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Wiener Luft riecht nach Wechsel
„Will Dr. Busek die Wiener mit imsinnigen Fragen täuschen?“, fragt die SPÖ auf den Plakatwänden und versucht sogar so etwas wie eine argumentative Auseinandersetzung mit den von der Wiener ÖVP beantragten Volksbefragungsthemen.
Das ist nach herrschender politischer Praxis die äußerste Form der Kenntnisnahme des politischen Gegners. Die erste Stufe ist (leider) das Totschweigen. Wenn das nicht mehr geht, kommt die Lächerlichmachung. Dann erst wird auf den Gegner ernsthaft Bezug genommen, vorerst freilich, ohne ihn beim Namen zu nennen. „Mir ist es leid, das Wort ÖVP in den Mund zu nehmen,“ hat Wiens Bürgermeister und SPÖ-Obmann Leopold Gratz einmal gesagt.
Jetzt kommt ÖVP-Obmann Erhard Busek zu sozialistischen Plakattitelehren. Das heißt: Bei der Wiener SPÖ schrillen bereits alle Alarmglocken.
Jüngste Umfrageergebnisse, bei denen die SPÖ unter die 50- Prozent-Marke gerutscht sein soll, scheinen die Alarmstimmung zu rechtfertigen. Ein spektakulärer Wechsel des Landesparteisekretärs unterstrich eben die wachsende Hilflosigkeit der Mehrheitspartei.
Als diese vor einigen Wochen das mittlerweile legendär gewordene Plakat „In Zeiten wie diesen … “affichierte und darauf allen Ernstes den Wienern klarzumachen versuchte, es sei jetzt keine Zeit für Nörgeln und Kritisieren, bewiesen die Plakaterfinder, daß sie den letzten Rest von Fingerspitzengefühl verloren hatten: Den Wienern das Raunzen verbieten zu wollen, ist zu allen Zeiten, auch in diesen, ein politischer Selbstmordversuch.
Daß die Wiener SPÖ über jahrelange Kritik nervös geworden ist, kann man verstehen. Auch ihre Frustration über Verkennung all dessen, was an Gutem geleistet worden ist und noch immer geleistet wird. Wahr ist: Andere Großstädte der Welt sind ungleich mehr heruntergewirtschaftet als Wien.
Nur: Warum sollen die Wiener sich mit dem Bausubstanzverfall von Prag, der Kriminalität in Rom und den Slums von Rio trösten? Wenn Mammutskandale wie Bauring, AKH und Wohnungsverfall passieren, muß man die Ungerechtigkeit in Kauf nehmen, daß positive Leistungen davon überdeckt werden.
Der beste Beweis für die kritische Situation ist der wachsende Widerstand in den Reihen der jungen SPÖ selbst. Sie empfinden die Verkrustung und Versulzung ihres eigenen Parteiapparates (Folge jahrzehntelanger Mehrheitsgewißheit) als unerträglich.
Sicher: Wenn morgen gewählt würde, gäbe es noch immer genug zähneknirschende Trotzdem- Wähler der SPÖ. Aber ihre Zahl sinkt von Tag zu Tag. Ein Wechsel liegt erstmals greifbar in der Luft. Demokratie lebt davon
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