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Altenberg-Matinee

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Es war eine ausgelassene, sonntägliche Matinee in der Josefstadt mit Texten von und über Peter Altenberg, und das Überraschende lag vielleicht darin, wie blendend es das Wiener Publikum allemal versteht, den Bruch zwischen dem Gestern und Heute zu kitten. Diese Art von Rückschaulichkeit — immerhin ist Altenberg vor 55 Jahren gestorben —, ist sie nicht Bestandteil künstlerischer „Weltanschauung“? Sie hat nichts zu tun mit der nostalgischen Fin-de-siecle-Stimmung, die in den Gazetten derzeit als Trend durchgegeben wird.

Was Altenberg betrifft, so kann man ihn wahrscheinlich nur noch in Wien unwidersprochen lesen. Uber die Grenzen Wiens ist er nicht bekannt geworden, literarisch lebte er quasi von der Hand in den Mund, was er gerade beobachtete, beschrieb er, vorzugsweise im Kaffeehaus, für längere Exkurse hatte er keine Zeit... Über seine in dreizehn Bänden zusammengefaßten, meist kurzen Texten kann wohl nur der urteilen, der die Bereitschaft mitbringt, gerade in diesen winzigen Beobachtungen des Durohsohnittlichen, des Alltäglichen, das Essentielle herauszuhören, essentiell, weü es die menschliche Gesellschaft oft treffend charakterisiert. Seine Impressionen sind in Sekundenschnelle gefaßt, und wie ein Tusch gehen sie ins Ohr. Da steht neben Bedeutsamem auch Banales, neben tief Empfundenem auch der Kitsch.

Die Zusammenstellung und Auswahl der Texte besorgte sehr umsichtig Ulf Birbaumer, es gibt kaum ein für den Dichter typisches Thema, das nicht Erwähnung fand. Aufgeteilt in verschiedene Kapitel entwirft Altenberg vor dem Zuhörer Begegnungen und Beobachtungen „Im Stadtpark“ oder „Im Volksgarten“, in denen wir gelegentlich auch P. A.'s soziales Anliegen erkennen, lernen wir ihn eher als Lebensphilosophen denn als Denker kennen, übervolles „Frauenlob“ geht an das von ihm ein Leben lang tief verehrte weibliche Geschlecht, sehr hübsch die Erinnerungen an die Matura, an die erste Liebe.

Zwei Stunden waren für diese Matinee wohl etwas zu lang, doch die meisterlich vorgetragenen Texte in einem als Cafe Griensteidl eingerichteten Bühneninterieur, ließen kaum Langeweile aufkommen. Susi Nicoletti, Klaus Maria Brandauer, Harald Harth und Otto Schenk lasen leger ihre Texte, in hölzerne Zeitungshalter gefaßt — auch das ein hübscher szenischer Einfall. Das Publikum dankte mit lebhaftem Applaus.

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