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Der Wettstreit der Mediengurus

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Mit Helmut Zilk als neuem Rathauschef setzt die SPÖ auf eine Popularitätskanone. Für die Wiener Volkspartei unter Erhard Busek hängen die politischen Trauben nun höher.

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Mit Helmut Zilk als neuem Rathauschef setzt die SPÖ auf eine Popularitätskanone. Für die Wiener Volkspartei unter Erhard Busek hängen die politischen Trauben nun höher.

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Helmut Zilk, einer der quirligsten und unkonventionellsten Politiker unseres Landes, ist neuer Bürgermeister von Wien. Damit steht an der Spitze der Bundeshauptstadt ein Mann, der vielversprechend ist.

Zilk hat sich nie sonderlich um Parteibeschlüsse gekümmert, das zeichnet ihn aus. Seine Ideen und

Vorstellungen sagte er frei aus sich heraus. Für die lethargische Politik der Wiener SPÖ ein Ansporn, es ihrem Bürgermeister nachzumachen.

Ein weiteres Kennzeichen für den neuen Chef im Wiener Rathaus: Zilk beherrscht die Medien, durch seine Person allein. Das hat sich schon wieder einmal deutlich bei seiner Nominierung zum Wiener Bürgermeister durch die Gremien der Wiener SPÖ gezeigt. Trotz Regierungsumbildung galten sogar in den Bundesländerzeitungen die Schlagzeilen und Titelseiten dem neuen Mann im Wiener Rathaus.

Wie unkonventionell, aber auch medienwirksam, Zilk agiert, zeigte der Beginn seiner Tätigkeit als Unterrichtsminister. Zu Beginn verkündete Zilk beinhart, er trete — ganz im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Fred Sinowatz -für mehr Schularbeiten ein. Damit erzielte Zilk weit mehr Zustimmung als Ablehnung.

Nun können wir gespannt sein, wie Zilk seinen Einstieg als Chef des Wiener Rathauses gestalten wird. Die Regierungserklärung ist für die Gemeinderatssitzung am 28. September angekündigt. Für Überraschungen ist er gut.

Zilks Aufstieg zum Wiener Bürgermeister ist von anderen Begleitumständen gekennzeichnet. Ungewöhnlich — und wahrscheinlich auch einzigartig in der ganzen Republik — ist die Tatsache, daß Zilk in keinem einzigen entscheidenden Parteigremium sitzt. Er ist lediglich Mitglied der Bezirksparteileitung Wien-Innere Stadt.

Zilk ist in den Gremien der Wiener SPÖ, in denen die Entscheidungen fallen, nicht präsent, weder im Parteivorstand, noch im Parteipräsidium oder im Ausschuß.

Der Verdacht drängt sich auf, daß die Wiener Kommunalpolitik künftig so geschehen kann: Die Wiener SPÖ beschließt in ihren Gremien, was immer sie will, verwirklicht diese politischen Beschlüsse durch ihren starken SP-Vizebürgermeister und Finanzstadtrat Hans Mayr an der Spitze. Und der populäre Bürgermeister Helmut Zilk darf mit seiner Gattin Dagmar die Repräsentationsverpflichtungen des Stadtoberhauptes ausfüllen.

Helmut Zilk tanzt dann sozusagen mit seiner Dagmar von Eröffnung zur Eröffnung und darf zusätzlich mit seiner Popularität und Eloquenz die Beschlüsse seiner Partei nach außen verteidigen. Das garantiert mit den sozialistischen Stammwählern und den Zilk-Wählern die absolute Mehrheit im Rathaus auf weitere Jahrzehnte.

Es kann aber auch anders laufen: Zilk, der das große Vertrauen der Parteibasis gewonnen hat, könnte es gelingen, den Parteiapparat nach seinen persönlichen Vorstellungen zu trimmen und seine politischen Ideen zu verwirklichen.

Ein Kompromiß zwischen den beiden Varianten ist kaum vorstellbar, da Zilk Halbheiten verabscheut.

Vorläufig ist die Macht des Parteiapparates ungebrochen. Zilk genießt derzeit nicht das Privileg des Wiener Bürgermeisters, den Stadtsenat nach seinen Vorstellungen zu besetzen. Die beiden

Neuen, den Gewerkschafter Helmut Braun und die Frauenpolitikerin Ingrid Smejkal, wurden ihm von der Partei aufgezwungen.

In einer ersten Stellungnahme hat Zilk bereits deponiert, daß er keine Ressortveränderung anpeile. Zilk wird daher auch nicht den mit mehr als 100 Millionen Schilling pro Jahr dotierten Presse-und Informationsdienst der Stadt Wien unter seine Fittiche nehmen können. Für den Medienwunderknaben Zilk eigentlich unvorstellbar.

Die ersten Reaktionen der Opposition zeigten deutlich die Sorge der beiden Parteien. Aber auch die Furcht vor dem Medienwun-derknaben Zilk. Wiens ÖVP-Ob-mann Erhard Busek meinte, er begrüße die Nominierung von Helmut Zilk zum neuen Bürgermeister. Zilk wäre nicht möglich gewesen, wenn es keine Wiener ÖVP und ihre große Herausforderung gegeben hätte.

Aus der Notwendigkeit heraus, der permanenten Herausforderung durch die Wiener ÖVP etwas Wirksames gegenüberzustellen, sei Zilk zum Chef des Rathauses gemacht worden, sagte Busek. Mit dem Nachsatz: Eine Person allein, auch wenn sie medial wirksam ist, ersetzt noch kein Programm.

Busek bescheinigt Zilk eine große Kooperationsfähigkeit, die er durch vier Jahre als Wiener Kulturstadtrat unter Beweis gestellt habe. Allerdings: Zilk sei jederzeit gut dafür, Ideen des politischen Gegners anzunehmen, um sie dann als eigenes Gedankengut verkaufen zu können.

Ähnlich reagierte auch die kleine freiheitliche Opposition.

Für Erhard Busek und die Wiener ÖVP fangen nun harte Zeiten im Rathaus an. Der Höhenflug, den Busek seit seinem Wiener Engagement gemacht hat, dürfte aller Wahrscheinlichkeit gestoppt sein.

In nur zwei Wahlen konnte Bu-seks Mannschaft sechs Mandate dazugewinnen und hält derzeit bei 37 Gemeinderatsmandaten im Rathaus. Für die angepeilte ÖVP-Mehrheit in Wien fehlen noch 14 Sitze. Mit einem Helmut Zilk an der Spitze der Wiener SPÖ-Mannschaft ein fast aussichtsloses Unternehmen...

Damit sind auch für Erhard Busek die Weichen gestellt. Entweder es gelingt ihm, mit Zilk gemeinsam die große Koalition im Wiener Rathaus zu verwirklichen

- ein Vorhaben, das die SPÖ dem scheidenden Bürgermeister Leopold Gratz versagt hat — oder Busek verläßt die Wiener Bühne.

Auf Bundesebene ist aber derzeit für den Wiener Parteiobmann kaum Platz. Wenn, dann will Busek sicher in der vordersten Front stehen. Das kann er erst, wenn er

— oder seine Freunde — einen dort entfernt hat.

Zilks Nominierung zum Wiener Bürgermeister könnte unverse~ hens auch zu einer Krise der österreichischen Volkspartei werden.

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