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Wasnun?
Die Entscheidung der Wähler ist eindeutig. Sie gaben der Volkspariei nicht nur die vom Bundeskanzler Dr. Klaus erbetene klare Führung, sondern auch die seit 1949 verlorene absolute Mehrheit. Sie taten ein Übriges dazu. Sie „polsterten” diese Mehrheit in einem Maß, wie es selbst die größten Optimisten, allen voran Generalsekretär Dr. Withalm, zu hoffen nicht gewagt hatten. Für die führenden Männer des österreichischen Sozialismus war es ein schwarzer Tag. Noch nie schien die Mehrheit so nahe. Deshalb auch das peinliche und letzen Endes verderbliche Schweigen zu jener Wahlempfehlung, mit der, von ihrer Seite sehr geschickt, die KPÖ aus der politischen Quarantäne auszubrechen versuchte. Aber man darf Stimmen nie addieren. Das hat die ÖVP 1957 im Gefolge ihres Wahlbündnisses mit den Freiheitlichen bei der Denk- Wahl erfahren, das hat diesmal die SPÖ zu spüren bekommen.
Die Entscheidung fiel in den letzten zwei Wochen. Während sich auch schon in den ersten Wochen des Wahlkampfes eine Bestätigung der führenden Rolle der ÖVP abzeichnete, so fiel die Entscheidung über die absolute Mehrheit buchstäblich in den letzten zehn Tagen. In diesen begannen allem Anschein nach einige Männer der zweiten Regierungspartei „durchzudrehen”. Sie füllten das von den Propagandisten aufgestellte Schreckgespenst der „Volksfront” — der Schreiber dieser Zeilen hat schon einmal ausführlich dargelegt („Die Furche” 33/1965), warum er als Christ, Österreicher und Historiker dieser Parole kritisch gegenübersteht — mit Leben. Den Rest besorgte Franz Olah. Seine Hoffnungen auf eine Rückkehr ins Parlament blieben zwar, wie zu erwarten, unerfüllt; allein er schlug der „Mutter Partei”, die ihn verstoßen hatte, manch bittere Wunde.
Die Freiheitlichen erzielten mit sechs Mandaten einen Achtungserfolg. Noch einmal. Vielleicht das letzte Mal. Der Zug zum Zweiparteiensystem setzt sich fort.
Und damit sind wir auch schon bei der Frage angelangt: Was nun? Sosehr wir jede „kleine Koalition” nach wie vor ablehnen, so haben wir dennoch schon mehr als einmal deutlich gemacht, daß wir bei entsprechenden Voraussetzungen in dem Wechselspiel Regierung—Opposition nicht eine angemaßte Alleinherrschaft, sondern eine demokratische Alternative zur Koalition sehen. Die parlamentarischen Voraussetzungen hiezu sind jetzt gegeben. Wir können uns auch vorstellen, daß es Kräfte und Personen gibt, die auf die führenden Männer der Volkspartei ein- dringen: Jetzt oder nie! Dennoch muß man fragen, ob wirklich das politische und psychologische Klima vorhanden ist, das diesen Übergang ohne schwere Folgen für Staat und Wirtschaft erlaubt. Bedarf es nicht vorher eines, une es Günther Nenning einmal genannt hat, „Oppositionspaktes”, der die Lebensfragen der Nation außer Streit stellt? So weit sind wir aber noch nicht.
Deswegen wird die Volkspartei gut beraten sein, wenn sie die Sozialisten bei den kommenden Verhandlungen zwar zur Kassa bittet, die Ratschläge der gar zu „wiIden” Männer aber mit Skepsis aufnimmt.
Die besonnenen Worte des Bundeskanzlers am Abend seines großen Erfolges sowie die Erklärung des „Generalstabschefs des Sieges” Doktor Withalm, daß die kommenden Regierungsverhandlungen nicht einen „parteipolitischen Beutezug” zum Ziel hätten, zeigen, daß die führenden Männer der Volkspartei sich ihrer erhöhten staatspolitischen Verantwortung bewußt sind.
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