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Die Staats wirtschaft, die Verwaltung.und das Unbegreifliche
Die Budget; 1947 bis 1949 betrugen rund drei, sechs und siebeneinhalb Milliarden. Diese Zahlen sprechen trotz ihrem Ansteigen dafür, daß unsere Finanzverwaltung die Führung in der Hand hält. Das Defizit von 47 Millionen beträgt nur 1 % des Aufwandes, es wäre kein Anlaß zur Sorge, wenn es dabei bleiben wird. Ein Vergleich mit der Entwicklung in Frankreich und Italien sowie einigen anderen Staaten Europas fällt zu unseren Gunsten aus. Einige kleinere Länder, wie Belgien und Holland, zeigen, daß wir aber doch noch besser wirtschaften könnten. Dort ist trotz Krieg und Zerstörungen ein starker Aufstieg der Wirtschaft, daher auch der Währung deutlich sichtbar. Wir selbst haben bisher erst etwa die Hälfte der Vorkriegsausfuhr erreicht, obwohl wir Rohstoffe und Nahrungsmittel in erheblichem Ausmaß, zum Teil unentgeltlich, erhalten haben. Man kann also sagen, daß wir am Scheideweg stehen. Jedenfalls muß man dem Finanzminister voll beipflichten, daß wir alles daransetzen müssen, um aufwärts zu kommen. Dazu gibt es nur einen Weg: Hebung der Erzeugung und Senkung der Ausgaben. Alles andere, besonders Steigerung des Notenumlaufes, waren bisher vielleicht Unvermeidliche Maßnahmen des Übergangs der Nachkriegszeit. Daß Vermehrung der Banknoten niemals ein Volk reicher macht, ist bekannt.
Immerhin können wir darauf hinweisen, daß die Kontrollkommissionen der Alliierten unsere Finanzwirtschaft als verhältnismäßig gut anerkennen. Allerdings mit einer gewichtigen Ausnahme, das sind die Verwaltungsausgaben aller öffentlichen Körperschaften. Dieses Gutachten befindet sich in voller Übereinstimmung mit der Ansicht des Finanzministers, der soeben den gleichen Gedanken mit allem Nachdruck vertreten, bisher aber nicht durchgeführt hat. Verwaltung und Staatsbetriebe müssen richtig wirtschaften. Das Ansteigen der Steuern hat auch der schaffenden Wirtschaft diese Erkenntnis schon sehr nachdrücklich klargemacht. Aber dem Staat selbst, den Ländern, Gemeinden, Anstalten der Sozialversicherung, Kammern und noch manchen anderen scheint Sparsamkeit noch fernzuliegen.
Man kann sich auf den Standpunkt stellen, „der Staat zahlt ohnedies alles”. Als ein Erfolg ist es schon anzusehen, daß sich die allgemeine Meinung sehr nachdrücklich gegen die noch herrschende geistige Nachlässigkeit wendet. Es ist zu hoffen, daß das Parlament in seinen Entschließungen den Weg der Sparsamkeit wirklich gehen wird.
Man kann die erforderlichen Maßnahmen in zwei Hauptgruppen teilen. Ordnung der Betriebe und Ordnung der Verwaltung, deren W esen und Behandlung sich stark voneinander unterscheiden. In die Gruppe der staatlichen Betriebe gehören die Bahnen, Post, Forste, Theater und andere. Ihr Defizit beträgt zusammen etwa 1 Milliarde. In diese Gruppe gehören auch die Stützungsmaßnahmen für Nahrungsmittel, wie Milch, Fleisch, Zucker, Obst, Gemüse, die Investitionen und Hilfskredite für sozialisierte Betriebe, die zusammen ebenfalls 1 Milliarde betragen. Sie alle bedürfen einer sorgfältigen Überprüfung durch Sachverständige der Wirtschaft. Die Staatsbetriebe sind eine Hauptursache des Defizits. Es wäre leicht, geradezu überraschende Vergleiche der Arbeitsleistungen in der Vor- und Nachkriegszeit sowie im In- und Auslande anzuführen, aber es ist unerfreulich, gerade einzelne Betriebe herauszugreifen. Der wirtschaftlich vernünftige Umbau aller öffentlichen Betriebe ist derzeit die dringendste Maßnahme für unser so mühsam lebendes Budget; sie erfordert gar keine Verwaltungsreform.
Ein erwägenswerter Gedanke wäre es, führende Männer der Industrie, bewährte Leiter sozialisierter Betriebe, Arbeiter ohne Unterschied ihrer Dienststellung zeitweise zusammenzuholen und ihre Vorschläge zu hören. Sie müßten, selbständig und unabhängig vom staatlichen Amtsbetrieb, ihre Gutachten und Anträge auf allen Gebieten der Wirtschaft vorbringen und diese wären zu veröffentlichen. Dadurch könnten sich die Stimmen der Wirtschaft Gehör verschaffen und den Amtsbetrieb aus seiner Ruhe aufscheuchen. Nicht ein neues Amt, sondern neue Männer ohne Amt wären zu hören, die öffentliche Meinung wäre zu gewinnen.
Alle angeführten Maßnahmen sind keine Reform der Verwaltung, sondern eine sofort einzuleitende Ordnung aller öffentlichen Betriebe, deren Defizit ehestens verschwinden muß. Bisher sind wir noch nicht soweit gekommen, im Gegenteil, es arbeitet auch schon ein erheblicher Teil der Betriebe der Privatwirtschaft passiv und mit öffentlichen Subventionen, die schließlich doch wieder von der Wirtschaft getragen werden müssen. Eine Krankheitserscheinung, die zumindest einer genauen Prüfung bedarf. Im kommenden Voranschlag für das Jahr 1950 hoffen wir, bereits das Ergebnis dieser Prüfung zu hören.
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