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Vielfalt statt Eintopf-Staat
Trotz der Verankerung des bundesstaatlichen Prinzips in unserer Bundesverfassung ist die verfassungsrechtliche Konstellation Österreichs kopflastig zugunsten des Gesamtstaates. Den österreichischen Ländern fehlen im Vergleich etwa zur Schweiz oder zur Bundesrepublik Deutschland entscheidende Kompetenzen: Steuerhoheit, Gerichtsbarkeit, Polizeihoheit.
Dabei wäre gerade die Verwirklichung von mehr Föderalismus die beste Garantie und Kontrolle für die Teilung der drei Staatsgewalten, der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit, wie es die grundlegende Struktur der Demokratie verlangt.
Wenn Regierung und Parlamentsmehrheit identisch sind und der Opposition wichtige Kontrollrechte versagt werden, erkennt man deutlicher als sonst die Notwendigkeit, die klassische Gewaltenteilung durch eine zweite moderne Gewaltenteilung in Form von ausgeprägten Länderrechten zu ergänzen.
Der Stärkung der Länderkammer im Parlament, also des österreichischen Bundesrates, wenden die Bundesländer daher ganz besonderes Augenmerk zu. Seit dem Jahre 1963 haben sich die Landeshauptmännerkonferenzen mit dieser Frage immer wieder beschäftigt. Ihre Vorstellungen zur Verstärkung der Befugnisse des Bundesrates fanden zum Teil auch in den Forderungsprogrammen der österreichischen Bundesländer der Jahre 1964, 1970 und 1976 ihren Niederschlag.
Unter anderem wünschen wir die Ersetzung des geometrischen Prinzips durch den Grundsatz der arithmetischen Gleichheit in der Zusammensetzung des Bundesrates. Das würde ein Abgehen von der Berücksichtigung der Bürgerzahl bedeuten, so daß jedem Bundesland die gleiche Zahl von Bundesratsitzen zukäme.
Weiters fordern wir unter anderem die Einführung eines Zustimmungsrechtes zu allen Verwaltungsgesetzen, die die spezifische Struktur eines Bundesstaates ausmachen. Auch wäre uns daran gelegen, daß die Landeshauptmänner das Recht bekämen, zu Angelegenheiten ihrer Länder im Bundesrat das Wort zu ergreifen.
Ein kleines Beispiel soll auch nur verdeutlichen, welche Kompetenzschwierigkeiten es zwischen Bund und Ländern geben kann, die bereinigt werden sollen: Für die Errichtung eines Einper- sonen-Sesselliftes sind die Länder zuständig. Für eine Doppel-Sesselbahn hingegen der Bund. Welche Komplikationen dies für die Wintersportorte mit sich bringen kann, jiegt auf der Hand.
Allerdings könnten die Länder nicht mit Recht vom Bund verlangen, er soll Dinge abtreten, die sie selbst besser be
sorgen könnten, wenn sie nicht wiederum die gleiche Gesinnung gegenüber den Bezirkshauptmannschaften und den Gemeinden zum Ausdruck bringen würden.
Das Land Salzburg wird daher über meine Veranlassung hin einen Dezentralisierungskatalog ausarbeiten, der feststellen soll, was das Land über die Bezirke noch weiter an die Gemeinden abtreten kann. Wir müssen die staatliche Wirksamkeit in der Nähe des Menschen ansiedeln.
Ich bin überzeugt, daß die immer weiter um sich greifende Staatsverdrossenheit unserer Bürger zu einem großen Teil auf die immer größere Anonymität der politischen Entscheidungen zurück? geht, auf die Furcht und das Mißtrauen der Staatsbürger, daß trotz aller Wachsamkeit der Medien einige wenige hinter verschlossenen Türen Absprachen treffen und ihre Vorstellungen durchsetzen.
Der Sinn der bundesstaatlichen Ordnung liegt nicht darin, die Mitwirkung des Volkes an der Herrschaft durch immer häufigere Wahlen zu stärken. Die Vervielfältigung der Entscheidungszentren und ihre flächenmäßige Verteilung auf das gesamte Staatsgebiet könnte hingegen dazu führen, mehr politische Führungskräfte zu interessieren und auch zu finden und sie zueinander in Wettbewerb treten zu lassen. Auf diese Weise könnte es zu einer Auslese kommen, die eine Erstarrung der politischen Führungsschicht in den Ländern .und im Bund verhindern soll.
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