"Die Spaltung ist eine große Chance"

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"Bei dieser Partei weiß man nie, was morgen passiert", sagte der frühere freiheitliche Parteistratege und Programmschreiber Erich Reiter im Furche-Interview. Recht hat er gehabt - kaum war das Gespräch beendet, spaltete sich die FPÖ und alles war wieder anders. Trotzdem wagt Reiter jetzt eine Prognose, und er erklärt, wie es zu der Spaltung kommen konnte.

Die Furche: Herr Reiter, wie kommentieren Sie die Spaltung der fpö und die Neugründung des "Bündnis Zukunft Österreich (bzö)"?

Reiter: Diese Spaltung musste kommen, und ich halte das demokratiepolitisch für gar keinen schlechten Prozess: Ohne den nationalen Klotz am Bein hat die neue Bewegung rund um die freiheitliche Regierungsgruppe jetzt wirklich die Chance, sich zu einer modernen rechtsliberalen Partei zu entwickeln.

Die Furche: Sie gehen also davon aus, dass das bzö eine Art Neuauflage der Steger-fpö wird?

Reiter: Ja, aber anders: Die fpö unter Norbert Steger hat mit zwei Flügeln zu kämpfen gehabt. Der liberale Flügel dominierte, aber die anderen, die Nationalen, durften halt auch dabei sein. Nach dieser Trennung von den Nationalen, kann die bzö ein völlig neues Profil entwickeln.

Die Furche: Mit welchem Programm wird das neue bzö antreten?

Reiter: Die Regierungsmitglieder, die hinter der Neugründung des bzö stehen, sind in ihrer Politik weitgehend entideologisiert. Derzeit ist es eher so, dass sie von der Tagespolitik ausgehend Weltanschauung ableiten und nicht umgekehrt, eine Ideologie als Ausgangspunkt zur Beantwortung von Sachfragen nehmen. Ihre Themen sind Familien-, Sicherheits- und Einwanderungspolitik, doch die weltanschauliche Basis dahinter ist verloren gegangen. Das heißt aber nicht, dass man bei einer Neuorientierung der Partei nicht aus diesen tagespolitischen Zielen eine Weltanschauung kleistern kann.

Die Furche: Welche Rolle soll bzö-Chef Jörg Haider dabei spielen?

Reiter: Wenn ich mir etwas wünschen darf, dann dass er jetzt noch einen Beitrag zur Festigung dieser neuen Partei leistet, damit sie die nächsten Wahlen übersteht - und dann soll er seinen Hut nehmen und gehen. Nach dem Motto: "Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen." Das wäre er seinen Leuten schuldig, Haider war es ja, der die Partei in den Absturz geführt hat ...

Die Furche: Vorher hat er sie aber auch hinaufgebracht ...

Reiter: Ja, wie der liebe Gott: Haider hat gegeben, Haider hat genommen. Trotzdem wäre es nur gerecht, wenn er mithilft, dass das bzö die nächsten Wahlen ordentlich übersteht - und dass er dann diese Partei dem Schicksal der Nach-Haider-Ära überlässt.

Die Furche: Sie haben 1986 den Aufstieg Jörg Haiders an die Parteispitze aus nächster Nähe miterlebt - gibt es Parallelen zu heute?

Ist der Wiener fp-Chef, Heinz-Christian Strache, der neue Haider?

Reiter: Das stimmt zum Teil: Auch 1986 hat es eine Parteiführung gegeben, die nicht gewillt war zu reden, die abgehoben agierte, die den nationalen Flügel in der Partei nicht zur Teilhabe an der Macht zulassen wollte. Insofern besteht eine große Ähnlichkeit zu heute. Am letzten Parteitag hat es zwar einen Kompromiss gegeben: Strache wurde VizeParteichef und Ewald Stadler Leiter der freiheitlichen Akademie - aber offenbar hat die Parteispitze dieses Zugeständnis an die Nationalen später als schweren Fehler erkannt und jetzt mit der Abspaltung die Konsequenzen daraus gezogen: Man darf denen eben nichts geben, die sind nicht zu befriedigen, sondern wollen mehr.

Die Furche: Und jetzt haben die Nationalen alles, die ganze fpö.

Reiter: Ja, aber was für eine fpö - die Straches, Mölzers und Stadlers wollen eine fpö, die sich ausschließlich an den nationalen Wurzeln der Partei orientiert. Dafür nehmen sie auch in Kauf, eine kleine - ich meine, sehr kleine - Partei zu werden. Aber sie überschätzen die tatsächliche Größe des nationalen Lagers in Österreich; eine solche Partei wird nur sehr schwer den Einzug in den Nationalrat schaffen.

Die Furche: Woher stammt aber der starke Rückhalt, den das nationale Lager in der fpö hat, dass sogar ein Haider, eine Haubner, ein Gorbach oder Scheibner weichen mussten?

Reiter: Die Korporierten haben in der fpö eine zu große Bedeutung erlangt. Es hat immer Burschenschafter an wichtigen Stellen in der fpö gegeben, aber jetzt passte die Relation nicht mehr - in manchen Landesgruppen haben diese Gruppen das Monopol.

Die Furche: Zuviel Burschenschafter tun nicht gut?

Reiter: Es kommt drauf an: Ich bin gerne Burschenschafter, aber für die Partei war es schlecht, dass sie immer mehr von Korporierten dominiert wurde.

Die Furche: Wurde diese Entwicklung - weg von den Liberalen, hin zu den Nationalen - nicht schon mit dem Sturz Stegers 1986 eingeleitet?

Reiter: Haider ist hochgekommen mit Unterstützung der Nationalen; seinen Aufstieg aber allein als Streit zwischen Nationalen und Liberalen zu sehen, greift zu kurz. Denn auch in der fpö nach Steger gab es - und gibt es bis heute! - liberale Politiker. Der Sturz Stegers durch Haider wurde auch von Liberalen mitgetragen, die gefürchtet haben, dass ohne einen radikalen Kurswechsel die Partei aus dem Parlament fliegt - und diese Gefahr war damals durchaus real.

Die Furche: Angesichts der freiheitlichen Selbstzerfleischung scheint diese Gefahr auch heute wieder real.

Reiter: Die fpö war seit jeher eine begrenzt politikfähige Partei. Politikfähig heißt, Kompromisse zu schließen, pragmatisch vorzugehen, kurz- und langfristige Ziele zu unterscheiden. Damit hatten die Freiheitlichen stets Schwierigkeiten und auch die Freude an internen Grabenkämpfen war in dieser Partei immer groß. Ich glaube, die freiheitlichen Wählergruppen sind bereits so durchgebeutelt, dass der aktuelle Streit keine große Rolle mehr spielt. Für viele gibt es nach wie vor das Bedürfnis, eine andere Partei als Schwarz und Rot zu wählen. Und die Grünen können nicht alles abdecken. So arg kann der Selbstzerfleischungsprozess gar nicht sein, dass der legitime fpö-Nachfolger bzö aus dem Parlament fliegt.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

Freiheitlicher Liberaler mit Schmiss

Gemeinsam mit drei anderen freiheitlichen Alt-Parteigranden protestierte Erich Reiter vor der letztwöchigen fp-Vorstandssitzung gegen den Parteiausschluss von Andreas Mölzer. "Alle vier gehören wir aber nicht ins nationale Lager eines Strache oder Stadler", sagt Reiter, "doch ein Liberaler schließt keinen parteiinternen Kritiker aus" - und als einen "Repräsentanten der Liberalen" in der fpö sieht sich der Sektionschef im Verteidigungsministerium und Beauftragte für Strategische Studien. Der Schmiss auf Reiters linker Wange weist den gebürtigen Fürstenfelder als schlagenden Burschenschafter aus - wie passt das mit einem liberalen und nicht nationalen Selbstverständnis zusammen? Reiter: "Korporationen sind keine einheitliche Masse, auch da gibt es große Unterschiede."

Schon vor und in der Ära Steger war Erich Reiter maßgeblich an der Erstellung der damaligen fp-Parteiprogramme beteiligt, verfasste u.a. mit Friedhelm Frischenschlager das Buch "Liberalismus in Europa". Reiter war auch Vorsitzender der freiheitlichen Denkschmiede "Attersee Kreis" und Präsident des der fpö nahe stehenden "Liberalen Klubs" - eine Funktion, in die er in zwei Wochen wieder gewählt werden wird. Mit Jörg Haider gebrochen hat Reiter Ende 1995 nach dessen Rede vor ss-Veteranen in Krumpendorf. Erich Reiter: "Ich habe diese blöden Sager einfach nicht mehr ausgehalten."

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