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Kurt Diemans Austro-Scop

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Wieder wurde - wie schon oft - der Rundfunk Ausgangspunkt und Wendepunkt der innenpolitischen Entwicklung: Der 28. September 1978 ist deshalb nicht nur ein wichtiges Datum in der Rundfunkgeschichte Österreichs: er ist auch ein solches in der gesamten österreichischen Zeitgeschichte.

Die Medienpolitik der derzeitigen sozialistischen Regierungspartei, bislang gekennzeichnet von traumatischen Komplexen, sachlichem Desinteresse, fachlichem Unvermögen und totalitärem Machtanspruch, ist am Ende der Sackgasse angelangt, in die sie der „Spezia-

list“ Karl Blecha hineingeführt hat. Das Gerangel der beiden „Flügel“, des „Oberhammerflügels“ und des „Zilkflügels“, machte den tiefen Riß nur noch einschaubarer, der in den eigenen Reihen von der höchsten Parteihierarchie bis ins Fußvolk hinunterreicht.

Da sprangen drei der SPÖ zugerechnete Kuratoren plötzlich aus dem mechanischen Parteigetriebe aus, das auch die Betriebsamkeit im ORF-Kuratorium bis zu jenem 28. September beherrschte. Ihr Absprung lag indes auf der Linie, die der Parteivorsitzende - bis zum Sommer noch so etwas wie „insge-heimer ORF-Generalintendant“ -angesichts der Uneinigkeit in der eigenen Partei einzuschlagen gezwungen war.

1974 ergriff Kreisky noch Partei für Oberhammer, den Juristen, der ,Jur vieles vorbereitet“ sei; 1974 wählte Kreisky höchstpersönlich Intendanten aus; 1974 mischte er sich auch in die Generalintendantenwahl und in die Wahl des Hörfunkintendanten ein. Das muß - ohne Nachträgerei - heute zum besseren Verständnis der Entwicklung der Lage nochmals betont werden.

1978 mußte sich Kreisky lange Zeit einer für ihn immer untypischer werdenden weisen Zurückhaltung befleißigen, ehe er sich im letz-

ten Moment, und auch recht zaghaft, für die „Kontinuität im ORF“ aussprach: die Formel, die Benya für seinen Schützling Oberhammer vorgedacht hatte. Die Wochen vor dem 28. September haben gezeigt, daß nicht einmal ein Kreisky so ohne weiteres mehr tun und lassen kann, was er vielleicht gerne möchte.

Dann kam das eigentliche Ereignis: die größte Demonstration demokratischer Freiheit, die es seit langem in Österreich gab: Drei Menschen - Parteimenschen vermutlich noch dazu! - demonstrierten, daß es sehr wohl noch auf den einzelnen und die individuelle Entscheidung ankommt, wenn Wichtiges für die Allgemeinheit entschieden wird. Die anonyme Massengesellschaft ist nicht total zu entpersönlichen, zu entindividualisieren, zu entmenschlichen! Das ist der Triumph des 28. September 1978: ein Triumph der Menschlichkeit, der - wenn er sich weiter durchsetzt -das Leben ganz allgemein lebenswerter, menschenwürdiger machen könnte.

Was nach dem 28. September geschah, schränkt jedoch solche Hoffnung wieder ein: Da begann in den Organen jener Partei, die seit Generationen eine Vorhut der Demokratie war, die abscheulichste Personenhetze: Man berief sich auf eine „Flut von Protesten“, man verdächtigte und beschimpfte, unterstellte und drohte, wie das nach 1945 kaum geschehen ist. Den Gipfel erstieg der Jungsozialist Albrecht Konecny: Er forderte im Fernsehen von den drei Kuratoren, die' der Stimme ihres Gewissens mehr gehorcht hatten als dem Kommando ihres Vergatterers Blecha, die Preisgabe ihres Wahlgeheimnisses.

Die Fratze der totalitaristischen Inquisition mitten unter uns: in den Spalten demokratischer Zeitungen, auf Parteivorstandssitzungen, auf dem Bildschirm - die Warnung darf bei den kommenden innenpolitischen Auseinandersetzungen nicht überhört werden!

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