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Kanzler im Aufbruch (nach Mallorca)

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Staatsoper und Burgtheater haben schon einige Zeit geschlossen. Jetzt machen auch die politischen Varietes der Reihe nach für die Ferien dicht.

Seiner „Eigenart“ (Kurt Skalnik in seiner Begrüßung) gemäß, will Kanzler Bruno Kreisky bei seiner Abschiedsvorstellung im Presseclub Concordia zuerst Fragen von den Journalisten hören. Man möchte meinen, die Fragen stehen ohnehin für alle sichtbar im Raum; zum greifen nahe;

zum Beispiel der ORF!

Ungeachtet der fast fleischlichen Präsenz der Frage nach dem ORF erhebt sich einer der journalistischen Frager und fragt: „ORF!?“

Worauf die Mimik des Kanzlers, mit der er zu sprechen versteht, ohne zu sprechen, in jene Maske schlüpft, die auch ein Professor benützt, wenn sein Schützling genau das ausspricht, was er sich erwartet hat.

„Um die Frage des ORF habe ich mich nur insoweit gekümmert, als ich nach dem Gesetz dafür zuständig bin ... ich habe mit dem ORF - mit seiner Gestion - nichts zu tun“, sagt der Kanzler, wobei seine Worte nun als zweite Sprache neben jene der Mimik hinzutreten. Daß es Meinungsverschiedenheiten über die Person des zukünftigen Generalintendanten gibt, bestätigt der Kanzler: „... das zu leug-

nen, hätte keinen Sinn!“ Er habe zu dieser Frage weder öffentlich noch intern Stellung genommen, nähert sich der Kanzler dem heißen ORF-Brei. Er werde sich um die Beilegung dieser Meinungsverschiedenheiten bemühen, versichert er.

„Aber das wird sicherlich nicht vor dem Sommer geschehen“, klärt der Kanzler alle Frager restlos auf - in einer Tonart, die historischen Erklärungen vorbehalten ist.

Als hätte er das Wort Oberhammer in den Mund genommen. Oder Zilk.

(Daß er sein Gewicht als Parteivorsitzender auf keine Seite legen wolle, sagt Kanzler Kreisky auch ganz nebenbei, um wenige Stunden darauf mit seinem ganzen Gewicht den Hochzeits-Heurigen des frischgebackenen Ehepaares Zilk zu verschönern [was nicht nur Kreisky, sondern auch Anton Benya und ORF-Chefkurator Othmar Slunsky taten].)

Nach dieser Standortbestimmung in Sachen ORF richtet sich das Interesse der Fragesteller auf die Steuern: Genußvoll, listigen Blickes lehnt sich Kreisky zurück, um einmal zu zeigen, was Kanzler-Bonus wirklich ist (Kunstpause): „Ich glaube, es gibt bei Adam Smith einige Regeln darüber, wie Steuern beschaffen sein sollen ..., und die sind bis heute in keiner Weise überholt.“ Wohl hätten sich die Aufgaben des modernen Staates erheblich

geändert. Er werde dafür sein, „daß man zuerst einmal in so einer Kommission prüft, inwieweit sich die Dinge vereinfachen lassen ... Ja ?!?!? ...“

Das abschließende Ja ist das eigentliche Resultat: fragend, befehlend, feststellend, belehrend in einem. Ein Ja, das alle Deutungen zuläßt.

In der Frage nach den Kosten der Atommüllagerung in Ägypten ist bei Kreisky heute weniger als gar nichts zu holen. Uber die Millionen oder Milliarden in diesem Zusammenhang wolle er nicht reden, denn der Unterschied sei: mal 1000, „wenn ich richtig unterrichtet bin“, vertraut sich der Kanzler blindlings den Experten an.

Ganz genau hat er aber die Angelegenheit mit der Staatsverschuldung im Kopf. Die ist nämlich nicht exorbitant hoch. Hätten wir diese Staatsverschuldung nicht auf uns genommen, hätten wir sechs oder sieben Prozent Arbeitslose. Wie in Belgien: „Das wäre in Zahlen ausgedrückt 180.000 ... Ja!?!?!“

Zum Nachtisch (den lästigen innenpolitischen Alltag versüßend) wird Außenpolitik gereicht. Thema: Dissidenten.

„Ein großer Staat läßt sich durch Druck von außen in seiner Innenpolitik nicht beeinflussen.“ Und: „Das alles gehört unter die Überschrift: dejä vu!“ Und:'„Wenn ich demonstrieren will, dann muß ich mich in den Chor der Protestierenden einreihen -Ja ?!?!?... Wenn ich etwas erreichen will, dann muß ich mich auf individuelle Akte beschränken.“

Ein letztes Mal brilliert der Kanzler, ist er ein mit überschüssigen Formulierungskräften erfüllter Staats-Kanzler. Alles freut sich, bewegt sich in seiner Mimik. In der Außenpolitik ist er wirklich sattelfest. Da wischt er sich sogar mit dem weißen Schneuztuch einmal quer übers Gesicht.

Bevor er nach Mallorca entschwindet.

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