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Krise, Chance, Neustart? Welche Lehren einige Vordenker und ehemalige Polit-Profis aus der Situation vorzeitiger Neuwahlen ziehen.

Erleichterung über das Ende der monatelangen Qual, aber auch Sorge über eine mögliche Fortsetzung der Misere nach der Wahl im Herbst prägen die ersten Reaktionen der ehemaligen ÖVP-Politiker Erhard Busek, Franz Fischler, Heinrich Neisser und der früheren Grün-Politikerin Monika Langthaler. Von einer Krise der Demokratie will aber keiner von ihnen sprechen, ernste Signale in diese Richtung sehen sie sehr wohl. Die Gründe:

* Nach der bevorstehenden Herbst-Wahl könnte sich wieder nur eine ungeliebte Große Koalition ausgehen.

Es brauche eben eine Wahlrechtsreform hin zu einem "behutsamen Mehrheitswahlrecht", betont der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler. Dass wäre ein "guter Punkt, den eine künftige Regierung in ihr Arbeitsprogramm aufnehmen müsste". Nur das würde, wenn überhaupt, erst die übernächsten Wahlen betreffen.

Zeit für Mehrheitswahlrecht?

Auch Heinrich Neisser, Obmann der Initiative "Mehrheitswahlrecht", sieht nun einen Aufwind für das sonst eher elitäre Thema einer Wahlrechtsreform: "Es geht langsam seinen Weg." Was den möglichen Ausgang der bevorstehenden Wahl betrifft, meint der frühere Klubchef und Zweite Nationalratspräsident: Einerseits glaube er nicht, dass ÖVP und SPÖ noch einmal zusammengehen, egal wer Platz Eins einnimmt; andererseits könnte sich aber nichts Anderes ausgehen.

Optimistischer sieht Erhard Busek die Lage: "Vielleicht ist es eine Chance", sagt der frühere ÖVP-Vizekanzler und Parteichef: Er hofft, dass alle Beteiligten aus dieser Misere lernen. Busek bezweifelt zudem die Ankündigung des SPÖ-Spitzenkandidaten Werner Faymann, auf keinen Fall mit der FPÖ zu koalieren. "Wie viele Dementis hat es schon in der Politik gegeben." Ob dies auch für die gleiche Beteuerung von Wilhelm Molterer gilt, bleibt offen.

Monika Langthaler hält eine weitere Große Koalition ebenso für möglich, wenn Emotionen draußen gelassen und rational ein Regierungsabkommen angegangen würde. "Am Ende siegt doch der Wunsch nach Machterhalt," sagt die frühere Nationalratsabgeordnete. Jetzt eine Krise der Demokratie zu orten, wäre für sie "zu hochgegriffen". "Es ist ein unerfreuliches Schauspiel, aber das gehört zur Demokratie und ist kein Drama." Ihre Wunschkoalition wäre Schwarz-Grün.

Für die Grünen werde es jedenfalls "extrem schwierig, Platz Drei zu halten. Es wird einen enormen Kraftaufwand brauchen." Außerdem würde den Grünen eine personelle Auffrischung auf allen Ebenen gut tun. "Es war immer der Charme der Grünen, dass es neue Gesichter und Quereinsteiger gegeben hat, aber jetzt sieht man immer die Gleichen. Ich lese schon manche Wortmeldungen nicht mehr, weil ich eh weiß, was drinnen steht. Natürlich muss man Politik lernen und es braucht Alte Hasen," betont Langthaler, aber eben nicht zu "alte". Verständnis zeigt sie dafür, dass erneut Alexander Van der Bellen und Eva Glawischnig das Grüne-Spitzenduo sein werden. In der Kürze wäre kein Tausch mehr möglich. Immer gleiche Gesichter - ein Problem aller Parteien, wie Heinrich Neisser meint:

* Es fehlt der politische Nachwuchs. "Es gibt eine Distanzbewegung, weg von der Politik, die für die Demokratie verhängnisvoll sein kann", sagt der frühere Politiker. Alle Parteien hätten darin versagt, Nachwuchs heranzubilden. "Politik kann aber nur funktionieren, wenn es ein Reservoir an neuen Kräften gibt, das ist aber zunehmend geschrumpft." Neisser sieht daher eine "Erosionserscheinung in der Demokratie, über die man nachdenken sollte". "Ich sehe kaum eine Chance, dass sich die politischen Parteien im gegenwärtigen Zustand sanieren." Als Ursachen nennt Neisser die Wohlstandsgesellschaft: Ethische Herausforderungen hätten an Attraktivität verloren. Nicht zuletzt hätten Politiker alles nur Mögliche durch Stil und Performance dazubeigetragen, dass der Beruf weiter an Image verloren hat. Was zum dritten Argument führt:

* Das politische Klima ist vergiftet, der politische Stil bedenklich. Für Monika Langthaler war dies auch ein Grund, warum sie sich vor einigen Jahren als Nationalratsabgeordnete aus der Politik zurückgezogen hat. Ein weiterer Grund: sie wollte nicht zu den immer gleichen Gesichtern gehören. Schon in den Jahren als sie im Parlament tätig war, zwischen 1990 und 1999, sei der politische Stil rauher und untergriffiger geworden. "Ich kann mir vorstellen, dass sich dieser Trend fortgesetzt hat. Es ist leicht geworden, in die Populismus-Falle zu tappen." Sie sei schließlich ausgeschieden, weil sie sich intern und extern nicht mehr auf Abmachungen verlassen konnte, sagt Langthaler, die nun als Unternehmerin tätig ist. Man müsse sich die Frage stellen, wer sich heute das noch antun sollte, in die Politik zu gehen.

"Selber probieren"

Erhard Busek meint dazu: Jenen, die über Politiker schimpften, rate er immer, es doch selbst einmal zu probieren und es besser zu machen. Busek sieht auch die "heutige mediale und schnelllebige Welt" als eine Ursache für die Image-Probleme der Politiker. Es gebe eine Fülle an Informationen, die Beliebigkeit der Inhalte sei groß, Gesichter seien schnell verbraucht.

Ist die Zeit reif für die Gründung einer neuen Partei? "Sehen Sie dafür einen Kern?" verneint Busek die Frage. Auch Franz Fischler glaubt nicht daran: Von der geplanten bundesweiten Kandidatur des Tiroler Rebellen Fritz Dinkhauser hält Fischler nicht viel: Das wären "weggeworfene Stimmen". Dinkhausers Erfolg bei den jüngsten Landtagswahlen in Tirol sei landesspezifisch gewesen. Heinrich Neisser sieht das anders: Wenn eine solche neue Partei eine "vernünftige Mitte" repräsentieren würde, dann hätte sie Chancen. Eine neue Partei bräuchte aber viel Geld und glaubwürdige Persönlichkeiten an der Spitze. Neisser hofft daher noch mehr, dass eine politische Zivilgesellschaft heranwächst.

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