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Sparen am falschen Platz

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Das erste Budget, das der neue Wiener Bürgermeister Helmut Zilk zu verantworten hat, das Budget 1985, schaut auf den ersten Blick gut aus. Gegenüber dem Vorjahr steigen die Einnahmen um drei Prozent, die Ausgaben lediglich um 2,8 Prozent.

Auch bei der Neuverschuldung wird Wien auf die Bremse steigen. Wiens Finanzstadtrat, Vizebürgermeister Hans Mayr, betont dazu, daß das Budget 1985 die seit Jahren eingeleitete Konsolidierung erfolgreich fortsetzen wird.

Ob es ein Erfolg schon ist, daß alleinder Budgetansatzfür Sozialausgaben um 19,6 Prozent erhöht werden muß, steht auf einem anderen Blatt.

Die „neue Armut" nimmt auch im Wohlfahrtsstaatzu.Das Wiener Sozialamt hat im laufenden Jahr die „Aushilfen zur Sicherung des Lebensbedarfes" um bereits 42 Prozent, von budgetierten 183 Millionen auf 260 Millionen anheben müssen.

In den rund 220.000 Wiener Gemeindewohnungen blieben in der ersten Jahreshälfte 13.725 Mieter, das sind sechs Prozent aller Gemeindemieter, die Miete schuldig. Fast die Hälfte von ihnen länger als sechs Monate. Der aushaftende Betrag belief sich zur Jahresmitte 1984 auf knapp 60 Millionen Schilling.

18.000 Wiener Haushalte waren mit der Begleichung der Strom-und Gasrechnung im Rückstand, davon achtzig Prozent länger als sechs Monate.

Vor diesem Hintergrund auch richtet sich die Kritik an das Wiener Budget, daß es kaum zielführend ist. Der Voranschlag der Bundeshauptstadt ist nicht in der Lage, der Wirtschaft die dringend nötigen Impulse zu geben.

Zilk hat eine Chance versäumt. Im Budget der Stadt Wien fehlen für die kommenden Jahre die wichtigen — und auch bereits versprochenen — Investitionen im Umweltbereich.

Während der Bürgermeister in Inseratenkampagnen als Garant für das Wiener Trinkwasser auftritt, fehlen im Budget dafür die nötigen Mittel. Wenn man von der Voraussetzung ausgeht, daß ein

Budget die in Zahlen gegossene Regierungserklärung ist, dann sieht Zilks Wassergarantie anders aus.

Ein Beispiel: Der frühere Umweltstadtrat Peter Schieder hat in seinem Abschiedsgeschenk an die Stadt Wien, in seinem Bericht „Wasserversorgung 2000", die Totalsanierung der Zweiten Wiener Hochquellenwasserleitung mit einem Kostenaufwand von rund 700 Millionen Schilling als unbedingt nötig bezeichnet. Nach Schieders Vorstellungen müßte die jährliche Baurate mindestens fünfzig Millionen Schilling betragen. Im Budgetansatz für 1985 sind aber für die II. Hochquellenleitung überhaupt keine Mittel vorgesehen.

Oder wie sollen die Entsorgungsbetriebe Simmering (EBS) saniert werden, wenn keine, oder nur geringe Mittel dafür vorgesehen sind?

Nach vorsichtigen Berechnungen kostet die Sanierung der Sim-meringer „Dreckschleuder" eine knappe halbe Milliarde Schilling. Und diese Beträge müssen ra-schest aufgebracht werden. Im Budgetansatz 1985 sind für die EBS und die Hauptkläranlage lediglich 5,5 Millionen Schilling vorgesehen sowie weitere 41,5 Millionen Schilling für Energiesparmaßnahmen. Das bedeutet, daß die Sanierung dieser Umweltfalle auf die lange Bank geschoben wird.

Auch die Umweltbombe „Kanal" wird nicht entschärft. Schieder sprach noch im September von jährlichen Bauraten in einer Größenordnung von 400 Millionen Schilling. Im Budget 1985 sind aber lediglich 138 Millionen Schilling für Kanalbauten prälimi-niert.

Landtagspräsident Fritz Hahn sieht das so: „Im sozialistischen Stadtbudget wird die Neuverschuldung stark eingebremst, was aber im wesentlichen zu Lasten wichtiger Investitionen im Umweltbereich geht. Es fehlen im kommenden Jahr vor allem Mittel für wichtige Umweltmaßnahmen im Bereich der Ver- und Entsorgung. Dieses Budget steht damit in krassem Gegensatz zur Regierungserklärung von Bürgermeister Zilk. Er wird nun diesen Unterschied erklären müssen. Gilt das, was Zilk sagt, oder sind seine Erklärungen nicht einmal soviel wert, wie das Papier, auf denen sie gedruckt werden."

Der OVP-Mandatar Fritz Hahn ist nicht nur persönlich enttäuscht. Für Hahn geht es um die Glaubwürdigkeit des politischen Handelns schlechthin.

„Das, was Zilk mit seinem ersten Budget, das er zu verantworten hat, zeigt, ist erschreckend, Zilk hat in seiner Regierungserklärung ausdrücklich betont, daß etwa die Finanzierung der Erneuerungsarbeiten an den Kanalanlagen gesichert sei. Und dann wird der im Budget ausgewiesene Betrag gegenüber dem Finanz-und Investitionsplan um fast 15 Prozent verringert."

Hahn abschließend: „Zilk redet mehr als er gibt, und das mißfällt mir."

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