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Kampf um Wien?

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Wann in Wien die Landtagswahl stattfinden wird, ob im Herbst 1973 oder im Frühjahr 1974, ist noch ungewiß, obwohl gravierende Gründe dafür sprechen, daß Bürgermeister Slavik auf eine Vorverlegung des Wahltermins schon deshalb drängen wird, um die Diskussion um die Ergebnisse des Rechnungshofberichtes zu verkürzen und seiner Partei die Möglichkeit, das Nachfolge-Slavik-Problem zu besprechen, zu nehmen. Gewiß aber ist, daß in Wien zur Zeit ein „Kampf der Konzepte“ tobt, der in vieler Hinsicht das Vorspiel zum politischen „Kampf um Wien“ ist.

Begonnen hat der Wiener Magistrat mit der Propagierung von sogenannten „Leitlinien für Wien“, und dieses Konzept wurde, ganz so als sei das selbstverständlich, von der Wiener SPÖ für sich reklamiert. Damit wurde einmal mehr der Beweis geliefert, daß in der Bundeshauptstadt die Grenzen zwischen der Rathausadministration und der Sozialistischen Partei fließend sind. Daß dies von der Öffentlichkeit kritiklos hingenommen wurde, spricht für das etwas merkwürdige Klima in der Bundeshauptstadt. Im übrigen aber blieb es den „Leitlinien“ versagt, bei der Öffentlichkeit Interesse oder gar Begeisterung zu entfachen. Sie entsprachen genau dem, was eine phantasielose Administration für eine verpolitisierte Administration fertigzustellen imstande ist, und lassen sich hinsichtlich ihrer Bedeutung für eine vernünftigere Entwicklung Wiens auf ein Mindestmaß reduzieren. Wo immer der Wiener Wähler politisch si-tuiert ist, er wird dies bedauerlich finden müssen, weil doch die Lebensbedingungen in Wien mehr denn je zuvor nach menschen gerechter Planung in der Wiener Kommunalpolitik rufen.

Seitens der Wiener ÖVP überraschte man mit zwei Konzepten, von denen das eine, das „Modell Wien“, aus der Feder parteinaher „Jungtürken“ und das andere aus

den Beratungen von 550 Experten über die Möglichkeiten, das „Unbehagen in Wien“ zu beseitigen, stammt. Wie die Dinge liegen, dürfte der Spitzenkandidat der ÖVP für Wien, Fritz Hahn, darauf drängen, die Erkenntnisse und Ergebnisse beider Konzepte in eine Art Programm für Wien zu verarbeiten. Dabei würde es sich keineswegs um eine Kompromiß-, sondern um eine Maximallösung handeln, an der Wien und den Wienern nur gelegen sein kann.

Unter der Führung des bekannten Biochemikers Prof. Tuppy erkundeten und formulierten zahlreiche Experten in zehn Initiativgruppen das „Unbehagen der Wiener“ und ließen sodann in bunter Folge Lösungsvorschläge, sogenannte „Realkonzepte“ folgen. In diesen Realkonzepten wurde formuliert, wie es möglich ist, in Wien „wohnlich zu planen“, „rasch vorwärtszukommen“, „gesund zu bleiben“, „gesund zu werden'“, „chancenreich jung zu sein“, „zufrieden zu altern“, „kulturgerecht zu gestalten“, „besser zu wirtschaften“, „weltoffen zu handeln“ und schließlich „aktiv mitzubestimmen“.

Der Eindruck, den diese „Realkonzepte“ in der Öffentlichkeit hinterließen, war in der Regel günstig, wenngleich da und dort die Vermutung geäußert wurde, daß diese Konzepte doch etwas utopisch angelegt und teilweise zu langfristig erstellt wurden.

Die Phase der Konzeptpräsentation will die Expertemgruppe um Prof. Tuppy mit einer zweitägigen Veranstaltung im Wiener Palais Palffy beenden, in der nochmals die befaßten Experten ihre Vorstellungen vor einer größeren Öffentlichkeit begründen und diskutieren wollen. Im Rahemn dieser Veranstaltung wird der bekannte Städteplaner Victor Gruen zum Thema „Das Überleben der Städte“ — ein Beitrag zum Leitbild für Wien halten. Der Persönlichkeit dieses Referenten kommt um so größere Bedeutung zu, als Victor Gruen in städtebaulichen Angelegenheiten bislang im Dienst der Wiener Rathausmehrheit stand. Hier scheint den Veranstaltern, den man ein Naheverhältnis zur Wiener ÖVP keinswegs absprechen kann, eine durchaus ungewöhnliche Maßnahme gelungen zu sein. Anderseits spricht Victor Gruens Auftreten vor den „Konzeptmachern“ der Wiener ÖVP auch ein wenig für die Frustrationserlebnisse, die auch ein so bekannter Mann wie Gruen in der Zusammenarbeit mit dem Wiener Magistrat erleben mußte.

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