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Ein vielsagender Widerspruch

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Richtig ist es, daß sich in Oesterreich Kreditschwerpunkte bei den verstaatlichten Betrieben des Grundstoffbereiches ergeben haben; dies erfolgte aber in erster Linie bei der finanziellen Durchführung des von der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem von den ECA- und MCA-Dienststellen in Washington aufgestellten Investitionspro-grammes. Nicht nur hier war die Bankenpolitik alles eher als unabhängig. Die Mobilisierung von Bankenmitteln für Investitionen war und ist überdies von der Genehmigung der Kreditlenkungskommission abhängig. Und die Behauptung Johnstones, daß die Banken die Interessen ihrer Konzernunternehmungen fördern und die Entwicklung von Konkurrenzinteresse hintanhalten, widerlegt sich damit, daß z. B. 1951 bei der Creditanstalt-Bankverein nur 12 Prozent aller aushaftenden Kredite an die der Bank nahestehenden Unternehmungen eloziert waren, während bei der Länderbank solche Kredite vergleichsweise überhaupt keine Rolle spielten.

Stellt es nicht einen vielsagenden Widerspruch dar, wenn Johnstone in seinem Bericht sagt: „Wären die Banken im richtigen Sinne verstaatlicht, so müßten die Gesellschaften, bei denen sie die Aktienmehrheit besitzen,ebenfalls als verstaatlicht gelten, was aber nicht der Fall ist. Tatsächlich sind die Banken den Behörden gegenüber nur sehr beschränkt verantwortlich.“ Aber derselbe Johnstone stellt „die Verstaatlichung eines großen Teiles der Industrie“ in seinem Bericht als einen der Hauptpunkte seiner Kritik hin! Dies allerdings ganz mit Recht, denn die Verstaatlichung mit ihrer weitgehenden Durchsetzung planwirtschaftlicher Doktrinen bedingt ja die Ausschaltung des freien Wettbewerbs; nicht nur auf dem verstaatlichten Wirtschaftssektor, sondern auch im verbleibenden privatwirtschaftlichen Bereich. — In diesem Zusammenhang sei auf die merkwürdige Modulationsfähigkeit der sozialistischen Auffassung über die Finanzierung verstaatlichter Betriebe hingewiesen. In dem von Johnstone zitierten seinerzeitigen sozialistischen Kommentar zur österreichischen Verstaatlichungsgesetzgebung hieß es: „Bleiben die Unternehmungen des Verkehrs, der Ener-gicerzeugung, der Schwerindustrie oder gar die Banken, soweit sie Monopolstellungen erreicht haben, in den Händen des Privatkapitals, so wird jede Planwirtschaft unmöglich.“ Kürzlich aber äußerte sich der sozialistische Bundesminister für Verkehr und verstaatlichte Betriebe anläßlich des bevorstehenden Zeichnungsbeginnes für die Energieanleihe 1953, daß man dieser Anleihe den Boden bereiten müsse, „denn wir brauchen diese Kredite in der nächsten Zeit außerordentlich dringend“; nämlich die Kredite des Privatkapitalisten, der so mit der Zeit auch für die marxistische Ideologie hoffähig geworden ist.

Einen weiteren Stein des Anstoßes hinsichtlich der Wettbewerbsfreiheit bildete im Johnstone-Bericht die Existenz der Kammern, insbesondere der Bundeshandelskammer. Tatsächlich aber sind die Kammern, welche die Grundsätze der Demokratie im Wirtschaftsleben verwirklichten, ehe diese sich in der Politik durchsetzten, Organisationen, in deren Rahmen Freiheit und soziale Bindung durch Aufrechterhaltung gesunder wirtschaftlicher und sozialer Gegebenheiten nebeneinander leben. Sie haben die Fähigkeit, die durch Sonderinteressen und durch die Spezialisierung der modernen Wirtschaft überall in Erscheinung tretenden gesellschaftsauflösenden Kräfte dem Gesamtinteresse unterzuordnen.

Schließlich kritisiert Johnstone die Kartellbildung in Oesterreich, mit der sich ja bekanntlich jetzt ein Gesetz zur Registrierung der Kartellbildung und zur Bekämpfung der mit ihr verbundenen Mißbräuche zu beschäftigen hat. Die aus dem großen amerikanischen Wirtschaftsgebiet hergeleitete Argumentation Johnstones für ein absolutes Kar-tcllverbot ist für ein Land mit kleinem Inlandsmarkt, mit Schutzzollsystem und mit Wirtschaftslenkung kaum anwendbar. Jedenfalls haben die bisherigen Entscheidungen der Kartellkommission eher die Licht- als die Schattenseiten der Kartellbildung hervortreten lassen; zum Beispiel: ein Kartell ist notwendig, da die Regelung des Exportes nur durch die Regelung des Inlandsmarktes erfolgen kann; Vereinbarungen über den Inlandsabsatz sind nötig, um ruinöse Preiskämpfe zu vermeiden; ein Kartell führt zum Verzicht auf hohe Preise, um stabile Absatzmöglichkeiten zu schaffen; Konditionenkartelle sind vom gesamtwirtschaftlichen Standpunkt zu begrüßen; eine regionale Aufteilung vermeidet unproduktive und preiserhöhende Frachtspesen usw. Von Wettbewerbseinschränkungen durch Kartellbildung war in der Spruchpraxis verhältnismäßig selten etwas zu hören.

Jeder Unvoreingenommene muß zugeben, daß der Johnstone-Bericht — ganz abgesehen von parteiideologischen Fehlschlüssen-schon deshalb ins Irreale abgleiten mußte, da er Länder von so verschiedenen Größenordnungen, wie die USA und Oesterreich, wirt-schafts-strukturell gleichschalten wollte und zugleich eine erstaunliche Unkenntnis der geschichtlichen, politischen, kulturellen und sozialen Entwicklung Oesterreichs aufwies. Das einzig Gute am Johnstone-Bericht ist die Tatsache, daß er eine sachverständige Replik auslöste, die geeignet ist, die wirtschaftsideologische Konsolidierung unseres Landes zu festigen.

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