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Kostgänger des Bundes ?

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Veranstaltet von der Südosteuropa-Gesellschaft, München, vom Goethe-Institut, Frankfurt, von der Bayerischen Staatsregierung und dem Internationalen Institut für Nationalitätenrecht und Regionalismus („Intereg”), München, einerseits und den führenden Staatsrechtlern der Universitäten in Serbien und Makedonien andererseits, fand in der Politischen Akademie Tutzing bei München ein mehrtägiges Seminar über den Föderalismus statt.

Hiebei sollten vor allem die föderalistischen Institutionen in der Bundesrepublik Deutschland und in Jugoslawien miteinander verglichen werden, um ganz allgemein Erkenntnisse über den Föderalismus zu gewinnen, wie er sich als Ordnungsprinzip insbesondere für Europa darstellt.

Wilhelm Ballon von der Bayerischen Staatskanzlei führte in seinem Einleitungsreferat über die Notwendigkeit eines wirksamen und nicht nur rein formalen Föderalismus und das bundesstaatliche Prinzip unter anderem wörtlich aus: „Die Länder dürfen nicht zu bloßen Vollzugsorganen des Bundes werden, auch wenn völkerrechtlich die Staaten die Partner in der Staatengemeinschaft sind.”

Ballon machte auch eine Nebenbemerkung zum Föderalismus in Österreich, der diesem Grundgedanken zuwenig gerecht werde. Auch der Verfasser dieses Berichtes bemerkte in einem Vortrag, daß die österreichischen Bundesländer viel zu wenig originäre Rechte hätten, sodaß man manchmal Österreich nicht als Bundesstaat, sondern nur als einen dezentralisierten Einheitsstaat bezeichnen kann.

Aus allen Referaten ergab sich schließlich folgender Forderungskatalog über die Notwendigkeiten im Bundesstaat: Föderalismus muß ein grundlegendes Ordnungsprinzip sein, in Staaten mit ethnischen Minderheiten (Nationalitäten) oder verschiedenen Stammesgruppen — man denke an Vorarlberg! — auch bezüglich der Kooperation auf der Basis der Gleichberechtigung zwischen diesen Gruppen und der Mehrheit im Gesamtstaat.

Von Bedeutung ist auch die gerechte Verteilung der Mittel (Erträge aus Steuern und Abgaben sowie verstaatlichten Unternehmungen, auf die die Länder mitbestimmenden Einfluß haben müssen) zwischen Zentralgewalt und Ländern sowie Gemeinden. „Die Länder dürfen nicht Kostgänger des Bundes sein”, so der Präsident der Südosteuropa-Gesellschaft, Walter Althammer.

Die Kulturhoheit der Länder darf nicht angetastet werden. Auch der grenzüberschreitende Föderalismus, wie er zum Beispiel in der „Arge-Alp” und auch in der „Arge-Alpen-Adria” zum Ausdruck kommt, muß von der Zentralgewalt anerkannt werden — jedenfalls im Bereich der Kulturpolitik. Diese Aufgaben müssen jenseits aller ideologischen oder politischen Prinzipien gewahrt und verfolgt werden, wobei auch dem Regionalismus ein besonderer Stellenwert zukommt.

Mit den Gesamtergebnissen der Tutzinger Tagung soll auch der oftmals äußerst massiven Kritik am Föderalismus entgegengetreten werden:

# Der Föderalismus ist nicht fortschrittsfeindlich, nicht unzeitgemäß und nicht ineffektiv, Föderalismus ist, ganz im Gegenteil, das modernere Ordnungsprinzip gegenüber dem Zentralismus, für jeden, auch den technischen Fortschritt positiv;

# der Föderalismus hat keine Tendenz zu Uberspannungen, sofern er nur die Eigenart der den Bundesstaat bildenden Länder und ihrer Uberlieferungen wahren und entwickeln will;

# wenn in den Entwicklungsländern (zum Beispiel Ghana und Pakistan) die föderativen Versuche gescheitert sind, liegt die Schuld dafür bei den örtlichen, zentralistischen Potentaten;

# allen Tendenzen zum Unitarismus und Zentralismus muß entgegengetreten werden, nur der Föderalismus, sofern er nicht überspannt ist, ist ein wirklich humanes und humanitäres Ordnungsprinzip;

# die Massenmedien haben im föderativen Staat eine besondere Bedeutung, sie dürfen aber auch auf Landesebene nicht gegängelt werden;

# der kommunalen Selbstverwaltung kommt unter föderalistischen Gesichtspunkten besondere Bedeutung zu;

# die Verwaltung in der föderativen Gemeinschaft darf nicht zentralistisch angelegt sein.

Man muß freilich das Thema „Föderalismus”, mag das Bekenntnis zu ihm noch so emphatisch ausgesprochen werden, in bezug auf Jugoslawien doch mit einer gewissen Skepsis betrachten. Dort ist der Föderalismus zwar verfassungsrechtlich sehr stark verankert (in der Verfassung von 1974), aber man muß doch auch berücksichtigen, daß der Bund der Kommunisten (Zveza Komunistov) keineswegs föderalistisch angelegt ist, sondern wie die KPdSU zentralistisch und als monolithischer Block, was den verfassungsrechtlichen Föderalismus nicht gerade unterstützt.

Und was die Bundesrepublik Deutschland anlangt, so sind die heutigen Länder mit Ausnahme von Bayern, Hamburg und Bremen sowie Schleswig-Holstein auch nicht gerade geschichtlich gewachsene föderale Einheiten, sondern Erfindungen des Bonner Grundgesetzes von 1948. Zum Föderalismus gehört aber, wie etwa in der Schweiz und in Österreich, auch Tradition und ein Minimum an konservativem Geist.

Der Autor leitet die Forschungsstelle für Nationalitätenrecht und Regionalismus der Universität Innsbruck.

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