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Das Ende der Mitsui, Mitsubischi

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Zu den wichtigsten Maßnahmen der Alliierten Machte gegenüber Japan gehört die Zerschlagung1 der großen Trusts, die bisher die Industrie und den Handel dieses Landes im weitestgehenden Ausmaße beherrschten. Eine ganz einzigartige Machtstellung war mit den vier großen Unternehmungen, das sind Mitsui, Mitsubischi, Sumitomo und Yasuda, verknüpft. Es waren ausschließlich Familienunternehmungen, die in ihren Anfängen bis in das 17. und 18. Jahrhundert zurückreichen. Der Struktur der japanischen Wirtschaft von damals entsprechend, befaßten sich die Vorfahren der Industriemagnaten von heute — oder besser gesagt von gestern — in der Hauptsache mit dem Handel; daneben aber zum Beispiel auch noch mit dem um jene Zeit noch wenig entwickelten Bergbau.

Eine neue Epoche setzte für sie sowie für das gesamte japanische Volk erst in dem Augenblick ein, als um die Mitte des 19. Jahrhunderts ein amerikanisches Kriegsschiff in den Hafen von Nagasaki einfuhr und die Öffnung des Hafens für den Verkehr mit der übrigen Welt erzwang. Damit ging die Periode einer streng durchgeführten Absperrung gegenüber dem Ausland zu Ende. Gleichzeitig besann sich aber _ ein ganzes Volk darauf, daß es ohne Modernisierung seiner Wirtschaft nicht mehr ging, wenn seine bisherige Unabhängigkeit auch weiterhin gesichert “ sein sollte. Ziemlich bald beginnt der japanische Staat mit der Verwirklichung einer Politik, die auf die Schaffung einer nationalen Industrie abzielt. Einige neue Fabriken errichtete die Regierung in eigener Regie; im übrigen förderte sie die private Initiative mit hohen Prämien und Schutzzöllen. Japan ist dabei zu keiner Zeit ein reiches Land gewesen. Die Zahl derjenigen, die von dem Angebot der Regierung Gebrauch machen konnten, blieb daher auf einige wenige Händler und Bankleute beschränkt. Praktisch genommen waren es nur die erwähnten Familien, die finanziell, stark genug waren, um Industriemagnaten im modernen Sinn des Wortes werden zu können. In den folgenden Jahrzehnten ist es im großen und ganzen bei diesem Zustand geblieben, das heißt auch dann, als der erste Weltkrieg für Japan eine Sonderkonjunktur allerersten Ranges schuf, welche die bisher viel zu schmale Kapitalsdecke des Landes wesentlich verbreiterte, hat sich an der völlig einseitigen Entwicklung an Besitzverhältnissen innerhalb der japanischen Wirtschaft nichts mehr geändert. Es läßt sich sogar noch eine weitere Zusammenballung von Handel, Finanz und Industrie feststellen, so daß sich zu Beginn des zweiten Weltkrieges beispielsweise mit dem Namen Mitsui die Vorstellung von einem Reichtum und einer .Machtstellung verbindet, wie man “sie . in keinem anderen Lande, auch nicht in den USA., in einer nur annähernden Form vorfindet. Es gibt zwar um diese Zeit in Japan auch viele andere Fabriksbesitzer, die es erst in den Jahren 1914—1918 zu ansehnlichem Vermögen brachten. Gegenüber den ins Gigantische gewachsenen Familienkonzernen wiegen sie aber doch nur federleicht.

Die Mitsui und die. anderen ihnen im Rang ungefähr gleichkommenden Familien sind nicht bloß an der Industrie, sondern im stärksten Maße auch am Bank- und Versicherungswesen sowie — mit Ausnahme vom Sumitomo — am Handel interessiert. Jeder der Konzerne besitzt eine eigene Großbank, so daß von den sechs großen Kreditinstituten des Landes nach einem Bericht des „Oriental Economist“ vom Jahre 1943 nur zwei als wirklich unabhängig gelten konnten. Im übrigen lassen sich aber trotz der Mannigfaltigkeit der Interessen, die den vier Konzernen ganz allgemein zu eigen ist, gewisse Unterschiede feststellen. So kontrollierte Mitsui vor Krieg s-ausbruch nicht weniger als 40% des g e s a ml e n A u.ß enhandels von Japan. Da nun Japan im Jahre 1936 Waren für 2,76 Milliarden Yen importierte und Güter im Werte von 2,69 Milliarden Yen exportierte, so bedeutet dies, daß die Mitsui allein Außenhandelsgeschäfte im Umfang von rund 2,18MilliarderiYenabwickelten. Ein besonderer Kommentar hiezu dürfte sidb wohl erübrigen, denn auf der ganzen Erde gibt es keine zweite Handelsfirma, die auch nur annähernd einen^ derart phantastischen Umsatz aufzuweisen hätte. Abgesehen vom Handel kommt den Mitsui aber auch in anderen Zweigen der japanischen Wirtschaft eine maßgebende Rolle zu. In ihren Händen befanden sich bei Kriegsbeginn die finanziell, stärkste Bank des Landes, zwei von den fünf größten Kohlengruben des Landes, ferner Schiffahrtsgesellschaften und Werften sowie Unternehmungen zur Erzeugung von Eisen und Stahl, Textilien, Chemikalien, - Papier und vielen anderen Industriegütern.

Die M i t s u b i s ch i - Gesellschaft, die sich bis heute im Besitz der Familie Iwasaki befand, verfügte über besonders ausgedehnte Interessen in der Schiffahrt sowie in der Werft-, Eisen- und Kohlenindustrie. Sie hatte vor allem die Anteile der Nippon Yusen Kaischa, das ist der größten japanischen Schiffahrtsgesellschaft in Händen. Die Sumi-t o m o waren vornehmlich im Bergbau, in der Verarbeitung von Buntmetallen sowie in der chemischen . Industrie tätig. Die Y a s u d a endlich sind von Haus aus eine alte Bankiersfamilie, die sich schon seit Jahren vornehmlich in den verschiedensten Kolonialunternehmungen im größten Stile betätigt.

Die Kontrolle der abhängigen Firmen erfolgte bei Yasuda genau so wie bei den anderen Familienkonzernen auf dem Wege über besondere Holdinggesellschaften, zum Teil jedoch auch mit Hilfe von Delegierten, die direkt für einzelne Unternehmungen abgestellt waren. Nicht eines gewissen pikanten Beigeschmacks entbehrt es, daß vor allem Mitsui und Mitsubischi schon vor dem Zweiten Weltkrieg jedes Jahr mehrere Millionen Yen als freiwillige Beihilfe für Heer und Marine zu spenden pflegten. Trotzdem hat es gerade unter den vielfach aus bäuerlichen Kreisen stammenden Offizieren der japanischen Armee immer wieder Kritiker gegeben, die ihre warnende Stimme gegenüber der übersteigerten Macht einiger unendlich reicher Familien erhoben. Im Laufe des zweiten Weltkrieges scheint jedoch im Hinblick auf die gewaltigen Aufgaben, die die vier Großkonzerne zu lösen hatten, der Widerspruch verstummt zu sein. Jedenfalls war der japanische Generalstab damit einverstanden, daß die Überwachung der industriellen Mobilisierung des Landes ausschließlich den Fachleuten der vier großen Konzerne übertragen wurde, wodurch deren Stellung eine beinahe schrankenlose Ausweitung erfuhr.

Wie in allen anderen unmittelbar am Kriege beteiligten Staaten kamen auch in Japan — und hier noch mehr als anderswo — die Heeresaufträge in erster Linie den Großbetrieben zugute, deren Übergewicht dadurch noch um ein weiteres verstärkt wurde. Weniger gilt dies für Mitsui und Yasuda. Dagegen sind Mitsubischi und Sumitomo nach allen während des Krieges aus Tokio in Europa eingelangten Meldungen zu den eigentlichen Schrittmachern der japanischen Rüstungswirtschaft geworden.

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