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Verglichen mit den Bankenpleiten in Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und den USA, war der Wiener Bankkrach Im September 1974 ein leichter Fall: Die gesohäfts- politisch sehr aggressiv und spekulativ operierende „Allgemeine Wirtschaftsbank“ (AWB) am Stephansplatz war ein Aiiißenselter.,un’iep jdçh eher konservativen österreichischen Banken. Ihre Gründung erfolgte 1957, an ihrer Wiege standen so unterschiediliche Charaktere wie der ehemalige Minister für Vermögens- Sicherung und Wirtschaftsplanung, DDr. Peter Krauland, der deutschnationale Dr. Adolf Sandner und der Orthodoxe Jude Schmuel Retek. Peter Krauland besitzt knapp mehr als die Hälfte des Grundkapitals der

AWB (insgesamt 37,5 Millionen Schilling), der Rest entfiel auf Sandner und Retek je zur Hälfte.

Die „Allgemeine Wirtschaftsbank“ verdiente ihr erstes Geld beim Handel mit Ostvaluten („Exoten“), später wagte sie sich in den risikoreichen Goldimedaillenhandel vor, ohne dabei viel Geld ziu machen, Ende der sechziger Jahre ging sie eine Kooperation mit Bernie Com- felds lOS-Pleitefirma ein, aus der sie sich noch im letzten Moment — doch nicht ohne Imageverlust — absetzte. In der Folge agierte sie im Autoteilzahlungsgeschäft, das nach dem Ölschock auch nicht so gut wie in den frühen sechziger Jahren florierte. Sicherlich riskierte dieses Bankhaus auch einiges am Devisenterminmark, im wesentlichen aber war es damit beschäftigt, dem Firmenimperium des DDr. Peter Krauland Kredite zu verschaffen.

Zuletzt flössen fast 90- Prozent aller von der „Allgemeinen Wirtschaftsbank“ vergebenen Kredite an insgesamt 23 Kraulandfirmen.

Das Finanaministerium als oberste Bankaufsichtsbehörde übte an dieser einseitigen Konzentration der Kredite schon im vergangenen Jahr leise Kjitili, einige Banken. vor allem Privaüjapken —• bauten»; die Geschäftsbeziehungen mit der „Allgemeinen Wirtschaftsbank“ ab und im Zuge der bundesdeutschen Privatbankhysterie zogen schließlich Privatkunden und Banken ihre Einlagen beziehungsweise Zwischeneinlagen in einem größeren Ausmaß ab. Damit war die „Allgemeine Wirtschaftsbank“ zum Geschäftstod verurteilt.

Schon im Vorjahr gab es heftige Gerüchte um Peter Kraulands Absicht, die „Allgemeine Wirtschaftsbank“ abzustoßen. Angeblich wurde damals ein Verkaufspreis von rund 150 Millionen Schilling genannt. Unter den wirklichen Kaufinteressenten war freilich kein Institut bereit, mehr als 100 Millionen Schilling für die Wirtschaftsbank hinzMlegen. Dieser relativ niedrige Preis überrascht insofern, als die „Allgemeine Wirtschaftsbank“ an einem der besten Kundenplätze in Wien gelegen ist. Vis-à-vis erzielt die Zweigstelle Stock-im-Elsen der österreichischen Länderbank die höchste Bilanzsumme aller Länderbankzweigstellen in Wien. Der Valutenumsatz der „Allgemeinen Wirt- sohaftsbank“ dürfte zu den höchsten imter allen Wiener Bankinstituten zählen. Das Desinteresse an der „Allgemeinen Wirtschaftsbank“

dürfte sich vielmehr daraus erklären, daß mit der Bank auch der Minderheiitsaktionär Retek hätte mitübemammen werden müssen.

Nicht nur in der sozialistischen Presse wurde die Pleite der AWB zu einem Fall Krauland mit allen parteipolitischen Ingredienzen stilisiert.-Die ÖVP, der Peter Krauland bis 1951 angehört hat, wurde ins Spiel gebracht, die „Arbeiter-Zeitung“ wußte plötzlich, daß eine Partei, die es einmal mit Krauland zu tun gehabt hat, unmöglich geeignet sein kann, „die Wirtschaft wieder in Ordnung zu bringen“. So abwegig der Gedanke auch klingen mag, es scheint, als hätte ein gewisses ‘ parteipolitisches Interesse mitgespielt, den Zusammenbruch der „Allgemeinen Wirtschaftsbank“ voll auszukosten. Sicherlich hätte es seitens der verstaatlichten Großbanken, aber auch seitens der großen Privatbanken letztendlich ein Interesse am Erwerb der „Allgemeinen Wirtschaftsbank“ zu günstigeren Bedingungen als im Vorjahr gegeben.

In Österreich gilt das Prinzip des strengen Gläuibigerschutzes. Große Bankenbereiche, wie der Sparkassen-, Volksbanken- und Raiffeisensektor haben ein finanzielles Sicherheitsnetz, das gefährdete Institute auffängt, noch eihe das die Klientel erfährt. An den verstaatlichten Großbanken Creditanstalt-Bankver- ein, österreichische Länderbank und österreichisches Credit-Institut ist der Bund beteiligt, hinter den meisten österreichischen Privatbanken steht entweder ein hervorragender Name mit umfangreichen Geschäftsbeziehungen und persönlicher Vermögenshaftung (Schoeller & Co., Breisach, Pinschof & Schoeller, Kathrein & Co, Schellhammer & Schattera) oder eine Großbank (Brüll & Kallpius AG, Bankkommanditgesellschaft Winter & Co., Bankhaus Feichtner & Co. usw.).

Bankenkrachs sind in Österreich seit 1945 sehr dünn gesät: vor Jahrzehnten gingen die Bankgeschäfte des Kurt Offenberger ein, später kam es im Gefolge des sogenannten Müllner-Newag-Skandals zur Conti- Bank-Pleite, zuletzt mußte die „Allgemeine Wlrtsohaftsbank“ passen. In einem wichtigen Punkt haben alle Bankenkrachs in Österreich etwas Gemeinsames: noch kein einziger Sparer hat seit 1945 auch nur einen einzigen Schilling verloren. Auch die Pleite der „Allgemeinen Wirtschaftsbank“ wird hier keine Ausnahme machen.

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