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Die Politiker sind auch nicht besser.

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„Von einem Politiker wird heutzutage verlangt, daß er das ,Colgate-Lä-cheln' ebenso beherrscht wie ein .Smalltalk' im kleinen Kreis. Er sollte sowohl in Fragen der Spitalsbetreuung wie auch in technischen und wirtschaftsspezifischen Fragen informiert sein und dabei noch hohe ethische Anforderungen an seine Verantwortlichkeit als Staatsmann und Volksvertreter stellen:"

Mit diesen Worten eröffnete Erhard Busek, Vizebürgermeister von Wien, am 6. November die vom Bildungshaus St. Virgil in Salzburg initiierte Reihe „Politische Ethik".

In einer Beziehung wenigstens scheinen die diversen unerfreulichen Vorkommnisse der letzten Zeit einen positiven Zweck zu erfüllen:

Die Öffentlichkeit und auch die Politiker selbst machen sich mehr als bisher Gedanken über Verantwortung und Moral. Ein Umstand, der in zahlreichen Debatten, Diskussionen und Vorträgen speziell zu diesem Thema zum Ausdruck kommt.

Leider nicht ohne Grund. In der Praxis zeichnet sich allzu oft eine tiefe Kluft zwischen moralischer Gesinnung und politischem Handeln ab.

Woran mag es liegen, daß Entscheidungen oft im Grenzbereich der Legalität getroffen werden? Ist es wirklich zuviel verlangt, Moral und Ethik in den Vordergrund zu stellen?

Die Schuld liegt, so Busek, nicht bei den Politikern allein: „Wähler und Gewählte stehen zueinander in einem Reflexionsverhältnis. Politiker sind demnach so gut beziehungsweise so schlecht wie alle anderen Mitglieder der Gesellschaft."

Die vielzitierten Skandale der letzten Zeit seien nicht zuletzt Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen Krise und des daraus resultierenden Wertverlustes in der Demokratie. Als zentrale Punkte dieser Krise nannte Busek den zunehmenden Verzicht auf Verantwortung, Freiheit und Glauben.

Zwar entrüsten sich die Bürger etwa über die Vorkommnisse rund um den Bau des Wiener Allgemeinen Kranken-■ hauses und den Umstand, daß hier offensichtlich Verantwortung einfach abgeschoben wird. Aber wie hält es der einzelne mit seiner Verantwortung?

Werden nicht alte Menschen in Heime oder Kinder in Internate abgeschoben?

Man wolle sich nicht noch zusätzlich etwas „aufhalsen". Das Streben nach materiellen Gütern und Wohlstand überwiege, Orientierung und Zielvorstellungen zur Gestaltung einer menschenwürdigen Gesellschaft werden weitgehend abgebaut und die wahren Werte nicht mehr erkannt.

Gerade hier müßten Politiker ansetzen und ihre Aufgaben wahrnehmen. Die Forderung richtet sich vor allem auf das Wissen um die Vorbildrolle, die den führenden Persönlichkeiten - und nicht nur in der Politik - ohne Zweifel zukommt.

Parteien, so Busek, müßten ehrliche, sinnvolle und vor allem verständliche Programme anbieten, um so einen Beitrag zur Wiederbelebung von Wertvorstellungen zu leisten. Die „Sprache der Verschleierung" mit ihren Fremdwörtern und Sprachklischees mache aber für breite Bevölkerungskreise den direkten Zugang und eine aktive Mitarbeit nahezu unmöglich.

Bei der Programmerstellung selbst sei - besonders in beruflicher Hinsicht -mehr Augenmerk auf qualitative Gesichtspunkte zu legen. Jeder sollte etwa die Möglichkeit haben, seinen Arbeitsplatz mitzugestalten. Auch dürfe die geforderte Leistung nicht mit Ausbeutung verwechselt werden.

„Wir brauchen nicht die neuen zehn Gebote des Bundeskanzlers. Es würde vollauf genügen", erinnerte Vizebürgermeister Busek, „wenn wir uns an die alten zehn hielten!"

Auf diese Weise, meint er, könnte Demokratieverdrossenheit abgebaut, die aktive Mitgestaltung am politischen Leben unseres Staates reizvall und schlich das vertrauen zu den von uns gewabten Volksvertretern wiederhergestelt-werden.

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