6793874-1971_01_06.jpg
Digital In Arbeit

FPÖ-Plädoyer für Slavik

Werbung
Werbung
Werbung

„… beweg t mich dieser Augenblick zutiefst!“ — so lautet die Herz- Schmerz-Überschrift der amtlichen Wiener „Rathaus-Korrespondenz“ laihiläßlich der Antrittsrede dies neu- gewählten Wiener Bürgermeisters Felix Slavik. Doch einiges spricht dafür, daß Slavik die unmittelbar an seine Wahl anschließenden Weilh- nachtsferien des Wiener Gemeind e- rates nicht nur der Rührung gewidmet hat: Allzu kühl vollzog sich die seit Jahnen programmierte Hofübergabe von Altbürgermeister Mairek an seinen Nachfolger; und das Rätselraten, woher wohl in der geheimen Abstimmung die elf Gegenstimmen gekommen sein mochten, wurde durch die Tatsache, daß FPÖ und DFP für Slavik stimmten, keineswegs erleichtert.

Seit fast 20 Jahren hat kein Wiener Bürgermeister bei seiner Wahl so viele Gegenstimmen gehabt wie diesmal: Zwei Stimmzettel waren leer,

fünf lauteten auf Vizebürgermeister Gertrude Sandner, zwei auf Liegen- schaftsstaditrat Hintschig und einer auf Planungsstadtrait Ing. Hofmann. So wurde Slavik -mit nur 88 von 99 Stimmen gewählt. Das bisherige Minimum bei einer Wiener Bürger- meisterwafhl waren 76 von 92 Stimmen für Jonas bei seiner erstmaligen Nominierung im Jahre 1951, aber damals gab es ja noch 13 oppositionelle Gemeinderäte…

Diesmal waren die beiden Meinen Oppositionsparteien die große Überraschung: Zum erstenmal seit ihrem Einzug im Wiener Gemeinderat — die DFP seit 1969, die FPÖ immerhin seit 1959 —, gaben sie einem sozialistischen Bürgermeiisterkandidaten, ihre Stimmen. Die DFP des inhaftierten Exmiiniistens Olah erklärte, daß sie Slavik „als Demokraten der Tat kenne und anerkenne“, was zweifellos auf Slaviks seinerzeitiges Engagement für Franz Olah zurückzufü-

rein ist Weitaus bemerkenswerter ist die Loyaiiitäteerkflärnjing der FPÖ, dlie schon bei ‘insgesamt vier Wahlen gegen den sozialistischen Bürgermeister opponiert hatte, nämlich 1959 und 1964 gegen Jonas sowie 1965 und 1969 gegen Marek: Diesmal! hielt der Wiener FPÖ-Klubobmann Doktor Schmidt geradezu ein Plädoyer für Slavik, erklärte, daß die SPÖ „ihren besten Mann nominiert“ halbe und .begnügte sich nicht mit dem geheimen Abstimmungsergebnis. das bei drei DFP- und vier FPÖ-Mandaten jede Kombination offiengelaissen hätte, sondern betonte ausdrücklich, daß die FPÖ Slavik ihre Stimme gegeben habe.

Verfassungsänderung in Wien?

Da die elf Gegenstimmen zwangsläufig aus den Reihen der ÖVP, der SPÖ oder — wahrscheinlich — aus beiden Wiener Großpairtteien stammen, hat das Abstimmungsergebnis dlie beiden angeblich „echten“ Oppositionsparteien, vor allem aber die FPÖ an den Rand der Ungllaubwür- digkeät gebracht. Dritter Landtagspräsident MühlhauSer, der für die ÖVP zur Bürgermeistererküäiruing Stellung nahm, reagierte prompt mit der Vermutung,, daß offenbar die Wiener FPÖ die’stille kleine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ auf Bundesebene nicht durch demonstrative Opposition -im Wiener Rathaus stören wolle.

FPÖ-Sprecher Dr. Schmidt äußerte auch einen großen Wunsch seiner Fraktion an die SPÖ: Die Bitte nach einer Wahlrechtsreform nach Bun- dasvorbiild auch in Wien, von der sich die FPÖ nahezu eine Verdoppelung ihrer Gemewnderatsmandate erhofft. Es bleibt abzuiwarten, ob die Wiener SPÖ trotz ihrer 63:30:4:3- Melhrlheit auf die Anbiederung der Freiheitlichen reagiert, denn eine Aufwertung der Kletoparteien würde in Wien auf Grund der Mehrbedts- veirhälrtmiisse vor aillem auch mit dem Verlust von SPÖ-Mandaten bezahlt werden müssen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung