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Macht und Elend

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Von einem wirklichen Einfluß dei Presse auf die politische Meinung wird man daher nur von Fall zu Fall eprechen dürfen. Am ehesten gelingt dies noch Zeitungen wie „Bild“, das sowohl auf das zunehmend nationalistischer werdende Klima in der Bundesrepublik wie in Einzelfällen einen nachweisbaren Einfluß hatte In manchem ist der Springer-Konzern mit dem Hugenberg-Zeitungs-konzern von vor 1933 vergleichbar der bei der Machtergreifung dei Nationalsozialisten eine erheblich« Rolle spielte. Auch seine Erzeugnis» waren damals gegenüber den Nationalsozialisten nicht ohne kritische Reserven, wie es heute „Bild“ unc die Springer-Presse der NPD gegenüber sind, doch haben sie das Klims vorbereitet, in dem Hitler gedeiher konnte. Es hat etwas Beklemmende! an sich, 22 Jahre nach dem Ende Hitlers die unerhört starke, kaum nocl einzuschränkende Macht eines „rechten“ Pressekonzerns in Deutschlanc zu sehen. Zwar geht Axel Springe: der Fanatismus Alfred Hugenbergi ab. Auch ist er ohne politische!

Ehrgeiz. Aber seine Erscheinung ist in ihren Auswirkungen kaum weniger beunruhigend.

Was die Springer-Presse so ärgerlich macht, ist jenes unerfreuliche innerbetriebliche Klima, das die Mehrzahl der dort beschäftigten Journalisten nicht das schreiben läßt, was sie meinen, sondern das, von dem sie annehmen, daß es Axel Springers Meinung entspricht. Karl Hermann Flach beschrieb dieses Klima in seinem Buch „Macht und Elend der Presse“ folgendermaßen: „Aus einem beiläufigen .sollten wir nicht' oder .könnten wir nicht einmal' wird in den Redaktionskonferenzen häufig nur ein kurzes .Herr Springer wünscht' “. Das hat dazu geführt, daß die Redaktion der „Welt“ in den letzten Jahren eine Reihe ihrer wichtigsten Mitarbeiter verlor. Der von Berlin und der Mauer geradezu besessene Axel Springer sorgt so dafür, daß, auch wenn er es gar nicht will, dieses Thema in seinen Zeitungen ununterbrochen wiederholt wird. Besonders übel hat sich diese Meinungsdiktatur bei den Berliner Studentenunruhen ausgewirkt. Da Springer den Berliner Studenten verständnislos gegenüberstand, entwickelte sich in der von ihm zu 66,5 Prozent beherrschten Berliner Presse eine ausgesprochene Hetze, die nicht unerheblich zu Studentenkrawallen beigetragen und die Atmosphäre gefährlich vergiftet hat. Es kam da eine gerade für „Bild“ charakteristische kleinbürgerliche Intellektuellenfeindschaft zum Vorschein, die mit jener des Nationalsozialismus eng verwandt ist. Bekanntlich hat Goebbels virtuos auf dieser Leier zu spielen verstanden. Inzwischen scheint Springer einen Teil der gemachten Fehler eingesehen zu haben. In letzter Zeit bemüht sich die „Welt“ jedenfalls auffallend um Verständnis für die Studenten.

Nicht minder beunruhigend ist, daß sich, obwohl das Zeitungssterben weitergeht, weit und breit kein zweiter Zeitungskonzern zeigt, der mit Springer auch nur am Rande vergleichbar wäre. Von 255 selbständigen Redaktionen 1954 sind 1966 noch 172 übrig gewesen. Versuche des Süddeutschen Verlags, durch Aufkauf der „Stuttgarter Nachrichten“ zu einer süddeutschen Konzentration zu kommen, sind nicht weiter gediehen. An Bedeutung gewonnen haben die im Bucerius-Verlag herauskommende Wochenzeitung „Die Zeit“ und die Illustrierte „Der Stern“. Während „Die Zeit“ immer mehr zur repräsentativsten Wochenzeitung wird, hat der „Stern“ unter Henri Nannen nicht ungeschickt auch in der Politik Fuß gefaßt und an Bedeutung und Auflagenzahl die anderen Illustrierten „Quick“. „Bunte Illustrierte“ und die „Neue Illustrierte“ weit zurückgelassen. Der „Stern“ muß heute unter die Presseorgane gerechnet werden, die zeitkritisch auch zu politischen Fragen Stellung beziehen. Bucerius kann jedoch, obwohl „Die Zeit“ und der „Stern“ die weitverbreitetsten Erzeugnisse ihres Genres sind, mit Springer nicht in den Ring treten.

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