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Probleme nicht nur weglächeln!

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Daß in Österreich und in Wien im speziellen die meisten Sachprobleme in Personalprobleme umgemodelt werden, hat Hans Weigel schon vor 20 Jahren verraten, und beim Zeus, es war schon damals eine Untertreibung. Heute hat dieses Wort Lehrsatzcharakter wie die Dreiecksthese des Pythago-ras. Manchmal fragt man sich, ob es überhaupt noch irgend jemanden in diesem Land gibt, der von Karajan mehr wissen will, als ob ihm sein Taktstock aus der Hand fällt, und der vom Bundeskanzler mehr als ein väterliches Gebrumm erwartet.

Seit Wochen tobt die Schlacht um die Neubesetzung der obersten ORF-Organe. Wer hat sich die Mühe gemacht, zu untersuchen, wie gut oder wie schlecht die Programme in den letzten vier Jahren wirklich gewesen sind, wo es aufwärts und wo es abwärts ging, und wie und warum?

Man ist für oder gegen Oberhammer, H je nachdem, ob man für oder gegen Benya oder Broda ist. Man möchte Zilk im Sattel sehen, wenn man Dagmar Koller oder die „Kronenzeitung“ oder den Haarschopf des Kandidaten sympathisch findet, und den Bacher möchten viele einfach deshalb, weil ihn sein Freund Ironimus als Tiger so sympathisch zeichnet.

Uber die Qualitäten, die ein Generalintendant mitbringen soll, ist in der Öffentlichkeit nie diskutiert worden, über das, was dem ORF gut täte, schon gar nicht. Die Bewerber selbst haben, Zilk ausgenommen, in ihren schriftlichen Bewerbungen kaum Programmandeutungen gemacht, und was einzelne Kuratoren bei der Befragung aus ihnen herausgeholt haben, wird wie die berühmte Pastete in Andersens Märchen gehütet - damit wir ja alle dumm sterben, die wir mit unseren Beiträgen den ORF am Leben zu halten haben.

Die Wahlkämpfe in Wien und in der Steiermark laufen nach demselben Rezept ab: Obwohl die Hauptstadt Österreichs voll schwerer (und keinesfalls ausschließlich von der Regierungspartei gebauter) Probleme steckt, läßt ein gütig strahlender Landesvater nicht einmal eine Diskussion darüber' aufkommen: Gesiegt wird mit Lächeln. An der Donau wie an der Mur.

Die Massenmedien fördern diesen Trend heftig, indem sie Gut- und Schlechtpunkte nach einer Fernsehdiskussion in Boxkampfmanier nahezu ausschließlich nach Augenschein vergeben: Ob einer clever, aggressiv oder ruhig war, wird bewertet - und nicht gefragt, wer die besseren Argumente oder die dürftigsten Antworten vorgetragen hat.

Vom designierten FPÖ-Obmann will ein Reporter wissen, warum er mit konkreten Sachaussagen um so viel mehr geizt als mit markigen Sprüchen, aber das, worauf er vertröstet wird - eine „Grundsatzerklärung“ am Parteitag - werden wohl wieder markige Sprüche sein.

Man verkauft uns Zahnpasta und Fernsehschminke, und wir lassen es uns gefallen, ja ermutigen diesen Stil. Unter solchen Umständen birgt die Prophezeiung kein Risiko: Wir werden auch, wenn der Finanzminister seine Budgetrede gehalten hat, wieder nicht nach der Verwendung unserer Steuermilliarden, sondern bestenfalls nach der Verwendung seiner Steuerberatungsmillionen fragen, was (auch mathematisch) tausendmal kleiner - und kleinkarierter ist.

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