6873615-1978_35_09.jpg
Digital In Arbeit

Medienkaiser Helmut Zilk?

19451960198020002020

Viele mögen Helmut Zilk. Muß man deshalb auch schon das Programm mögen, das er - als einziger der 15 Kandidaten - seiner Bewerbung um die ORF-Generalintendantur beigelegt hat? Professor Kurt Diemann, ORF-Kenner und Parteifreund Zilks, hat starke Vorbehalte. Wir stellen seine Ausführungen zur Diskussion.

19451960198020002020

Viele mögen Helmut Zilk. Muß man deshalb auch schon das Programm mögen, das er - als einziger der 15 Kandidaten - seiner Bewerbung um die ORF-Generalintendantur beigelegt hat? Professor Kurt Diemann, ORF-Kenner und Parteifreund Zilks, hat starke Vorbehalte. Wir stellen seine Ausführungen zur Diskussion.

Werbung
Werbung
Werbung

Bei der bevorstehenden Generalintendantenwahl werden die Wahlmänner (und die Wahlfrau) vornehmlich über den Inhalt des Bewerbungsschreibens des Doktor Helmut Zilk zu entscheiden haben. Denn ihre Entscheidung über den Bewerber Zilk ist eine Entscheidung über das in dessen Bewerbungsschreiben dargelegte Medienkonzept Zilk.

Dieses Medienkonzept ist ein monopolistisches. Es stützt sich auf eine österreichische Besonderheit: das Monopol Zilk, welches dieser in seiner durchschlagskräftigen Person verkörpert. Das Medienkonzept Zilk ist auch darauf ausgerichtet, das Monopol Zilk auszuweiten und zu festigen. Es steht in einem gewissen Gegensatz zu antimonopolistischen Bekenntnissen, die Zilk bei einer Tagung katholischer Medienarbeiter im April dieses Jahres im Linzer Bildungshaus St. Magdalena abgelegt hat.

Auf Seite fünf seines Bewerbungsschreibens schreibt Zilk nach intensiver Beleuchtung seines Werdeganges vom Volksschullehrer über den Dozenten am Pädagogischen Institut der Stadt Wien zum Fernsehdirektor u. a. folgendes:

„Ich habe den Kontakt mit dem ORF nach 1974 nicht aufgegeben und gestalte bis heute die Reihe ,In eigener Sache1’ ‘Weiter: Daneben widmete ich fläSfcff züfiäfeMst’vorWfė ėii’d"j’6ii?flįffisti- scher Arbeit im Dienste der neuen Form des sogenannten .anwaltschaft- lichen Journalismus1. Darüber hinaus habe ich mich intensiv mit der Entwicklung der neuen elektronischen Medien auseinandergesetzt. Ich bin derzeit Mitarbeiter einer Kabelfern- seh-Gesellschaft und Geschäftsführer einer Studien-Gesellschaft, die sich mit neuen Formen und Möglichkeiten des Hörfunks beschäftigt. Überdies bin ich von der Stadt Wien zum Mitglied des Aufsichtsrates der ,Telekabel-Fernsehnetzbetriebsgesellschaft m. b. H.1 bestellt worden.“

Die Journalistische Arbeit im Dienste der neuen Form des sogenannten .anwaltschaftlichen Journalismus1 “ ist eine bescheidene Umschreibung der vorrangigen Machtposition, die der Autor des Bewerbungsschreibens in der auflagestärksten österreichischen Tageszeitung inne hat.

Im Zusammenhang mit den Printmedien hat der Bewerber offenbar darauf vergessen, auch auf seine Stellung im größten Radio- und Fernsehmagazin „Hör zu“ hinzuweisen. Desgleichen fehlt in Verbindung mit dem Kabelfernsehen eine Erwähnung der Tatsache, daß der „Mitarbeiter einer Kabelfernsehgesellschaft“ und „Aufsichtsrat der Telekabel-Fernsehnetzbetriebsgesellschaft“ zugleich einen Geschäftsanteil an jener „Kabelsi- gnalgesellschaft“ besitzt, die an der Er- richtung von Fernsehkabelnetzen in verschiedenen Bundesländern maßgeblich beteiligt ist.

Bedeutsam in einer Zeit, da das Rundfunkmonopol in vielen Ländern ins Wanken gerät, sind auch die Feststellungen auf Seite sechs des Bewerbungsschreibens. Da heißt es:

„Die rasante Entwicklung des Nebeneinanders aller elektronischen Medien und ihre multiplizierende Kraft in unserer Gesellschaft bedeuten für den ORF schon in nächster Zeit eine beachtliche Herausforderung. Seine Stellung als Monopolanstalt im Kreise einer solchen Entwicklung wird nicht nur und nicht ausreichend gesetzlich zu wahren sein - sie muß sich vielmehr aus der inneren Aufgabenstellung täglich neu konstituieren. Es gilt, den Stellenwert des ORF als einer einmaligen und einzigartigen österreichischen Einrichtung neu zu definieren. Schutzzonen werden nicht genügen, wenn sie nicht durch die geistige Unverwechselbarkeit motiviert sind.“

Mit dieser verführerischen Darstellung tritt Zilk der politischen Entwicklung auf dem Gebiet der elektronischen Medien entgegen, die vom Monopol wegführt, weil sich dieses immer mehr als Hindernis auf dem Wege zu einer echten Demokratisierung der Massenmedien erweist. Allein schon die technische Entwicklung läßt Monopole für Radio und Fernsehen in zunehmendem Maß als fragwürdig und unhaltbar erscheinen.

Auf mehreren Seiten entwickelt der Monopolist Zilk dann Programmideen, die von der Monopolanstalt verwirklicht werden sollen - nach dem Prinzip: „Wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen.“ Gerade dieses Prinzip stürzt jedoch den Monopolrundfunk immer , mehr in ein auswegloses Di- lemmaiJZilk führt-u. a. au nespideil loiimsK bau aptasbui.

„Ein neues Programmschema des

Fernsehens könnte durch eine bessere Auslastung der zwei Programme zu einer Vermehrung der Sendezeit und des Programmangebotes führen und dadurch neue Schwerpunkte ermöglichen … Neben einer breiteren Streuung von Unterhaltungsmöglichkeiten und einer Intensivierung kultureller Programme ist so überdies eine Vermehrung von Informationssendungen auch im Fernsehen (dazu gehören selbstverständlich alle gesellschaftlich relevanten Bereiche, wie Konsumentenschutz, Rechtshilfe, Religion etc.) und eine neue Schwerpunktbildung bei den zwei Hauptnachrichtensendungen ZiB 1 und ZiB 2 möglich.“

Mit ähnlichen Programmerklärungen haben vor vier Jahren die Nachfolger Helmut Zilks ihr Reformwerk im Zuge der Rundfunkgegenreform eingeleitet. Was dabei herauskam, war auf weiten Strecken nichts als die Verpro- grammierung der Kreativität, von der das Fernsehen in jeder Sendeminute seiner zwei, drei oder noch mehr Programme lebt.

Dem möglichen Nachfolger der Nachfolger wird es als Generalintendanten auch nicht anders ergehen,

wenn er Herumexperimentieren mit dem Programmschema und Schwerpunktsetzung in allen möglichen (und unmöglichen) Richtungen mit dem Erarbeiten einer von Grund auf neuen Programmphilosophie verwechselt. Eine solche Reform wird jedoch dem Monopolfunk auch nach der nächsten (und übernächsten) Reform der Reform der Reform nicht gelingen.

Ein weiterer Schritt zur Verfestigung und Versteifung der Monopolpraxis, der nicht ohne - beabsichtigte! - personale Konsequenzen bleiben kann, wird im folgenden Abschnitt des Zilkschen Bewerbungsschreibens angekündigt:

„Eine .österreichische Dramaturgie1 als Beirat“, entwickelt Zilk, „soll eine neue Form der Kooperation von Bundes-, Privat- und Landestheatem, Kleinbühnen sowie relevanten Kon- zertveranstaltem (Musikverein, Konzerthaus, .Stimmen der Welt1 usw.) mit dem ORF ermöglichen. Der ORF nicht als Kunde zufälliger Produktionen, sondern als in eine solche Dramaturgie eingebundener Mitplaner bedeutet eine längerfristige und besser abgestimmte Vorausplanung, die den Theatern Sicherheit und dem Fernsehen bzw. dem Hörfunk bessere dramaturgische MöglichkQt pi-gQtjiejrt.“ f

Des weiteren schreibt1 Zilk: „Zur Ausschöpfung österreichischer Möglichkeiten gehört auch die Entwicklung einer neuen Festspieldramatur-

gie. Auch hier gilt, daß langfristige Mitplanung und Mitgestaltung bei Abnahmesicherheit und Rechteerwerb durch den ORF bessere Möglichkeiten für Veranstalter, Künstler und ORF selbst schaffen.“

Hinter der Idee von der „österreichischen Dramaturgie“ und „neuen Festspieldramaturgie“ (wobei - nur am Rande vermerkt! - ein Mißverständnis des Wortes „Dramaturgie“ vorliegt) steckt die dramatische Verknotung verschiedenster medien- und kulturpolitischer Interessen: die Schaffung eines Medienverbundes, der von Bregenz über Salzburg, dem Wiener Musikverein und dem Konzerthaus, dem "Landestheatem und Kellerbühnen bis an die Stacheldrahtgrenze hinter der Seebühne von Mörbisch reicht und selbstverständlich auch die Bundestheater mit einschließt.

Ein solcher Medienverbund käme den kultur- und gesellschaftspolitischen Auspizien jener Kultur- und Ge- sellschaftsveränderer insgeheim entgegen, die dann nur noch auf einen Knopf zu drücken brauchten, wenn sie ihre Ideologie durch die Massenmedien verschiedener Provenienz und Wirkungsgrade an den Wählermann und die Wählerfrau bringen möchten.

Da - nach dem Konzept Zilks - der ORF wie eine Spinne in der Kreuzmitte des mit so viel Ideenreichtum und kulturpolitischer Konsequenz gesponnenen Mediennetzes säße, wäre sein Generalintendant ein Supergeneralintendant, dessen Einflußmöglichkeit weit über die eines Kultur- und Informationsministers hinausreichen würden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung