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Anfang vom Ende?

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Die österreichische Öffentlichkeit wurde zu Ende der vergangenen Woche von der Nachricht überrascht, daß zwischen der „Kronenzeitung“ und dem Gewerkschaftsbund ein Vergleich stattgefunden habe, der die Kronenzeitung über 7,5 Millionen Schilling kostete. Vielen Österreichern kam hiebei die Erinnerung an die Tage, vor der letzten Nationalratswahl. Damals war seitens des Gewerkschaftsbundes versucht worden, eine Beschlagnahmung der „Kronenzeitung“ zugunsten des ÖGB zu erreichen. Denn der Gewerkschaftsbund behauptete, sein seinerzeitiger Präsident Olah habe widerrechtlich Gewerkschaftsgelder für die Gründung der „Kronenzeitung“ zur Verfügung gestellt. Es wurde sogar der Betrag von 10 Millionen Schilling genannt. Die Beschlagnahme — die übrigens nicht aufrechterhalten werden konnte — machte damals böses Blut und war mit einer der Gründe, daß die SPÖ die Wahl verlor. Und jetzt kam es zu einem Vergleich mit einer Summe, die nicht mehr weit von den oben genannten 10 Millionen Schilling entfernt sind. Viele Österreicher werden sich fragen, welche Hintergründe bei diesem Vergleich mitge- spielt haben und welches Spiel hier überhaupt abrollte. Wirft die Erwerbung der Molden-Druckerei seitens der linken Reichshälfte, die am 1. Juli 1970 perfekt werden soll, schon ihre Schatten voraus? Jedermann weiß, daß die „Kronenzeitung“ durch einen Druckvertrag bis zum Jahr 1975 an die Molden-Druckerei

gebunden ist und aus dieser Verpflichtung nur aussteigen kann, wenn sie ein monatliches Pauschale von 200.000 Schilling bezahlt. Das sind 2,400.000 Schilling pro Jahr und bis 1975 rund 12 Millionen. Die jetzt bezahlten rund 8 Millionen dazugerechnet, ergibt das einen Betrag von 20 Millionen. Jedermann weiß auch, daß die Molden-Druckerei der „Kronenzeitung“ sehr niedrige Druckpreise berechnete, die wahrscheinlich mit ein Grund waren, daß dieser Großbetrieb in Schwierigkeiten geriet. Jede andere Druckerei, aber auch die Molden-Druckerei, müßten eigentlich Preise berechnen, die 20 Prozent über den jetzigen Preisen liegen. Das macht auch eine schöne Summe aus, die in die Millionen geht. Bessere Drudepreise könnte die Druckerei natürlich berechnen, wenn das Blatt ihr selbst gehörte. Und darauf scheinen wohl alle Aktionen hinzuzielen. Wenn dieser Wechsel aber eintritt, dann dürfte wohl kaum der jetzige Chefredakteur seinen Pasten behalten wollen. Und das wäre für die „Kronenzeitung“ ein ganz großer Verlust. Denn dieser Chefredakteur ist einer der großen journalistischen Könner Österreichs. Nach der steirischen „Kleinen Zeitung“, dem „Wiener Kurier“ ist die „Kronenzeitung“ die dritte Zeitung, die er hochgebracht hat Wenn er seinen Positen verließe, dann ginge sicherlich die Auflage radikal zurück. Aber dies würde vielleicht manchen Leuten gar nichts ausmachen.

Demokratie und Kirche

Der erste Priesterrrat der Erzdiözese Wien wurde vor kurzem gewählt. Die Wahlbeteiligung betrug fast 65 Prozent. Das Ergebnis der Wahl scheint überraschend zu sein: Denn die' Meisteri ' ' Stimmen erhielten nicht' progressive Geistliche. Weit an der Spitze figuriert Dechant Hesse, der auf der Wiener Synode als Sprecher der konservativen Gruppe aufgetreten ist. An zweiter Stelle steht Dr. Krätzl, der ehemalige Sekretär des Herrn Kardinals, an dritter Stelle Dr. Madinger und an vierter Stelle der Pfarrer von St. Gertrud, Dr. Schachinger. Die Namen sprechen für sich.

Die Wahl wird für manche eine Überraschung und für manche eine Enttäuschung gewesen sein. Wahrscheinlich aber nur für solche, die die wahre Stimmung des Klerus in der Erzdiözese Wien nicht kennen.

„A schön's Unglück“

Der Bürgermeister ermahnte die vor Wichtigkeit fast schon heiseren Reporter, sie mögen doch seine Wiener nicht überflüssigerweise in weitere Panik versetzen. Hier aber irrte Marek.

Nicht in Panik befanden sich die Wiener, als sich herumgesprochen hatte, die soeben fertiggestellte vierte Donaubrücke, die vorläufig namenlose, habe sich selbsttätig und unter kolossalem Krachen hoch über Strom und Ufer dreifach geknickt — sie befanden sich vielmehr, die Wiener, in einem trancehaften Zustand begeisterter Neugier und höhnischer Zufriedenheit. Mikrophone und Fernsehkameras offenbarten es. Vor einem Hintergründe strahlender Gesichter, dichtgedrängt für die historische Gruppenaufnahme, schilderten Ohrenzeugen mit Worten, die sich im Tonfall gehobenem Burgtheaterdeutsch, in der Melodik einem großen Opemflnale und im Rhythmus nachgerade dem jambischen Versmaß näherten, den Vorfall. In den Lüften geknallt habe es, deutlich, hell und gewaltig, etwa wie die Böllerschüsse bei einer Hochzeitsfeier oder bei einem bodenständigen Freuden- und Eröffnungsfeste, wie hieramts dergleichen üblich.

Endlich, nach langem, wieder ein schönes Unglück! Endlich, nach langem, wieder eine Bestätigung der ostösterreichischen Grundüberzeu-

gung, jedes große und wagemutige Unternehmen sei auf alle Fälle zum Scheitern verurteilt, daher gar nicht erst anzufangen und, wenn schon angefangen, aufzugeben, da könne man eh nix machen, denn „die Größe ist gefährlich und der Ruhm ein eitles Spiel“. Eine Bestätigung ferner, unseliger- und untergründigerweise, somit auch jener großen Illusion, von der wei te .Teile .unserer .Bevölkerung .seit 1955 leben: der .Illu- sion 'nämlich, künftighin allen Ris- ken, allen Wagnissen, allen Entscheidungen entronnen, durch Neutralitätserklärung aus der Weltgeschichte ausgetreten und bis ans Ende der Tage nur noch herzig zu sein.

Der Traumbaum

Endlich hat sich eine Firma etwas Neues einfallen lassen. Nicht immer wieder diese Traumautos, die Traumreisen, die Farbfernsehapparate, die Traumküchen, die Bungalows, die bei Preisausschreiben zu gewinnen sind, nein, diesmal winkt als Preis ein — festlich geschmückter Christbaum!

Man muß es zweimal lesen aber dann atmet man auf: Vorbei die aufreibende Jagd nach der schönsten Edeltanne, vorbei die Plackerei mit dem Schmücken und dem Kipferl- bačken, endlich vorbei sind Opas Zeiten, in denen er als Kind sehnsüchtig durchs Schlüsselloch lugte, ob nicht das Christkind schon das Bäumchen gebracht habe! Jetzt, da seine Enkel das große Wort führen und auf eine ausgefüllte Postkarte — Porto zahlt der Empfänger — in den Reklameschrei ausbrechen: Gewonnen, gewonnen, gewonnen, bleibt vielleicht nur noch eine, allerdings bange Frage offen: Was für ein Gewinn ist wirklich so ein Gewinn?

Freundliche Fronten

Eine durch die Erkrankung Kardinal Döpfners bedingt kurzfristig ergangene Einladung, an Stelle des Erzbischofs von München-Freising auf einer Tagung über die römische Bischofssynode zu sprechen, hatte Prof. P. Karl Rahner SJ nach Wien geführt. Überflüssig zu bemerken, daß es ein sehr beachtenswerter, sehr kritischer und sehr pointierter Vortrag war. Danach, zwischen Tür und Angel schon, fragte jemand den prominenten Jesuiten, ob er wisse, daß er in Wien nicht nur von sogenannten Progressiven zitiert werde, son

dern daß die jüngste Nummer det „Entscheidung“ auf Seite 1 ein Rahner-Zitat bring®, worauf er die Authentizität des Zitates vollauf bestätigte. Soweit, so selbstverständlich und schon beinahe uninteressant. Erstaunlich doch die weite Reaktion. Er sei sich wohl bewußt daß er des öfteren einen „Zweifrontenkrieg“ zu führen habe und finde das nicht weiter tragisch. Damit, in einem solchen Fall nicht von beiden Seiten angegriffen, sondern von beiden Seiten zum Zeugen aufgeru- fen und sehr positiv reklamiert zu werden, hafte er, offenkundig nach Erfahrungen anderswo, gar nicht erst gerechnet. Soll man da nicht wieder einmal konstatieren, daß die Wiener Atmosphäre doch eine freundliche ast?

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