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Zwentendorf könnte ÖVP zerstören

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Österreichs Parteien sind noch immer auf der Suche nach einer politisch verträglichen Zwentendorf-Entschei-dung. Rot, Schwarz und Blau suchen nach ihrer grünen Linie. Keine Frage, daß für jede der Parteien das eingeschlossene Risiko erheblich ist. Am größten ist es Tür die Volkspartei, am geringsten für die Freiheitlichen.

Wenn sich die SPÖ heute für eine klare Pro-Kernkraft-Linie entscheidet, verliert sie bei der nächsten Wahl Mandate und aller Voraussicht nach die absolute Mehrheit. Die Grünen in der Partei, vor allem die Parteijungen, würden sich auf einen kompromißlosen Pro-Zwentendorf-Kurs beim heutigen Stand der Dinge nicht mehr vergattern lassen. Vielleicht wüchse sogar ein Führungsstreit dabei heraus, für den sich die SPÖ neuerdings ohnehin besonders anfällig zeigt.

Trotzdem: Der Wahlverlust würde sich vermutlich in Grenzen halten.

Ließe sich, was das offenkundige Ziel der SPÖ ist, die ÖVP auf einen Pro-Kernkraft-Kurs ein, wären ihre Verluste an Vertrauen und Mandaten bei der nächsten Wahl noch höher. Unter den ÖVP-Sympathisanten gibt es vermutlich noch mehr und noch leidenschaftlicher engagierte Grüne.

Das Ergebnis wäre möglicherweise die „Mittelpartei” auf die die SPÖ die Volkspartei schon lange gern reduziert sähe.

Die FPÖ hat zwar in den Kreisen ihrer Wirtschaftsexponenten auch viele Kernkraftanhänger. Trotzdem müßte sie von allen guten Geistern verlassen sein, wenn sie im Fall eines Einschwenkens der ÖVP auf die Pro-Zwenten-dorf-Linie ihren Kontra-Standpunkt aufgäbe.

Bleiben die Freiheitlichen bei ihrem Nein zur Kernkraft, dann hat die FPÖ zum erstenmal seit 1949 wieder eine Chance auf spürbare Mandatsgewinne: Grüne aus dem roten wie aus dem schwarzen Lager würden bei ihr Zuflucht suchen.

Ergebnis: eine erheblich gestärkte FPÖ.

Was aber läge nach einer solchen Wahl näher als eine Koalition zwischen der Großpartei, die ein wenig verloren, aber die relative Mehrheit behauptet hat (also der SPÖ), und der Partei, die stärker geworden ist (also der FPÖ)?

Sicher wäre eine gemeinsame Regierungsformel in diesem Fall nicht leicht zu finden - aber ist je in der Politik etwas unmöglich gewesen! Vielleicht böte sich gerade für eine solche Konstellation ein Leopold Gratz als Kanzlerkandidat an. Der Wiener Bürgermeister hat durch sein jüngstes „Presse'Mnter-view jedenfalls seine Anwartschaft dafür gewahrt.

Gleichzeitig hat Gratz seinem ÖVP-Widerpart Erhard Busek Wasser von dessen grüner Mühle abzuleiten versucht - ein Grund mehr für die Busek-Kritiker in der Volkspartei, sich ein paar wirklichkeitsnahe Gedanken zu machen. Eine ÖVP, die sich heute kompromißlos für Zwentendorf entschiede, hätte sich damit auch für die Daueropposition entschieden.

Das ist die taktische Seite des Falles. Die moralische findet man gleichfalls im jüngsten Gratz-Interview: Nicht die Betriebssicherheit eines Kernreaktors, sondern die Bedrohung künftiger Generationen durch die ungelöste Müllendlagerung ist der Punkt, wo die Kernspaltung der Gewissen beginnt.

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