Am Kärntner Wesen ...

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Die Gründung des Bündnis Zukunft Österreich, BZÖ, habe sich gelohnt, sagt Jörg Haider. Seine Partei könnte für Regierungsverhandlungen entscheidend sein.

Jörg Haider, Gründer und Spitzenkandidat des BZÖ, gibt sich im FURCHE-Interview geläutert. Und er will in Wien mitregieren.

Die Furche: Herr Landeshauptmann, wo im politischen Spektrum ist denn das BZÖ anzusiedeln?

Jörg Haider: Vorne, nicht rechts, nicht links. Unsere Aufgabe ist, Entwicklungen zu sehen, darauf die Antworten zu finden. Wobei die jüngsten Vorfälle, also etwa die Teuerung, ja ein Musterfall sind. Ich habe als Landeshauptmann in Kärnten bereits im vergangenen Jahr begonnen, systematisch ein Anti-Teuerungsprogramm zu fahren. Wir haben ja gesehen, da kommt etwas auf uns zu, das nachhaltig sein wird. Im übrigen Österreich hat sich niemand um dieses Thema geschert. Erst fünf nach zwölf ist die rot-schwarze Regierung aktiv geworden.

Die Furche: Vorne ist, wer gegen die Teuerung kämpft?

Haider: Vorne ist ein großes soziales Engagement auf Grundlage einer marktwirtschaftlichen Gesellschaftsverfassung. Wir haben zu leichtfertig das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft aufgegeben. Die Lohnentwicklung erfolgt zu langsam. Aber in einer sozialen Marktwirtschaft sollte jeder am Erfolg teilhaben. Wir sind ja doch in einem hochkapitalistischen System. Die Schwächeren - das sind die Arbeitnehmer - haben wenig Spielraum.

Die Furche: Hat der Staat die Aufgabe, den Einzelnen in der Wirtschaft zu schützen?

Haider: Freiheit heißt nicht Wettbewerb um jeden Preis. Es braucht Ordnung. Der Staat hat eine Schutzfunktion, etwa bei den Kollektivverträgen, wo es seit Jahren mangelt. Dort sind keine Erfolge für die Mitarbeiter zu verzeichnen. Dadurch haben wir seit 2006, seit die Teuerung so stark ist, real sinkende Löhne.

Die Furche: Aber auch wegen der Steigerung bei den Steuern!

Haider: Ja, und deswegen wollen wir mittelfristig zu einem Flat-Tax-System kommen. Ein mögliches Modell ist: Nach einem attraktiven steuerlichen Freibetrag von 15.000 Euro beginnt ein einheitlicher Steuertarif. Die große Vision ist ein Tarif, der die Steuer und die Sozialversicherung umfasst. Denn bei 1200 Euro monatlichem Bruttoverdienst hat man in Summe eine nahezu gleich hohe Belastung von über 40 Prozent Abgaben wie mit einem Salär von 20.000 Euro.

Die Furche: Kritiker der Flat Tax meinen, sie führe zu einem Flat State, dem es dann an Geld mangle.

Haider: Die Kritik ist nicht gerechtfertigt, wie das hohe Aufkommen der einheitlichen Körperschaftssteuer zeigt. Die Flat Tax führt zu einer Belebung der Wirtschaft

Die Furche: Worin bestehen die politischen Axiome des BZÖ?

Haider: Der Schwerpunkt liegt auf der individuellen Freiheit. Als soziales Wesen braucht der Mensch die Familie und die Gemeinschaft. Gesellschaftspolitisch sind wir für die soziale Marktwirtschaft.

Die Furche: Wo bleiben da der Umweltschutz, die Ökologie?

Haider: Eine soziale Marktwirtschaft hat Verständnis für ökologische Maßnahmen. Viel Spielraum bietet die Energiepolitik.

Die Furche: Apropos: Ökologen wären für öffentlichen Nahverkehr statt teurer Tunnels.

Haider: Das ist kurzsichtig gedacht. Wir brauchen die transeuropäische Ost-West-Strecke und dafür die Tunnels im Osten Österreichs.

Die Furche: Zurück zur Steuer: Eine neue brauchen Sie nicht?

Haider: Erbschafts- und Vermögenssteuer sind nicht notwendig. Jetzt muss der Staat einmal nachlassen und seine Institutionen in Ordnung bringen, dort einiges einsparen. Etwa im Gesundheitssystem. Zu viele Anstalten, zu viele Funktionäre.

Die Furche: Hat sich die Gründung des BZÖ gelohnt?

Haider: Ja, wir sind dabei, eine eigenständige politische Kraft zu werden. Wir unterscheiden uns ganz erheblich von der Partei, die wir verlassen haben, in der Schulpolitik, wo wir für die gemeinsame Schule der Sechs- bis Fünfzehnjährigen sind, für ein Pflichtkindergartenjahr vor der Schule. Wir sind für individuelle Besteuerung, die FPÖ will das Splitting, was Alleinerzieherinnen diskriminiert.

Die Furche: Aber in der Öffentlichkeit greift das noch nicht. In Umfragen liegt das BZÖ unter ...

Haider: ... also unter sieben Prozent hat uns keiner mehr. Damit verdoppelt sich der Klub im Parlament, man wird an uns nicht mehr vorbeikommen. Das wird möglicherweise sehr entscheidend sein bei der Regierungsbildung. Damit wächst die Herausforderung, und das wollen wir ja auch. Das Problem der FPÖ war ja, dass sie Angst vor der Verantwortung hat. Die Wiener Gruppe wollte ja aus der Koalition aussteigen, weil man Angst hatte vor den eigenen kritischen Wählern.

Die Furche: Wer ist so weit vorne, dass er für Sie als Gesprächs- und Koalitionspartner in Frage käme?

Haider: Das hängt davon ab, was Parteien bezwecken und wie flexibel sie sind. Bei Teuerung und Steuerreform ist es nicht allzu schwierig, einen Konsens zu finden. Bei der Bildungspolitik ist die ÖVP starrer als die SPÖ. In der Sicherheits- und der Zuwanderungspolitik wird ein Konsens mit der ÖVP einfacher sein. Also die Koalitionsbereitschaft ist da. Wer die große Koalition verändern will, muss Verantwortung übernehmen.

Die Furche: Teilen Sie Inhalt und Vorgangsweise des Briefes von Bundeskanzler Gusenbauer und Minister Faymann an einen Zeitungsherausgeber in Wien?

Haider: Inhaltlich habe ich ja immer gemeint, wir sollten vor einer Zustimmung zu einem europäischen Verfassungsvertrag eine Volksabstimmung vornehmen. Mich freut der Schwenk der SPÖ. Sie ist jetzt auf einer Linie, die wir schon immer vertreten haben. Das gilt auch in der Ausländerpolitik. Dazu hat ja Wiens Bürgermeister Michael Häupl gemeint, sein größter Fehler war, die Zuwanderungspolitik nicht strenger gestaltet zu haben. Doch früher hat er das Lichtermeer gegen uns organisiert. Jetzt kommt alles wieder in Ordnung. Wir sind vorne. Und zu Volksabstimmungen: Ja, wir sollten mehr direkte Demokratie praktizieren, denn bei wichtigen Dingen wird über die Leute d'rüber gefahren.

Die Furche: Sie wirken jetzt zurückhaltender und weniger aggressiv und verletztend als vor Jahren.

Haider: Ich bin ein bisschen älter geworden, das bringt Gelassenheit. Zum anderen stehe ich in Verantwortung, mache für das Land Kärnten eine Arbeit, die sich ausgezahlt hat und die von den Menschen geschätzt wird. Weil ich das jetzt kommunizieren will, führe ich nicht eine Rabaukendiskussion, sondern substanzielle Gespräche. Die Leute schätzen es, wenn jemand Lösungen hat. Die TV-Konfrontationen mit mir haben ja die meisten Zuseher.

Die Furche: Wer sind denn heute die Rabauken in der Politik?

Haider: Der Zuwachs ist schon passiert. Dinkhauser ist nicht frei von Rabaukentum. Und die FPÖ hat jemanden an der Spitze, der mit altem Haider-Stil Politik neu machen will. Das funktioniert nicht.

Das Gespräch führte Claus Reitan

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