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Linksrutsdi am Zeitungsmarkt

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Wiens Zeitungsmarkt gerät in Bewegung. Zwar ist an der Oberfläche noch nicht viel zu sehen, doch im Untergrund rumort es. Eines der wenigen Ereignisse, die die Oberfläche jetzt erreichen, ist das Erscheinen einer neuen Wochenzeitung, der „Neuen Wochenausgabe“, die Fritz Peter Molden erworben hat und in geänderter Form und zum mäßigen Preis von S 4.50 herausgibt.

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Wiens Zeitungsmarkt gerät in Bewegung. Zwar ist an der Oberfläche noch nicht viel zu sehen, doch im Untergrund rumort es. Eines der wenigen Ereignisse, die die Oberfläche jetzt erreichen, ist das Erscheinen einer neuen Wochenzeitung, der „Neuen Wochenausgabe“, die Fritz Peter Molden erworben hat und in geänderter Form und zum mäßigen Preis von S 4.50 herausgibt.

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Fritz Peter Molden, einer der größten Druckereibesitzer Österreichs, ehemals Eigentümer und Herausgeber der Tageszeitungen „Die Presse“ und des „Express“, dürfte trotz zahlreicher Dementis seine Druckerei mit Wirkung vom 1. Juli 1970 an eine Finanzgruppe verkauft haben, die Sich in Händen der „linken Reichshälfte“ befindet. Gleichzeitig wurde auch bekannt, daß die Druckerei Elbemühl, bekannt durch ihre große Tiefdruckanlage, in sozialistische Hände überging. Damit befinden sich von den sieben Großdruckereien Wiens vier in „linkem“ Besitz, nämlich Globus, Vorwärts, Elbemühl und Molden.

Hoher Preis

Es wurde viel herumorakelt, warum die Sozialisten die beiden Großdruckereien zu erwerben versuchten bzw. erwarben. Einer der Gründe ist die Tatsache, daß die Druckerei Vorwärts technisch überaltert ist und ihre Modernisierung fast ebensoviel Geld kosten würde wie der Erwerb der beiden genannten Druk- kereien. Dieser Erwerb kann außerdem leicht durch den Verkauf des großen Häuserblocks, in dem sich die Vorwärts-Druckerei befindet, finanziert werden, während sich eine Modernisierung der Vorwärts-Druk- kerei nicht so leicht durchführen ließe. Außerdem wäre der Umbau produktionshemmend gewesen. Und wer würde diesen Häuserblock erwerben? Natürlich die Gemeinde Wien.

Außerdem darf bei diesen Erwerbungen das Problem „Kronenzeitung“ nicht außer acht gelassen werden. Die „Kronenzeitung“ ist bekanntlich eine unabhängige Zeitung, die aus ihrer Unabhängigkeit in Form der Kritik an der sozialistischen Politik kein Hehl macht. Mit ihrer Massenauflage, die am Sonntag 850.000 Exemplare erreicht und sich sicher noch steigern wird, erreicht sie ungewöhnliche österreichische Höhen. Es kann der SPÖ nicht gleichgültig sein, daß diese Zeitung nicht in ihrem Sinne schreibt. Mit dem Erwerb der Molden-Druckerei hoffte die SPÖ ohne Zweifel, irgend-

welchen Einfluß auf die „Kronenzeitung“ zu erhalten. Denn auf den ersten Blick weiß jedermann, daß nur die technischen Einrichtungen des Molden-Hauses imstande sind, die „Kronenzeitung“ herzustellen. Aber so schnell gaben die Eigentümer der „Kronenzeitung“ das Rennen nicht auf. Und weil sie sehr gute Improvisatoren sind, stellten sie den Plan auf, daß die drei übrigen „bürgerlichen“ Großdruckereien zusammen die „Kronenzeitung“ herstellen sollten.

Die SPÖ sah plötzlich einen großen Druckauftrag der neuerworbenen Druckerei dahinschwinden, der ihr nicht gleichgültig sein kann, und außerdem ihr Fernziel, nämlich die „Kronenzeitung“ von ihrem unabhängigen Kurs abzubringen, in Nichts zerfließen.

Gerüchte, die neuerdings auftauchten, besagen, daß man sich deshalb bemühe, die „Kronenzeitung“ direkt zu erwerben. Ob das gelingen wird, ist fraglich, denn der Preis der

„Kronenzeitung" ist mittlerweile sehr hoch. Als vor einigen Jahren Fritz Peter Molden die „Kronenzeitung“ zu erwerben trachtete und die Verhandlungen bereits vor dem Abschluß standen, scheiterten sie schließlich an den zu hohen Forderungen eines der drei Gesellschafter. Der Erwerb der „Kronenzeitung“ würde den Sozialisten außerdem die Möglichkeit geben, ihre „Neue Zeitung“ einzustellen und damit das ständige Anwachsen ihres Defizits man spricht von 30 Millionen zu stoppen.

Vorstoß aus Graz?

Würde die „Kronenzeitung“ aber tatsächlich in sozialistischen Besitz kommen, dann wäre dies wahrscheinlich der Augenblick, in dem die Grazer „Kleine Zeitung“, die bisher schon mit einer Kärntner Ausgabe erscheint, den Sprung nach Wien wagen würde. Bisher stehen sich die beiden größten Zeitungen Österreichs im Kleinformat in einem Art „Gentleman’s Agreement“ gegenüber. Die „Kronenzeitung“ hat es bisher vermieden, eine eigene Grazer Ausgabe herauszugeben, sofern die „Kleine Zeitung“ keine Wiener Ausgabe herausbringt. Mit dem Übergang der „Kronenzeitung“ in sozialistische Hände würden diese Rücksichten für die „Kleine Zeitung“ wegfallen.

Während die Linke ihr Imperium so immer weiter auszubreiten sucht, stehen dem „Rechts“ nur mäßige Bestrebungen gegenüber. Der Plan, das „Volksblatt“ ganz einzustellen, den eine Gruppe der ÖVP vor Jahren vertrat, ist allerdings fallengelassen worden. Die Frage geht hauptsächlich dahin, wie das Zentralorgan der ÖVP rationalisiert und seine Verbreitung gesteigert werden kann. Vor Jahren schon wurde der Plan geäußert, aus dem „Volksblatt“ ein Kopfblatt zu machen, das mit Lokalredaktionen in Linz und Salzburg und dementsprechend mutierten Ausgaben versuchen sollte, längs der Westbahn weite Verbreitung zu erlangen. Der Plan sieht vor, daß die Verbreitung finanziell nicht nur vom österreichischen Verlag getragen werden sollte, sondern von allen Verlagen, die an dem Gelingen eines solchen Planes interessiert sein sollten, nämlich den Pressvereinen von Wien bis Salzburg. Wenn dieser Plan gelingen sollte, würde endlich auch im Lager der ÖVP ein großzügiges Projekt zur Stützung und Verbreitung des „Volksblattes“ vorhanden sein.

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