer hätten beileibe nicht ausgereicht.

Und die Kirche pflegte auch die Kurse: das Bankhaus Schelhammer Schattera sorgte dafür, daß die Besitzer der Obligationen auch In Zeiten des Hochzinses vorteilhaft bedient wurden und werden. Auch In diesem Bereich hat man klug gehandelt. Anleiheemission von der „Förderungs-AG" - Kurspflege von einem versierten Bankhaus. Grund genug, um beim Festakt im Stift Klosterneuburg Dankesworte an Kommerzialrat Dipl.-Ing. Josef Melchart, dem Vorsitzenden des Vorstandes der „Förderungs-AG", zu richten.

Dank kam auch aus dem Vatikan und wir wollen das eingelangte Telegramm wörtlich wiedergeben: „Im Auftrag des Heiligen Vaters darf ich allen Verantwortlichen und Mitarbeitern der ,Aktiengesellschaft zur Förderung von wirtschaftlichen Unternehmungen und von Bauvorhaisen’ für die langjährige erfolgreiche Tätig-, keit zur Behebung der vor allem durch den Zweiten Weltkrieg vielen

Der Vatikan gratulierte

Würdigung der Verdienste des Vorsitzenden des Kuratoriums, des hochwürdigsten Herrn Erzbischof Koadjutor Dr. Franz Jachym sowie des Vorsitzenden des Aufsichtsrates, des h. H. Generalabtes Gebhard Kober-

ger, erteilt Seine Heiligkeit Ihnen und allen Beteiligten für Gottes bleibenden Schutz und Beistand von Herzen den Apostolischen Segen - Kardinal Casaroli."

Wie bereits gesagt - die erste Kirchenanleihe war ein voller Erfolg, und die Entgegennahme der Zeichnungsaufträge mußte sogar vorzeitig eingestellt werden. Das ursprüngliche No-. minale von 50 Millionen Schilling wurde um 20 Millionen mit Genehmigung des Finanzministeriums aufgestockt.

Weitere kirchliche Aufbauanleihen folgten in den Jahren 1966, 1969, 1972 und 1976. Alle zeichnete die extrem lange Laufzeit von 25 Jahren aus, die aber das Publikum durchaus akzeptierte, nicht zuletzt aufgrund der beständigen Marktpflege des beauftragten Bankhauses, die den jederzeitigen Verkauf der Anlejheobllgatio-nen ermöglichte. Insgesamt wurden bisher kirchliche Aufbauanleihen im Gesamtnominale von S 960,000.000,-begeben, wovon bis Ende 1980 das Nominale von S 328.650.000.- planmäßig getilgt wurde. Die Bürgengemeinschaft hat ihre Haftungssumme bis dahin auf insgesamt 1.597,700.000 Schilling erhöht.

Doch was geschah mit diesen Geldern? Vorweggenommen könnte man sagen, daß vorteilhaft gewirtschaftet wurde: nach den aus den Erlösen vergebenen Darlehen und aus den Jahren mit dem. Baukostenindex I des Statistischen Zentralamtes hochgerechnet, entspräche das einem Baukostenvolumen von mehr als 4,3 Milliarden Schilling!

So flössen in die Seelsorge knapp 300 Millipnen, in den Wohnungsbau 200 Millionen, in Kindergärten, Schulen und Internate fast 400 Millionen Schilling. Auch Krankenhäuser bekamen über 200 Millionen ab und carita-tive Einrichtungen fast et^enso viel.

Über 400 Bauten würden bisher aus den Mitteln der Anleihe errichtet oder gefördert - in den Erzdiözesen Wien und Salzburg und den anderen sieben Diözesen Österreichs. Und dazu zählt das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in der Wiener Stumpergasse genauso wie eine Wohnhausanlage des Stiftes Klosterneuburg.

Und mit dem 1. Oktober war die erste kirchliche Aufba’uanleihe zurückgezahlt. Wahrhaft ein Grund, um zu jubeln - denn das Vertrauen der Menschen in die Kirche war gerechtfertigt

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