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Zilk als Buseks Echo

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Die mit großer Spannung erwartete Regierungserklärung des neuen Wiener Bürgermeisters Helmut Zilk am 28. September -immerhin hatte er sich drei Wochen Zeit für die Ausarbeitung erbeten — erwies sich als fündig.

Zilks Regierungserklärung enthielt neben Platitüden einige interessante Details. Alles in allem: Der neue Chef des Wiener Rathauses hat eine Fülle von Ideen und Vorstellungen seines ÖVP-Kontrahenten Erhard Busek übernommen.

Die von Erhard Busek bereits vor vielen Jahren entrierte Stadterneuerung gehört jetzt nicht mehr nur zum Lippenbekenntnis der sozialistischen Stadtverwaltung. Buseks Engagement für die Stadterneuerung, sein jahrelanger Kampf für die Rettung der verfallenden Wiener Stadtviertel hat sich gelohnt.

Zilk bekennt sich zur Dezentralisierung der Stadtverwaltung, eine alte Forderung der Wiener Volkspartei. Sie war bisher im Rathaus tabu.

Ideen, über die sich die Stadtverwaltung früher auch nur nachzudenken weigerte, zählen nun plötzlich zum Stadtregierungsprogramm: etwa die Busek-Idee von einer Nutzwasserleitung. Busek ging davon aus, daß es eigentlich unnötig sei, bestes Trinkwasser für WC-Spülungen zu benutzen. Zilk hat nun angekündigt, daß er die Zweckmäßigkeit einer Nutzwasserleitung zumindest für Teile des Stadtgebietes überprüfen lassen will.

Noch vor wenigen Monaten schüttelten die SPÖ-Granden im Wiener Rathaus ratlos den Kopf, wenn Busek von einer Zusammenarbeit zwischen Universitäten und Stadtverwaltung sprach. Zilk dazu: „Ein besonderes Anliegen ist mir auch die bessere Nutzung der Möglichkeiten, die in unserem Wissenschafts- und Forschungspotential an den Wiener

Universitäten und Forschungsstätten vorhanden sind." Zilk als Buseks Echo.

Wenn man die zahlreichen Aussagen und Ideen prominenter SPÖ-Funktionäre zur Familienpolitik vergleicht, dann erst wird der Unterschied eines Zilk zur SPÖ und andererseits seine Nähe zu Erhard Busek deutlich. Ein wörtliches Zitat aus der Zilk-Re-de: „Die moderne Familie ermöglicht in partnerschaftlicher Weise die beste Erziehung für die Kinder".

Das muß in den Ohren der Genossen vom Schlag einer Johanna Dohnal „grauslich" klingen.

Eine weitere Zilk-Eskapade gegen die bisherige Rathauspolitik — und gleichzeitig eine fast wörtliche Übernahme eines Busek-Zi-tates — ist das Bekenntnis zur Nachbarschaftshilfe, ein Wort, das so mancher Wiener SPÖ-Funktionär bisher nur mit Abscheu in den Mund genommen hat: „In diesem Zusammenhang liegt es mir sehr am Herzen, die Bedeutung der Nachbarschaftshilfe, die in Wien geleistet wird, anzuerkennen", sagte Zilk.

Als Erhard Busek vor knapp einem Jahr im Wiener Gemeinderat den Begriff der „Stadtaußenpolitik" prägte, erntete er bei den Genossen lediglich Staunen. Zilk reagiert da ganz anders. Mit Begeisterung hat er die Busek-Idee aufgegriffen, allerdings — wie immer — ohne Urhebernennung.

Die internationale Anerkennung der Stadt Wien, so meinte Zilk, verdanke Wien in erster Linie einer zielstrebigen und konsequenten Stadtaußenpolitik.

Einige weitere Zitate aus der Regierungserklärung Zilks sind wörtlich aus früheren Busek-Re-den abgeschrieben. Und einige dieser „neuen" Zilk-Forderungen müssen den Genossen weh tun. So etwa der Aufruf: „Und ich darf alle Wiener zum Mitdenken, zum Mitwirken und zum Mitgestalten im Interesse unserer Stadt auffordern."

Wer erinnert sich da nicht jenes Wahlplakates der Wiener SPÖ -es ist kaum zwei Jahre her — mit dem Slogan: „In Zeiten wie diesen: Nicht herumreden, nicht schimpfen, nichts Unmögliches versprechen, keine dummen Fragen stellen!"

Und, welche Wandlungen ein Sozialdemokrat im Laufe seines Lebens mitmachen muß, zeigt eine weitere Passage in der Regierungserklärung von Helmut Zilk: „Ich möchte die Wiener auffordern: Verlassen Sie sich nicht immer auf Aktionen der Kommune. Handeln Sie selbst, gestalten Sie selbst, helfen Sie selbst und tragen Sie so dazu bei, daß Wien schöner wird und daß sich die Wiener in ihrer Stadt wohl fühlen."

Und eine Replik auf die Busek-Forderung nach Entpolitisierung der Stadtverwaltung: „Diese Stadt galt einst als das ,rote Wien'... dieses Wien ist heute eine ,rot-weiße-Stadt"', versprach Zilk wörtlich.

Helmut Zilk als Verkünder der Ideen von Erhard Busek — das klingt auf den ersten Blick zynisch. Das klingt fast so, als ob man den neuen Wiener Bürgermeister des Verrates an den Ideen des Wiener Sozialismus zeihen möchte.

Zilk ist ein alter Sozialdemokrat. Aber er ist ein Mensch, der weiß, daß mit den Ideen von vorgestern eine Millionenstadt heute nicht mehr verwaltet werden kann.

Und Zilk übernimmt damit, gewollt oder ungewollt, die Ideen eines Erhard Busek, der bereits seit vielen Jahren predigt, daß neue Zeiten auch neue Ideen verlangen.

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