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Nagelprobe für Löschnak

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Was machen Politiker, wenn sie eine (höhere) Funktion anstreben? Sie dementieren - oder sie tarnen ihre Ambitionen hinter unverbindlichen Formulierungen, die zwar nichts aussagen, aber alles bedeuten können.

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Was machen Politiker, wenn sie eine (höhere) Funktion anstreben? Sie dementieren - oder sie tarnen ihre Ambitionen hinter unverbindlichen Formulierungen, die zwar nichts aussagen, aber alles bedeuten können.

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So geschehen wieder einmal bei der ORF-Pressestunde mit Innenminister Franz Löschnak (SPÖ). Die Frage, ob er für die Nachfolge Helmut Zilks als Wiener Bürgermeister in Frage käme, beantwortete der frühere Wiener Magistratsbeamte mit der wohlbekannten Floskel: „Diese Frage stellt sich für mich nicht.” Alle weiteren Bemühungen der Diskussionsteineh-mer, ihm doch noch etwas mehr als eine Leerformulierung zu entlocken, schmetterte Löschnak durch die beharrliche Wiederholung des eingelernten Stehsatzes ab.

Verräterisch allerdings der Nebensatz, mit dem er seine Nicht-Stellungnahme einleitete: Schmunzelnd erinnerte an seinen letzten Auftritt in der „Pressestunde” im Frühjahr 1993. Damals hatte er erklärt, er stünde für die Position des Wiener SPÖ-Vorsitzenden zur Verfügung. Denselben Fehler wolle er nicht noch einmal begehen.

Die Konsequenzen seines „Fehlers” sind bekannt: Hans Mayr - der als Vizebürgermeister und Finanzstadtrat noch immer fest die Fäden in der Stadtverwaltung sowie im ineinander verwobenen Bank-Austria-, Wiener Städtische- und Wiener Holding-Imperium in der Hand hält - regelte schleunigst den Machtkampf um seine Nachfolge als Wiener SPÖ-Chef, indem er die Bezirks-Granden auf Umweltstadtrat Michael Haupl einschwor.

Für Löschnak, hinter dessen Ambitionen wohl auch ein massives Interesse des SPÖ-Bundesvorsitzenden Franz Vranitzky stehen dürfte, blieb lediglich das Amt des Stellvertreters. Auch Gesundheitsstadtrat Sepp Rieder und der alt-sozialistische Simme-ringer Bezirkskaiser Johann Hatzi blieben vorerst auf der Strecke.

Löschnak will also denselben „Fehler” nicht wiederholen - und, neben Häupl und Rieder, im Rennen um die Zilk-Nachfolge bleiben.

Dabei kann man getrost davon ausgehen, daß alle Karriere-Ambitionen Löschnaks mit der stillschweigenden Unterstützung Vranitzkys versehen sind: der Innenminister gilt als einer engsten Vertrauten des Kanzlers.

Löschnak in einer Schlüsselposition des „roten Wien” wäre für Vranitzky wahrscheinlich noch wichtiger, als ihn als Mitstreiter in einem Schlüsselressort der Bundesregierung zu wissen. Denn die Wiener Partei und die rote Stadtverwaltung (samt zugehörigem Wirtschaftsimperium) ist einer der wenigen Parteibereiche, in dem „der Vranz” noch nicht unumschränkt das Sagen hat (sieht man einmal vom ÖGB ab, dessen Einfluß im Laufe der Jahre stetig reduziert wurde).

Im Gegenteil: die Wiener SPÖ, personifiziert durch das kongeniale Duo Zilk/Mayr, kümmerte sich oft nicht einmal um das ungeschriebene Gesetz der Sozialdemokraten, wonach Kritik an Parteifreunden in den Massenmedien zu unterbleiben habe. Gleichgültig ob es um die Steuerreform, die Ausländerfrage oder die Haltung zur FPÖ geht: Zilk/Mayr gingen stes ihren eigenen Weg.

So gesehen sind auch die jüngsten SPÖ-internen Meinungsverschiedenheiten über das Aufenthaltsgesetz ein Nebenkriegsschauplatz des Zilk-Nachfolgespiels - ein Scharmützel, daß bedauerlicherweise am Rücken der Gastarbeiter ausgetragen wird: Mayr und Häupl rügten einzelne Passagen des Gesetzes; „Gesetzesvater” Löschnak wiederum warf Mayr vor, sich mit der Materie nicht genügend auseinandergesetzt zu haben.

Für Löschnak wird die Auseinandersetzung über das Aufenthaltsgesetz damit zur innerparteilichen Nagelprobe: Das „Ausländerproblem” ist nirgendwo so virulent wie in Wien, mit keinem anderen Thema kann man bei der immer mehr zur FPÖ tendierenden „Parteibasis” in den Arbeiterbezirken mehr punkten, als mit einer restriktiven Ausländerpolitik.

Gesteht der Innenminister nun Fehler im Gesetzeswerk ein und läßt eine rasche Sanierung der Paragraphen zu, so ist ihm die Kritik der FPÖ gewiß, gegenüber Caritas und Grünen „umgefallen” zu sein. Damit wäre er aber wohl endgültig aus dem Rennen um die Zilk-Nachfolge.

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