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Ohne WAZ? Ein Witz!

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Michael Graff will es jedenfalls versuchen: Ein neues Gesetz soll das „Krone-Kurier-WAZ“-Kartell zur Entflechtung zwingen. Und es nicht nur anderen verbieten.

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Michael Graff will es jedenfalls versuchen: Ein neues Gesetz soll das „Krone-Kurier-WAZ“-Kartell zur Entflechtung zwingen. Und es nicht nur anderen verbieten.

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FURCHE: Gibt es überhaupt noch eine Möglichkeit, das „£ro-ne-Kurier-WAZ“-Kartell zu bändigen?

MICHAEL GRAFF: Selbstverständlich. Eine Neuregelung, die derartige Zusammenballungen im Medienbereich nicht zuläßt, würde zwar nicht rückwirkend die geschlossenen Verträge für nichtig erklären, aber für die Zukunft maßgeblich sein. Gruppierungen, die diesen Regelungen nicht entsprechen, würden dann von der Behörde den Auftrag erhalten, innerhalb einer angemessenen Frist eine Entflechtung vorzunehmen. Also etwa Beteiligungen durch Verkauf zu reduzieren.

FURCHE: Es kommt immer wieder das Argument, eine — auch grenzüberschreitende — Medienkonzentration sei nicht aufhaltbar, sogar Ausdruck von EG-Reife. Wäre eine solche Regelung, wie Sie sie anstreben, EG-konform?

GRAFF: Freilich. Denn die EG-Staaten haben Kartell-Regelungen, und die EG selber bereitet eine Richtlinie vor, die eben zur Sicherung der Konkurrenz und des freien Marktes marktbeherrschende Konzentrationen einzudämmen versucht. Es ist ja grotesk, wenn die WAZ-Männer am „Iserlohner-Boten“ nicht mehr als 24 Prozent halten dürfen, weil ihnen sonst das Deutsche Kartellamt dazwischenfährt, ihnen aber unsere Rechtslage gestattet, an den zwei größten Medien Österreichs substantielle Beteiligungen zu erwerben. Wobei ja der „Kurier“-Konzern neben der Tageszeitung auch die Nachrichtenmagazine „profil“ und „Wochenpresse“ und außerdem „trend“, „Basta“ und noch andere Titel hält.

FURCHE: Wie rasch und konkret können Schritte erfolgen?

GRAFF: Wir sind jetzt dabei, die Regelungen in den Nachbar-

Staaten und in den EG-Ländern, aber auch die geplanten EG-Maßnahmen, zu sammeln und zu prüfen. Wenn ich in meiner Partei — und in der Folge beim Koalitionspartner - die entsprechende Zustimmung finde, so könnte das alles noch heuer über die Bühne gehen.

FURCHE: In Ihrer Partei könnte es da größere Schwierigkeiten imHinblick auf eine Entflechtung geben, weil die bisherigen „£u-rier“-Alleineigentümer Industrie und Raiffeisen der OVP ja nicht fernstehen.

GRAFF: Das mag schon sein. Ich hätte es allerdings gerade von den Vertretern einer marktwirtschaftlichen Philosophie erwartet, daß sie selbst soviel Zurückhaltung aufbringen, solche Zusammenballungen zu vermeiden.

Die Marktwirtschaft, wie wir sie verstehen, nämlich die soziale Marktwirtschaft, beruht auf Wettbewerb, verlangt aber, daß der Wettbewerb auch gesichert werden muß, wo er bedroht ist. Dort, wo Wettbewerbsbeeinträchtigungen durch Konzentrationen eintreten, muß der Staat eingreifen.

FURCHE: Ihr Kollege Heinrich Keller hat sich auch für eine Neuregelung des Kartellrechts ausgesprochen, hält allerdings eine rückwirkende oder auch zur Entflechtung zwingende Regelung nicht für denkbar.

GRAFF: Es wäre ein Witz, eine Neuregelung jetzt für den „Inn-viertler Boten“ oder das „Kleine Kirchenblatt“ zu machen, aber die bereits eingetretene Konzentration bestehen zu lassen. Das wäre eine Augenauswischerei. Ich sage noch einmal: Was ich vorhabe, ist keine rückwirkende Regelung, sondern ein neues Gesetz, das eine entsprechende Anpassungsfrist enthalten muß für alle, die ihr nicht entsprechen.

FURCHE: Diese Regelung soll im Prinzip ausländische Kapitalbeteiligungen nicht ausschließen ?

GRAFF: Es kommt hier rechtlich nicht auf Inland oder Ausland an. Politisch halte ich es allerdings —50 Jahre nach der Okkupation Österreichs durch Hitler-Deutschland — für befremdend, daß es gerade ein deutscher Konzern sein mußte, der bei den beiden größten Tageszeitungen Österreichs so massiv einsteigt. Ich habe Verständnis dafür, daß der „Kurier“ einen kapitalstarken Partner gesucht hat. Er hätte sich aber erstens nicht denselben wie die „Krone“, und zweitens.

wenn sich schon keine Österreicher finden, einen Schweizer oder sonstigen Kapitalgeber suchen können.

FURCHE: Der Deal wird als kaufmännisch-technischer Schulterschluß heruntergespielt.

GRAFF: Wenn ich eine Zeitung wie den „Kurier“ habe, der einmal die führende Tageszeitung des Landes war, und die „Krone“ läuft mir davon, weil sie offenbar besser geführt ist, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ich kann mich selbst bemühen, stärker und besser zu werden, das ist die marktwirtschaftliche, die auf Konkurrenz bedachte Philosophie. Die ist mir sympathisch. Ich kann natürlich auch darauf hinarbeiten, den Wettbewerb zu minimieren und mich mit dem Konkurrenten verbrüdern. Diese Variante ist mir die weniger sympathische.

FURCHE: Minimierung im ökonomischen Bereich...

GRAFF: Ich glaube gerne allen Beteiligten, daß sie die Verbrüderung auf den wirtschaftlichen Bereich, auf die Druckerei und den Vertrieb beschränken und einen Einfluß der Kapitalgeber auf die Redaktionen nicht haben wollen. Ich glaube auch, daß die Journalisten das glauben, sonst müßten sie sich ja gleich die Kugel geben. Trotzdem muß es nicht immer so sein, wie es beim „Kurier“ zugegebenermaßen war, nämlich, daß die Eigentümer in der eigenen Zeitung nicht viel zu reden haben. Ich glaube aufs Wort, daß ein tüchtiger Zeitungsmann wie Herr Dichand mit 55 Prozent in seiner Zeitung mehr zu reden hat als die bisherigen „Kurier“-Eigentümer mit 100 Prozent.

Ich gestehe durchaus zu, daß die WAZ-Männer nicht jeden Tag durch telefonische Anrufe die

Schreibweise die ses oder jenes Kolumnisten beanstanden werden. Aber früher oder später ist ein Ressortleiter, ist ein Chefredakteur, ist ein Herausgeber neu zu bestellen. In der letzten „Wochenpresse“ sagte ein leitender WAZ-Mann in schöner Offenheit, es sei vereinbart, daß „die sensiblen Bereiche der redaktionellen Personalpolitik ausschließlich von den Aktionären entschieden werden“. — Tableau! Das heißt: Wer zahlt, schafft an. Dieser Einfluß, der dann über die bestellten Personen weiterwirkt, ist es, den ich in dieser Dichte und ausgerechnet aus Deutschland nicht haben möchte.-

FURCHE: Ihnen ist schon klar, daß es jetzt zu einer Kraftprobe zwischen „£rone-Kurier“ und Politik kommen wird, die Rückschlüsse auf Durchsetzungsvermögen zuläßt?

GRAFF: Natürlich muß eine solche Zusammenballung Politiker beunruhigen. Ich bin selber gespannt, ob die Angst vor dem neuen Kartell schon jetzt durchschlägt, wo man noch etwas ändern kann.

Mit dem Vorsitzenden des parlamentarischen Justizausschusses und OVP-Justizsprecher Michael Graff sprach Hannes Schopf.

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