Wien: Modell für Rot-Schwarz neu

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die furche: Herr Bürgermeister, Sie wollen mit der Wiener SPÖ ein Gegenmodell zum schwarz-blauen Modell auf Bundesebene schaffen. Wären die Wiener Grünen dafür nicht der besser geeignete Koalitionspartner als eine Verlängerung von Rot-Schwarz?

Michael Häupl: Rot-Grün ist nicht die einzige Alternative zu Blau-Schwarz. Rot-Grün ist auch nicht die einzige Alternative zu dem, was die derzeitige österreichische Bundesregierung in den verschiedenen Bereichen macht. Der größte Widerspruch besteht in der gesellschaftlichen Verteilung des unbestreitbar vorhandenen Reichtums, in dem wir leben. Mein Kernproblem mit der derzeitigen Bundesregierung besteht in der sozialen Frage.

Es ist ja nicht so, dass ich die Bundesregierung pauschal kritisiere. Ich halte beispielsweise alle Antworten zur Lösung der Restitutionsfragen für begrüßenswert und habe diese auch unterstützt. Aber in wesentlichen Grundfragen der Ökonomie, der sozialen Gerechtigkeit und nicht zuletzt auch der Finanzierungs- und Investitionspolitik - Stichwort Verkehrsinfrastruktur oder Wissenschaftsfinanzierung - sind wir halt höchst unterschiedlicher Meinung. Und da denke ich, dass Wien durchaus als ein Gegenmodell dargestellt werden kann. Ein Gegenmodell, das aber nicht automatisch Rot-Grün heißen muss.

die furche: Das heißt, als Gegenmodell ist für Sie auch Rot-Schwarz durchaus vorstellbar? Wollen Sie in Wien vorexerzieren wie Rot-Schwarz neu funktionieren könnte?

Häupl: Ja, wir haben in Wien in den vergangenen viereinhalb Jahren vorgeführt, dass Rot-Schwarz auch anders aussehen kann, als das auf Bundesebene der Fall war. Wir sind wie richtige Partner miteinander umgegangen und haben gemeinsame Leis-tungen auch gemeinsam dargestellt. Wir haben nicht herumgemäkelt an den Leistungen, die wir für die Stadt gemeinsam erbracht haben. Und niemand war dem anderen etwas neidig. Kurz gesagt: Es war eine respektvolle und faire Partnerschaft, die wir hier an den Tag gelegt haben.

Aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es auch andere Modelle als Rot-Grün oder Rot-Schwarz für diese Stadt gibt. Wieso das Modell einer Zusammenarbeit auf Stadtregierungsebene zwischen Sozialdemokraten, Christdemokraten und Grünen gar so verwerflich oder dumm sein soll, kann ich auf den ersten Blick nicht erkennen.

die furche: Ein Gegenargument lautet, die FPÖ solle nicht allein die Oppositionsrolle besetzen können.

Häupl: Dieses Argument erkenne ich an. Trotzdem halte ich es nicht für sinnvoll, aus dem Bauch heraus, ohne lange zu überlegen und zu analysieren, sofort Nein zu sagen. Man sollte nach der Wahl darüber sicher noch ein bisschen nachdenken. Dann sind auch die Köpfe freier als vor der Wahl.

die furche: Noch einmal zurück zu dem von Ihnen angeschnittenen Punkt. Wenn von einem Wiener Gegenmodell zum Bund die Rede ist, wird fast ausschließlich an Rot-Grün gedacht. Sie sehen hingegen auch die Möglichkeit, in Wien Rot-Schwarz neu als Alternative zu Blau-Schwarz zu positionieren?

Häupl: Ja, das würde ich schon so sehen. Entweder ist es ein Gegenmodell, das zeigt, wie Rot-Schwarz neu funktionieren kann, oder es ist ein Gegenmodell Rot-Grün, das natürlich wesentlich plakativer wäre. Aber nachdem ich für einfache und bequeme Lösungen nicht zu haben bin - weil es heutzutage keine einfachen und bequemen Lösungen mehr gibt - muss man nach dem 25. März eine äußerst verantwortungsvolle Entscheidung treffen. Wir sind uns in Wien der Verantwortung, die wir mit der Antwort auf die Frage künftiger Koalitionsmodelle und etwaiger Zusammenarbeit zu treffen haben, vollauf bewusst.

die furche: Wie weit denken Sie dabei die Bundesebene mit und wie weit werden Sie in dieser Entscheidung von Ihrer Bundespartei beeinflusst?

Häupl: Überhaupt nicht! Weder denke ich für den Bund mit, noch werde ich von Bundesebene irgendwie beeinflusst. Wir haben die Entscheidungen ausschließlich für unsere Stadt zu treffen.

die furche: Im furche-Gespräch mit VP-Vizebürgermeister Görg hat dieser zugestanden, dass Michael Häupl wisse, wo der richtige Weg lang geht, er aber von den Ursozialisten in seiner Partei immer wieder davon abgebracht werde. Sind Sie ein zwischen Parteilinie und eigener Meinung Zerissener?

Häupl: Nein, ich sehe keine derartige Diskrepanz. Letztendlich sind die wesentlichen Entscheidungen der letzten Jahre - egal, ob das die Lösung eines politischen Problems wie die Bank Austria war, oder die Zukunftssicherung der Wiener Stadtwerke, die Frage der Gründung eines Wissenschafts- und Technologieförderungsfonds - gemeinschaftlich gefallen. Ich unterlasse es, darauf hinzuweisen, dass es zwischen dem Herrn Vizebürgermeister Görg auf der einen Seite und etwa den Sozialistenfressern im ÖAAB auf der anderen Seite besondere Differenzen gibt. Genauso wäre es vernünftig, würde auch er diese Differenzierungen unterlassen. Sicherlich, es ist Wahlkampf, eine Zeit der differenzierenden Darstellung. Ab dem 26. März wird wieder das Bemühen vorherrschen, das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen.

die furche: Im Gespräch mit der Wiener Stadtzeitung "Falter" haben Sie sich dazu bekannt, dass es diesmal in der Ausländerfrage nicht eine Spur Zweifel an der Haltung der SPÖ geben darf. Wie sieht diese unzweifelhafte sozialdemokratische Haltung aus?

Häupl: In der Ausländerpolitik wurden vor fünf Jahren reichlich - sage ich dazu - restriktive Maßnahmen eingeführt, von denen wir jetzt schon erkennen, dass sie in einem gewissen Widerspruch zu realen wirtschaftlichen Entwicklungen stehen. Und die Bundesregierung unter Beteiligung der freiheitlichen Partei hat an den Zuwanderungsquoten nichts verändert. Was nicht gerade für die Quoten spricht. Daher sind die Wiener Freiheitlichen und die Frau Partik-Pable völlig unglaubwürdig, wenn sie im Wahlkampf hergehen und sagen, eine Nullzuwanderung sei das einzig Relevante - ihre Bundespartei sieht das völlig anders.

Unter den gegebenen Bedingungen ist es wichtig, dass wer legal hier lebt, auch legal hier arbeiten darf. Wer legal hier lebt, soll einen Anspruch auf eine gewisse Grundbefriedigung seines Wohnbedürfnisses haben. Deshalb haben wir in Wien für alle, die es brauchen - egal, ob In- oder Ausländer - die allgemeine Wohnbauförderung eingeführt. Deshalb haben wir die Notfallswohnungen eingeführt - egal, ob für In- oder Ausländer. Und nicht zuletzt soll jemand, der in einem Land über längere Zeit lebt, ohne dass er oder sie die Staatsbürgerschaft besitzt, am demokratischen Prozess partizipieren können.

Das sind Vorschläge für weitere Integrationsmaßnahmen, die ein Miteinander in der Stadt bedeuten. Und nicht das, was die freiheitliche Partei will: nämlich das Auseinander. Ich lege keinen Wert auf Situationen wie in ostdeutschen Städten, wo Freunde der Freiheitlichen relevante Anteile am politischen Geschehen haben - und wo es zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen kommt. Wien ist viel zu schön, um es diesen Zerstörern zu überlassen.

die furche: Aufnahme von Flüchtlingen, Integration von Ausländern - zwei Punkte, die auch der Kirche in Österreich ein wichtiges Anliegen sind. Welche Rolle spielt für Sie die Kirche in diesen Fragen? Wo würden Sie sich noch mehr Engagement wünschen?

Häupl: Ich denke, ohne mich in in-nerkirchliche Dinge einmischen zu wollen, dass die Rolle der katholischen Kirche gerade was die soziale Frage, den Umgang mit Minderheiten, das gesellschaftliche Zusammenleben betrifft, eine sehr verantwortungsvolle ist. Diese Verantwortung nimmt die Kirche aus meiner Sicht nur zum Teil wahr. Ich meine nicht, dass sich die Kirche in die Tagespolitik einmischen soll. Aber die Kirche hat sich einzumischen, wenn es um grundsätzliche gesellschaftliche Fragen geht. So bin ich dankbar, dass die Kirche ihre Rolle in der Frage des Umgangs mit Ausländern sehr gut wahrnimmt.

Mehr wünschen würde ich mir, dass wenn Antisemitismus und Rassismus zu einem Politikmittel - nicht nur zu einem Stilmittel - werden, man dann seitens der Kirche eindeutig dagegen Stellung bezieht. Aber das ändert nichts daran, dass die Kirche - und in der sozialen Frage die Caritas - eine äußerst positive und konstruktive Rolle einnimmt. Wir arbeiten sehr gut mit der Caritas zusammen. Es ist wichtig mit Leuten wie dem Wiener Caritasdirektor Michael Landau zu sprechen, um dabei auf Dinge hingewiesen zu werden, die man mitunter in der Tageshektik übersieht.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

Die Wiener-Spitzenkandidatin der FPÖ, Nationalratsabgeordnete Helene Partik-Pable, war trotz mehrmaliger Anfragen zu keinem Interview bereit.

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