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Bäumchen-Spiel

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Wiens Zoologen fühlen sich in ein tückisches Gesellschaftsspiel verwickelt. In eines jener Spiele, wo die Mitspieler, wenn sie durch entsprechende Augenzahlen beim Würfeln auf bestimmte Felder geraten, immer wieder zurückgeworfen werden.

Nun haben sich die Dinge wieder einmal herumgedreht und es sieht so aus, als stünden, ein Jahr nach dem Zusammenprall mit dem bösen Riesen Volksbegehren (hinter dem der noch größere Riese „Kronenzeitung“ stand), die Zoologen neuerlich vor der Erfüllung ihrer Hoffnungen. Aber sie sind weit davon entfernt, dairob vor Freude aus dem Häuschen zu geraten, denn, so Professor Dr. Friedrich Schaller, Leiter des 1. Zoologischen Instituts der Universität Wien: „An dem Punkt, wo wir jetzt stehen, waren wir schon dreimal. Für mich ist die Sache abgeschlossen, ich habe nichts mehr zu tun — ich kann nur noch auf den Tag warten, an dem man mir sagt: Hier ist Euer neues Institut, zieht ein!“

Dieser Tag ist auf alle Fälle fern. Selbst wenn das von allen Beteiligten favorisierte Projekt Sternwartepark hätte verwirklicht werden können, wäre an die Fertigstellung erst in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre.zu denken gewesen. Das Projekt war bekanntlich optimal. Vor allem auf Grund seines stadtnahen Standortes wesentlich besser als so manches früher ventilierte Projekt. Der Grund war vorhanden, die Finanzierung schien zu jenem Zeitpunkt gesichert. Die Gründe, die zum Fall des vielversprechenden Vorhabens führten, lagen weit außerhalb des universitären Bereiches.

Da war ein Bürgermeister im politischen Status abeundi, ein Mann, der nur noch aus ungeschützten Stellen bestand. Und da war eine Presse, die bereit und entschlossen war, die Wahrnehmung ihrer politischen Kontrollaufgaben mit einer Demonstration ihrer immer fragwürdigeren Macht zu verbinden. Und da war, als Katalysator eines an Schranz-Aus-maße grenzenden Spektakels, das Schlagwort vom Umweltschutz.

Die Bäume, die diesem Bau zum Opfer gefallen wären, waren sehr unbedeutend, verglichen mit all jenen Bäumen, die jährlich mit mehr oder weniger Notwendigkeit gefällt werden, um Bauten Platz zu machen oder zu Zeltungspapier verarbeitet zu werden.

Zeitungen, die damals versprachen, sie würden nicht ruhen, bis die Zoologen anstelle des Bauwerkes im Sternwartepark ein anderes bekämen und sie würden für dieses Ziel mit derselben Vehemenz eintreten, wie für die Verhinderung des „Baummordes“ im Sternwartepark, verhielten sich nachher sehr kleinlaut und werden an dieses Versprechen nicht mehr gerne erinnert. Aber auch Bundesregierung und Stadt Wien verhielten sich damals sehr opportunistisch. Es mag Leute gege-

ben haben, die Wiens Bürgermeister Slavik ganz gerne in die Falle rennen sahen.

Nach dem Ende der Sternwartepark-Hoffnungen setzte eine fieberhafte Suche nach einem neuen Institutsstandort ein. Als erste Möglichkeit bot sich die Heiligenstädter Lände an. Architekt Schwanzer, der das Projekt Sternwartepark entworfen hatte, erklärte die Adaptierung für prinzipiell möglich, aber der Bauplatz ist Eigentum einer Baugesellschaft, was sich bei näherem Zusehen als bedenklich für die Kostenentwicklung des Vorhabens erwiesen haben soll.

In diesem Stadium der Angelegenheit kam da bereits weit gediehene Projekt, die Geleise der Franz-Josefs-Bahn im neunten Bezirk mit einer Betonplatte zu überdecken und hier den ebenfalls längst nötwendigen Neubau der Hochschule für Welthandel zu errichten, auch als eine Chance für die Zoologen ins Gespräch. Wobei begreiflich ist, daß diese nicht sehr freudig reagierten, da ihnen die Transferierung ihres Instituts eine Fata Morgana, vor allem eine Verlegung der Fertigstellung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verheißen schien.

Nach dem letzten Stand der Dinge scheint aber die Umstellung auf den neuen Standort keine sehr erhebliche neue Verzögerung bedingen zu müssen. Architekt Dr. Kurt Hlawe-niczka, einer der Promotoren der Geleise-Überbauung, sieht eine reale Chance,'daß der Verein der Förderer der Hochschule für Welthandel sowie die Kons'truktiva AG als Baurechtsträger der über den Geleisen zu errichtenden Platte auf ein anderes Projekt verzichten und den dafür vorgesehenen Raum für das Zoologie-Institut zur Verfügung stellen, wenn die zuständigen staatlichen Stellen es so wünschen, und auch eine Arbeitsgemeinschaft der Architekten Hlaweniczka und Schwanzer (die für beide Partner mit gewissen Verzichten verbunden wäre) scheint keineswegs auf unüberwindliche Schwierigkeiten zu stoßen.

Bliebe „nur“ das Finanzierungsproblem — über das direkte Budget kommt eine Finanzierung des Ins'ti-tutsbaues gegenwärtig bekanntlich kaum in Frage. Doch bietet sich eine dem Schulbau-Leasing entsprechende Lösung an, die es dem Bund ermöglichen würde, die Finanzierung dieses überfälligen Bauvorhabens über 15 Jahre zu erstrecken.

Sollte eine solche Konstruktion Zustandekommen, wäre der Baubeginn dem Vernehmen nach Mitte oder zweite Hälfte des Jahres 1975 möglich mit einem Jahr Verzögerung, bedingt durch das publizistische Feuer, das die Volksseele zum Kochen zugunsten der Bäume brachte. Die Hochschule für Welthandel selbst könnte 1980 schlüsselfertig übergeben werden — das viel kleinere Institut der Zoologen sogar um etliches früher.

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