Ein Publikumserfolg, wie ihn die Volksoper schon lange nicht verbuchen konnte: Heinz Lukas-Kindermann inszenierte Lortzings „Zar und Zimmermann". Eine Produktion, die Regietheater-Modernismen konsequent vermeidet, dafür aber Lortzing partitur- und librettogetreu auf die Bühne bringt.Kindermann läßt ein fröhliches Verwechslungsspiel um den echten und den falschen Zaren Peter I. abschnurren, der sich hier als Schiffszimmermann verdingt hat. Asher Fisch am Pult gibt der Aufführung zündendes Tempo und Frische. Aus dem soliden Ensemble ragt Boje Sko-vhus als imponierender Zar Peter
Das Thema stammt aus Englands grausamem Mittelalter, der Text vom Shakespeare-Zeitgenossen Christopher Marlowe, die Musik von dem 26jährigen Salzburger Komponisten Georg Jenisch: Die „wiener tascheno-per" zeigt im Studio Moliere die Uraufführung der Oper „Edward IL", eines „Königsspiels" um die unglückliche Beziehung zwischen Edward und seinem Günstling Gaveston. Regisseur Nicolas Tress, Dirigent Peter Bergamin und ein profiliertes junges Ensemble ist eine dichte Aufführung unter Hochspannung gelungen, in der vor allem Marcus Mies (Edward), Edna Prochnik (Königin)
Ein „Renner" im Spielplan der Staatsoper: Kenneth MacMillans „Manon" (nach Jules Massenet) läßt das Publikum jubeln. Ein „literarischesBallett", das mit Geschmack, feinen Pointen und bravourösen choreographischen Einfällen die Geschichte Manons erzählt: das Leben der kleinen Verführerin, deren Träume von Schönheit und Luxus sie ins Elend treiben und in der Strafkolonie enden lassen. Die Staatsoper bietet dafür eine Besetzung der Spitzenklasse auf: Dirigent James Tuggle, Simona Noja als zerbrechliche Manon, die Glanz und Elend des Kurtisanendaseins mit schwereloser
Wenn Vladimir Malakhov in der Staatsoper tanzt, ist das ein Ereignis. Und das Publikum kommt in Scharen. Ballettchef Benato Zanella cho-reografierte nun für den jungen Bussen Glucks „Orpheus"-Arie „Ach ich habe sie verloren" in der Interpretation von Maria Callas: „Mon Euridi-ce" nennt sich die Uraufführung, die die „modernen" Qualitäten des klassischen Tänzers Malakhov ins rechte Licht rückt. Zanella, dem AusstatterJordi Böig und dem bravourösen Tänzer gelingt es, den Lamento der Callas in beeindruckende Bewegungslinien zu übersetzen.Eine Klage der großen
Wagners „Meistersinger von Nürnberg” sind in den großen Opernhäusern längst Raritäten. Die Staatsoper hat sie jetzt in Otto Schenks Inszenierung und Jürgen Roses Bühnenbildern wieder. Mit dem „Bayreuther” Peter Schneider am Pult wurde die Neueinstudierung zum Triumph, vor allem für Bernd Weikl. Hans Sachs ist eine seiner Glanzpartien, die er mit höchster Wortdeutlichkeit, warm leuchtendem Timbre und fabelhaftem Durchhaltevermögen singt. Ein Schuster-Philosoph zwischen Weltverbesserung und Weltverneinung, der seine Dialoge mit einem Schuß Ironie pfeffert. Adrianne Piezonka
Seit 1. September ist Renato Zanella Direktor und Chefchoreograph des Wiener Staatsopernballetts. Als „Einstieg” zeigte er sein „Konzertantes Duo” (Premiere), „LaChambre” und „Empty Place” (im Repertoire). Ein Abend vom Feinsten: Konsequent zeigt er Strenge der Bewegungen, kühle Ästhetik zwischen klassischen Erfahrungen und modernem Ausdruck, phantasievolles Spiel mit Formen und Gesten. Brigitte Stadler und Tamäs Solymosi tanzten das „Duo”, das bereits 1991 in Stuttgart zum Kultstück wurde: Ein Licht- und Schattenspiel aus Anziehung und Abgestoßenwerden, Ratlosigkeit
Als Oskar Kokoschka, der „Oberwildling”, 1907 seinen ungebärdigen expressionistischen Text „Sphinx und Strohmann” schrieb, empfanden seine Zeitgenossen das Dramolett als Aufforderung zum Aufbruch in eine neue Welt der grellen Farben und Bilder. Jetzt wählte der niederösterreichische Komponist Beinhard Süss das Libretto als Vorlage für einen Operneinakter, den die „Neue Oper Wien” im Jugendstiltheater in einer unterhaltsamen Inszenierung von Stephan Bruckmeier vorstellt.Den wilden, heißen Atem hat der Komponist in seiner musikalischen Verarbeitung dem Werk Kokoschkas genommen.
Zuerst ein Triumph mit Strauss' „Elektra”, dann ein Absturz in den Konzerten, obwohl Publikum und Kritiker eigentlich ein musikalisches Ereignis erwartet hatten: Claudio Abbado, Sir Georg Solti und die Berliner Philhamoniker absolvierten ihre drei Konzerte der Salzburger Osterfestspiele bloß mit Bou-tine. Im Zentrum des Zyklus der Osterfestspielkonzerte stand die Aufführung von Verdis „Missa da Requiem” mit den hervorragend studierten Chören der Wiener Staatsoper und der Prager Philharmonie.Herbert von Karajans legendäre Salzburger Interpretationen sind da auch heute noch das Maß,
Luis Lima ist der neue Poet E. T. A. Hoffmann, der in der Staatsoper die Herzen der Damen mit seinen Liebesphantasien höher schlagen läßt: Ein Gratwanderer, dessen Huldigungen an die Schönen ein ums andere Mal in erschreckenden Bildern des Todes enden.Lima singt „Hoffmanns Erzählungen” von Jacques Offenbach nach Domingo und Shicoff: Auf seine Art, überaus kultiviert, mit Durchschlagskraft.An seiner Seite die brillante junge Viktoria Loukianetz, die als Olympia die Koloraturen eindrucksvoll perlen läßt - eine Entdeckung! -; Ildiko Raimondi, eine Antonia mit warm leuchtendem Sopran;
In den vergangenen Jahren mußte man bei den Konzerten der Salzburger Festspiele zwischen „konventionellen“ Konzerten und „Reformprogrammen“ unterscheiden - und auch Festspielintendant Gerard Mortier sah das so. Doch heuer ging man einen anderen Weg: Auch die glanzvollen Konzerte der Wiener Philharmoniker unter Riccardo Muti, Bernard Haitink, Mariss Jansons, Pierre Boulez, des London Symphony Orchestra unter Sir Georg Solti, des Mahler-Jugendorchesters unter Claudio Abbado, bekamen neue Akzente, ein neues Profil.Sie rückten plötzlich näher an den mutigen, vom Publikum nicht gerade
Arien, die Mozart für berühmte Opernsänger als „Zuckerln“ in seine Opern einfügte oder die er als Aufputz für Galakonzerte komponierte, entfalten nun ihr Eigenleben. Ursel und Karl-Emst Herrmann zeigen für die Salzburger Festspiele im Salzburger Residenzhof ihre Mozart-Collage „Ombra felice“, ein Spiel um Liebesleid und Liebesfreud’, das um die Arie vom „Glücklichen Schatten“ arrangiert wurde.Ein Kunst-Puzzle — Regie-Maßarbeit der Firma Herrmann & Herrmann. Echt ist da nur Mozart; die Geschichten sind „Kunst-Stoff* und die Figuren „Kunst-Figuren“ aus der
Nancy Gustafson, die bei den Salzburger Festspielen 1995 Alban Bergs Lulu singen wird, war an der Wiener Staatsoper nun die Arabella in Richard Strauss’ gleichnamiger Oper. Sie gefällt durch den mädchenhaften Charme ihres Spiels und ihren frisch leuchtenden, kultiviert geführten Sopran; dennoch - manche Details dieser an seelischer Entwicklimg reichen Partie wird sie sich erst erarbeiten müssen. Ihrem dramatisch auftrumpfenden Man-dryka Wolfgang Brendel war sie eine verläßhche Partnerin. Rundum aber war es eine mittelmäßige Aufführung: von Leopold Hager am Pult ebenso wie vom
Mozarts „Idomeneo“ zählt nicht zu den Publikumsrennern. Die Staatsoper hat aber eine kluge Inszenierung Johannes Schaafs und des Dirigenten Nikolaus Harnoncourt im Fundus, deren Neueinstudierung man nun Colin Davis übertragen hat. Er versucht, die „Idomeneo“-Klangdrama- turgie Harnoncourts für seine konservativeren Mozart-Vorstellungen und Klangbedürfnisse zurechtzubiegen und das gelingt immerhin in schöner Ausgewogenheit.In der Reihe der Debüts, die dieser Neueinstudierung beinahe Premierenglanz gaben, beeindruckte das von Anne Sofie von Otter am meisten: sie singt den zum
Olivier Tambosi inszenierte in bewährter Weise für die Neue Oper Wien Gaetano Donizet-tis „Don Pasquale" im Jugendstiltheater: Ein Schabernack, bei dem der Schwerenöter Pasquale auf einem Berggipfel seinen Geldsafe bewacht und Norina als Strand-Girl im Reigen der Reach Boys posiert. Nach dem Warum zu fragen, ist natürlich nicht opportun (und angesichts der ebenso komischen wie flotten Aufführung auch nicht nötig). Walter Kobera läßt das junge Amadeus-Ensemble frisch musizieren. Und die Besetzung, angeführt vom komödiantischen Pasquale Andreas Martin und der bezaubernden Norina
Allzu rar macht sich Claudio Abbado heuer bei seinem Festival Wien modern im Konzerthaus. Zwar verfolgte er im Konzert des Scharoun-Ensembles der Berliner Philharmoniker die Wiedergabe der „Hommage für T. S. Eliot" (1987) von Sofia Gubai-dulina und die Erstaufführung „This Silence" (1992) von Mark-Anthony Turnage vom Parkett aus; selbst leitete er aber nur Bernd Alois Zimmermanns Kantate „Omnia tem-pus habent" (1957). Doch da zeigte er, mit welcher Intensität er so spröde, kunstvoll gebaute Musik gleichsam von innen her zum Leuchten bringt, wie er die
Eine junge Sopranistin, mit der die Wiener Staatsoper in Hinkunft Staat machen kann: Die Ungarin Andrea Rost debütierte an der Seite des Publikumslieblings Luis Lima in der Titelpartie von Donizettis „Lucia di Lammermoor". Hübsch, etwas zerbrechlich, mit frisch leuchtendem Sopran. Die Koloraturen der Wahnsinnsszene sitzen perfekt und leuchten kalt. Ein irrlich-ternder Auftritt, der zur erschreckenden Todesszene wird. Daß Andrea Rost zuletzt vor Aufregung den letzten Spitzenton nicht schaffte, minderte diese Leistung kaum. Wien hat da eine neue Lucia.Enttäuschend allerdings die
Das vom 26. Oktober bis 26. November stattfindende Festival „Wien modern", das heuer zum sechsten Mal abläuft und unter der Leitung Claudio Abbados längst internationalen Ruf hat, überrascht sein Publikum heuer gleich zu Beginn mit monumentalen Werken:Mit dem „Requiem für einen jungen Dichter", des 1970 in den Freitod gegangenen Deutschen Bernd Alois Zimmermann und mit der Lukas-Passion des Polen Krzysztof Penderecki wurden nicht nur überwältigende erste Höhepunkte des Festivals gesetzt, das schon in der ersten Woche zwölf Konzerte und Gesprächskreise über elektronische
In der Staatsoper ist Donald Runnic-les fürs erste einer der meistbeschäftigten Dirigenten: Wagners „Ring des Nibelungen" leitet er ebenso wie die neue Serie von Richard Strauss' „Salome" mit dem „Mef'-Star Catherine Malfitano. Vor allem in „Siegfried" und in „Götterdämmerung" zeigte er seine Hand für große dramatische Bögen, für Wagners kühne Steigerungen und wilde Klangmalereien. Runnicles liebt effektvollen Farbenzauber, er umhüllt die Sänger mit einem schimmernden Klanggewand und fordert Bühnenpersönlichkeiten wie Hildegard Behrens als Brünnhilde
Es war eine ausgelassene, sonntägliche Matinee in der Josefstadt mit Texten von und über Peter Altenberg, und das Überraschende lag vielleicht darin, wie blendend es das Wiener Publikum allemal versteht, den Bruch zwischen dem Gestern und Heute zu kitten. Diese Art von Rückschaulichkeit — immerhin ist Altenberg vor 55 Jahren gestorben —, ist sie nicht Bestandteil künstlerischer „Weltanschauung“? Sie hat nichts zu tun mit der nostalgischen Fin-de-siecle-Stimmung, die in den Gazetten derzeit als Trend durchgegeben wird.Was Altenberg betrifft, so kann man ihn wahrscheinlich nur noch
Gerd Bacher, Generalintendant des ORF, muß auf das Jahr 1971 warten, um die Chancen seiner Wiederbestellung absehen zu können. Die Gesellschafterversammlung des ORF — die praktisch der Bundeskanzler repräsentiert — hat ihm die Entlastung aus formalen und grundsätzlichen Erwägungen verweigert. Und dagegen wird dem ORF-Geschäftsführer auch kein Rechtsmittel möglich sein.
Wiens Zeitungsmarkt gerät in Bewegung. Zwar ist an der Oberfläche noch nicht viel zu sehen, doch im Untergrund rumort es. Eines der wenigen Ereignisse, die die Oberfläche jetzt erreichen, ist das Erscheinen einer neuen Wochenzeitung, der „Neuen Wochenausgabe“, die Fritz Peter Molden erworben hat und in geänderter Form und zum mäßigen Preis von S 4.50 herausgibt.
Bekanntlich hat die Sozialistische Partei beziehungsweise ihre ökonomische Versammlung den Entwurf eines Programms für die Reform der österreichischen Wirtschaft vorgelegt. Kapitel 10 dieses umfangreichen Elaborats behandelt die Neugestaltung der Agrarpolitik.Der erste Satz lautet: „Die Bauern sind Opfer einer falschen Agrarpolitik.“ Warum die Agrarpolitik falsch ist und wieso die Bauern das Opfer dieses Fehlers sind, wird nirgends erklärt. Der negative Satz ist propagandistisch gut, lapidare Sprache ist in der Politik erwünscht. Da aber die Fehler nicht diagnostiziert sind, fehlt es
Schon Goethe meinte, alles Lebendige sei nur ein Gleichnis. Um wieviel mehr der Wein, dieses lebendigste aller Getränke! Nicht umsonst heißt es, daß,_ wo die Rebe gedeiht, auch die Kultur zu Hause ist. Aber wenn schon diese besondere Verbundenheit von Wein und Kultur und Kultur und Wein als Tatsache hingenommen werden darl, ist denn da wirklich ein Museum der richtige Ort, ihm, dem Wein, eine Stätte zu bereiten? Ernst Jünger hat schon vor vielen Jahren behauptet, daß in den Museen sich die Todesseite unserer Wissenschaft oiienbate, im Wein aber pulst lebendigstes Leben im wörtlichen wie