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Mehr als ein Geplänkel?

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Der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk steigt in die Fußstapfen seines Amtsvorgängers Leopold Gratz. Auch Zilk sprach sich für die große Wiener Rathauskoalition aus.

Gratz und Zilk stoßen aber auf eine tiefe Ablehnung in der SP-Basis. Das hat zweierlei Gründe: Erstens glauben die „Sektionskaiser”, eine Koalition mit der ÖVP sei das Eingeständnis dafür, daß die SPÖ im Rathaus nicht mehr allein kann, und, zweitens, mag die Basis den neuen Rathauschef nicht. Das war schon bei seiner Bestellung zum Kulturstadtrat so gewesen.

Diese Ablehnung des Zugpferdes Helmut Zilk ist nur emotional erklärbar. Denn Zilks Laufbahn widerspricht in allen ihren Facetten der Parteiübung.

Die neuerlichen Versuche eines Koalitionsflirts scheinen deshalb auch dieses Mal in die Binsen zu gehen. Auf dem Landesparteitag der Wiener SPÖ in der Kurhalle Oberlaa hat die SPÖ-Basis so reagiert, als gäbe es Zilk nicht, als gäbe es seine Koalitionswünsche nicht. Für die Basis war auf dem Parteitag eine Koalition nicht einmal Debattenbeiträge wert.

Auch Umweltstadtrat Helmut Braun, Parteiobmann von Favoriten, mag keine Koalition. Und Braun ist ein mächtiger Mann. Mit rund 26.000 Parteimitgliedern in Favoriten, das sind mehr als im ganzen Bundesland Salzburg, ist er ein mächtiges Bollwerk gegen Zilks Koalitionsgelüste.

Zilk hingegen möchte sich als Bürgermeister aller Wiener fühlen, mit einer der Gründe, warum er auch kein Parteiamt anstrebt. Und Zilk ist sich dessen bewußt, daß er in der Basis auf emotionale Ablehnung stößt, er weiß, daß er diese Ablehnung nur durch Erfolge überwinden kann. Und er möchte bei kommenden Wahlen Erfolge anpeilen, daher möchte er auch die starke Oppositionsrolle der Wiener ÖVP einbremsen.

In der Wiener ÖVP herrscht Ruhe. Erhard Busek, Zilks Gegenspieler, kann sich gelassen zurücklehnen. Ihn freut natürlich die Einladung zu Gesprächen, weil damit seine Analyse bestätigt wird, daß die sozialistische Rathausmehrheit allein aus dem Schlamassel nicht mehr herauskommen kann. Busek weiß aber gleichzeitig, daß die SPÖ dies kaum zugeben wird.

Unterdessen bereitet sich im Hintergrund einer der mächtigsten Wiener SPÖ-Politiker, Finanzstadtrat und Vizebürgermeister Hans Mayr, für die Machtübernahme vor. Der heute knapp 57jährige Stadtpolitiker herrscht seit zehn Jahren über die Finanzen der Bundeshauptstadt. In seinem Ressort, im Bereich Wirtschaftspolitik, gibt es seit vielen Jahren eine Art Bereichs-Koalition mit der Volkspartei. Mayrs Wort zählt. Auch die Wiederwahl von Leopold Gratz zum Landes-parteiobmann konnte Mayrs Gewicht nicht verringern.

Eine große Koalition auf Wiener Landesebene hätte gewisse Signalwirkungen für die Bundespolitik. Daß sich der Landespar-teiobmann der FPÖ, Vizekanzler Norbert Steger, zur möglichen Wiener „Großen Koalition” noch nicht geäußert hat, sagt mehr als jedes Dementi.

Die FPÖ muß die große Koalition in Wien unter allen Umständen verhindern, denn sonst könnte die SP-FP-Koalition auf Bundesebene endgültig ins Wanken geraten.

Gerade unter den Wiener Sozialisten waren die Widerstände gegen die kleine Koalition am größten.

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