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Von 66 auf 1200 Schilling …

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Durch massives Sperrfeuer gegen die — rückgängig gemachte — Loosdorfer Grundtransaktion des Verteidigungsministers Dr. Prader hat die SPÖ von einer äußerst bedenklichen Häufung politischer Geschäfte ihrer Fraktionskollegen im Wiener Rathaus abgelenkt. Allein innerhalb der letzten zwölf Monate wurden fünf krasse Fälle aufgedeckt, bei denen Wiener Steuergeld, nämlich insgesamt fast 20 Millionen Schilling, für die SPÖ oder für sozialistische Organisationen lockergemacht wurden.

Beginnen wir mit der Transaktion um die Stadttheatergründe im Jahre 1962. Eine Wiener Bürogesellschaft hatte diese Grundfläche von 2202 Quadratmetern am 27. September 1960 mitsamt dem Stadttheater erworben, demolierte diese Kulturstätte und plante ein 50 Meter hohes Hochhaus.

Da nur 30 Meter zulässig waren und die Behörden gegen die „Auf- zonung“ des Flächenwidmungsplanes Einspruch erhoben, schien die Rentabilität nicht mehr gegeben. Am 8. Juni 1961 bot daher ein Wiener Realitätenbüro, dessen Inhaber mit dem Wiener „Finanzpapst“ Slavik familiär verbunden ist, das Grundstück für 8,5 Millionen Schilling der Stadt Wien an.

Offenbar war es aber der nahezu verdoppelte Grundpreis, wonach das für Grundkäufe zuständige Ressort zu der Auffassung kam, es bestehe seitens der Gemeinde Wien kein Interesse, doch sollte der Akt an die anderen Magistratsabteilungen zur Stellungnahme gesendet werden.

Im Sommer 1961 kam dann die Stellungnahme des Referats 6 der Baudirektion: Kein besonderes Interesse und keine besondere Verwendungsmöglichkeit, nur eventuell für einen Wohnbau, wobei jedoch maximal ein Grundpreis von 3,5 Millionen Schilling in Frage käme.

Sechs Monate später herrschte plötzlich im Rathaus reges Interesse für die Stadttheatergründe. Nicht etwa, um das Stadttheater zu erhalten, denn die Gemeinde zahlte letztlich sogar noch die Demolierungskosten, sondern als „Grundreserve"für internationale Organisationen.

Daß derzeit ein „Haus des Buches“ und ein Heim für einen sozialistischen Studentenverein auf diesen kostbaren Gründen gebaut wird, sei nur nebenbei bemerkt…

Doch zurück zum damaligen Geschäft! Das Realitätenbüro zeigte sich plötzlich zurückhaltend: Das Geschäft könne nur zustande kommen, wenn man einer sozialistischen Genossenschaft gleichzeitig ein bestimmtes Grundstück in der Praterstraße verkaufe.

Die Gemeinde sagte zu: Die Genossenschaft bekam ihr Grundstück, und die Stadt Wien legte samt Nebenkosten durch SPÖ-Mehrheits-

beschluß im Gemeinderat am 16. Februar 1962 insgesamt 9,085.000 Schilling für die Stadttheatergründe auf den Tisch, das sind 4400 Schilling pro Quadratmeter. Hingegen hatten leamtete Experten den Grundwert auf höchstens 1600 Schilling pro Quadratmeter geschätzt.

Ohne „kleine Pannen“, wie bei den Stadttheatergründen, wurde vier Jahre später die Grundtransaktion mit dem sozialistischen Verband

„Wiener Arbeiterheime“ abgewik- kelt. Dieser Verband hatte ein 3385 Quadratmeter großes Grundstück in Döbling, Billrothstraße 46 und 48, im Jahre 1952 um 225.000 Schilling gekauft, das sind 66.47 Schilling pro Quadratmeter, und die Gemeinde Wien kaufte es durch Mehrheitsbeschluß der SPÖ im Gemeinderat am 11. März 1966 dem sozialistischen Verband um 4 Millionen Schilling ab, das sind 1200 Schillng pro Quadratmeter.

Gleichzeitig wurde dem SPÖ-Verband fünf Häuser weiter ein Gemeindegrundstück verkauft, und die Gemeinde sicherte noch zu, sie würde den Grund erst übernehmen, wenn das neue SPÖ-Lokal auf dem neuen Grund fertig wäre.

Im Gemeinderat erklärte damals SPÖ-Stadtrat Sigmund zu diesem „Geschäft“: „Ich sehe daher gar nichts Zufälliges darin, aber auch nichts, was ich nicht verantworten könnte, wenn sich der Wunsch der Wiener Stadtverwaltung… mit dem Wunsch einer politischen Partei deckt“

Mit diesen Worten war die Marschrichtung eindeutig deklariert. Daß sich in der Folge die Wünsche der Stadtverwaltung immer nur mit den Wünschen einer einzigen Partei, nämlich der SPÖ, zu decken schienen, ist natürlich reiner „Zufall“. So auch offenbar bei den fünf anfangs genannten Transaktionen, für welche die SPÖ-Mehrheit innerhalb der letzten zwölf Monate insgesamt nahezu 20 Millionen Schilling Wiener Steuergeld bewilligte:

• Am 22. September 1967 bewilligte der Wiener Gemeinderat 7 Millionen Schilling für die Instandsetzung der Tageserholungsstäitte Schafberg, die zu 100 Prozent an den SPÖ-Verein „Freie Schule Kinderfreunde“ verpachtet ist.

• Am 26. April 1968 wurde durch einen sozialistischen Mehrheitsbeschluß im Wiener Gemeinderat die Renovierung der ehemaligen städtischen Pflichtschule in Wien VIII, Albertgasse 23, mit Kosten von 7,850.000 Schilling bewilligt. Nach der Renovierung und dem Einbau eines Aufzuges wird dort die SPÖ- Organisation des 8. Bezirkes einziehen.

• Am 30. Mai 1968 übertrug der zuständige Gemeinderatsausschuß durch einen Mehrheitsbeschluß der SPÖ das Hauptmietrecht für ein Gassenlokal im Gemeindebau Wien XXI, Jedleseerstraße 79—95, an die SPÖ. Kurz vorher waren für die Renovierung dieses ehemaligen „Konsum“-Lokals 710.000 Schilling aus der Stadtkassa bewilligt worden, unter dem Vorwand, ein städtischer Pensionistenklub solle dort untergebracht werden. Das war keine Lüge, doch der Pensionistenklub ist nun Untermieter der SPÖ, so daß diese städtische Einrichtung für die Benützung eines städtischen Gebäudes an die SPÖ Untermietzins zahlen muß.

• Am 9. Juli 1968 bewilligte der zuständige Gemeinderatsausschuß durch einen sozialistischen Mehrheitsbeschluß drei Millionen Schilling für die Renovierung der früheren städtischen Pflichtschule in Wien XV, Viktoriagasse 6. In zwei der drei Stockwerke wird der sozialistische Verein „Naturfreunde“ unterkommen.

• Am 12. Juli 1968 kaufte die Stadt Wien durch einen sozialistischen Mehrheitsbeschluß im Wiener Ge- ipeinderat der sozialistischen „Freien Schule Kinderfreunde“ um 647.250 Schilling ein Grundstück in Wien XXII, Schüttauplatz, ab. Dieses Grundstück hatte nach der letzten Einheitswertfestsetzung einen Grundwert von 126.000 Schilling, und selbst SPÖ-Stadtrat Sigmund hatte vor wenigen Jahren ein Nachbargrundstück zurückgewiesen, weil der private Grundeigentümer mehr als 400 Schilling pro Quadratmeter verlangt hatte. Dem SPÖ-Verein zahlte die Gemeinde jetzt aber gerne 750 Schilling pro Quadratmeter und versuchte erst gar nicht, was kürzlich in Strebersdorf bei einem privaten Grundeigentümer gemacht wurde: die Androhung eines Enteignungsverfahrens mit dem Erfolg, daß man sich tatsächlich auf einen normalen Grundpreis einigen konnte.

Es scheint, daß die SPÖ dem Grundsatz huldigt: Wenn zwei dasselbe tun, ist es noch nicht das gleiche…

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