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Wandlungen

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Der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk ist sehr volksverbunden, setzt ein Eisenbahnerkappel auf, wenn Eisenbahner vorbeimarschieren, marschiert gern mit, wenn Leut’ gemeinsam sich irgendwohin auf den Weg machen, und wenn der Zirkus kommt, dann greift Helmut Zilk womöglich auch zum Peitscherl des Dompteurs.

Das mögen die Wiener, denkt er.

Erstaunliches aber wird nun von Helmut Zilk aus Berlin berichtet. Er weilte dort dieser Tage bei einem internationalen Treffen von 60 Bürgermeistern, und es seien dort bei einer Arbeitssitzung, so berichtete ,£)er Tagesspiegel“ , die unabhängige Berliner Morgenzeitung, auch Gegner einer allgemeinen Bürgerbeteiligung an der Stadtplanung zu Wort gekommen.

Und wörtlich schreibt das Blatt in diesem Zusammenhang: ,fDer Wiener Bürgermeister Helmut Zilk sagte, die wichtigsten Baudenkmal le seiner Stadt, wie die Staatsoper und die Ringstraße, seien gegen den entschiedenen Widerstand von Bürgern und Presse durchgesetzt worden.“ «

Und weil der Wiener Architekt Hans Hollein beim Berliner Senat mit der Verwirklichung seines Projektes , Kulturforum“ Schwierig- . ketten hat, kündigte Zilk in Berlin an, er werde die Pläne des Architekten Hollein gegen vergleichbaren Widerstand in Wien jedenfalls durchsetzen.

Es geht hier bekanntlich um die Neugestaltung des Stephansplatzes.

Gegen Bürgerbeteiligung polemisierten auch die Stadtoberhäupter aus Entwicklungsländern. Zuerst müsse man dafür sorgen, daß alle Bewohner ein Dach über dem Kopf haben, dann könne man über Beteiligungsmodelle nachdenken, meinte zum Beispiel der Bürgermeister von Abidjan, N’Koumo Mobio.

Das schwarz-gelbe Wien der Gründerzeit als Vorbild für einen sozialistischen Bürgermeister? Damals machte die parlamentarische Demokratie ihre Gehversuche, und der Kaiser hatte das letzte Wort: Sein Veto galt im Stadterweiterungsfonds ebenso wie im Reichsrat.

Schon damals aber ließ sich eine kritische Öffentlichkeit nicht mundtot machen. Es ist sicher gefährlich, wenn sich politische Verantwortliche in Fragen der Architektur dem Treiben angeblicher Mehrheiten auslie- fem würden, nur weil diese eine veröffentlichte Meinung hinter sich haben. Ebenso unmöglich aber ist ein quasi-imperiales Gehabe, das, je nach Bedarf, durch Methoden des Populismus kaschiert wird.

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