Provokant kommerziell

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Am 17. Jänner startet der österreichische Privatfernsehkanal ATV.

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Am 17. Jänner startet der österreichische Privatfernsehkanal ATV.

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Der Mann kennt die Probleme. "Die Rahmenbedingungen für unseren Sendestart sind denkbar schwer, denn Österreich ist medienmäßig ein unterentwickelter Markt", meint Tillmann Fuchs. Der langjährige Mitarbeiter in der RTL-Chefredaktion wird ab 17. Jänner, wenn "ATV", Österreichs erster landesweiter privater TV-Anbieter, auf Sendung geht, die Geschicke des ambitionierten Projektes lenken. "Wir sind dennoch sehr optimistisch, daß wir im ersten Jahr rund fünf Prozent Marktanteil erringen können".

"ATV" wird das marode Stadtprogramm "Wien 1" mit einem 24-Stunden-Vollprogramm ablösen. Freilich wird "ATV" vorerst nur über Kabel zu empfangen sein. Damit erreicht "ATV" etwa eine Million Haushalte (35 Prozent technische Reichweite) in ganz Österreich. Eine terrestrische, also über normale Hausantennen empfangbare Ausstrahlung, steht derzeit noch nicht zur Debatte.

Dafür aber neue Inhalte: "Wir werden überraschend jugendlich und österreichisch daherkommen. Unsere Zielgruppe sind die 12- bis 49jährigen, weil die für die Werbewirtschaft interessant sind", meint Fuchs. Im Gegensatz zum großen Konkurrenten ORF, der eher die Älteren bediene, werde "ATV" provokatives Programm machen, "zwischen trivial und anspruchsvoll". Hinter "ATV" steht neben dem Kabel-Riesen UPC und der Bawag auch der Münchner Filmhändler Herbert Kloiber mit seiner "Tele München"-Gruppe, die "ATV" mit Spielfilmen und Serien-Dutzendware beliefern wird. Für innovatives Nischenprogramm, etwa ein Uni-Fernsehen oder Experimentelles aus dem Kulturbereich bleibt da wenig Platz. "Es stimmt, wir agieren in erster Linie kommerziell und zeigen Mainstream-Ware. Wir wollen zwar provokant sein; daß es aber dadurch kulturell wird, bezweifle ich. Wir setzen auf bewährte Konzepte", so Tillmann Fuchs, der lieber auf Nummer sicher geht.

Das Programm werde "österreichischer als RTL & Co. und frecher als der ORF" sein. Überhaupt wolle man primär den deutschen Sendern Kabel-Seher wegschnappen. "Der ORF ist eindeutig Platzhirsch in Österreich. Gegen ihn zu programmieren hätte keinen Sinn", meint Fuchs. "Der ORF ist zudem der einzige Sender, der das Prädikat "öffentlich-rechtlicher Privatsender" verdient, wenn man ihn etwa mit dem ZDF in Deutschland oder der SRG in der Schweiz vergleicht".

Das Vorabendprogramm von "ATV" soll das Aushängeschild des Senders werden. Hier wird kräftig eigenproduziert: Drei Talkshows, ein Boulevardmagazin, ein Comedy-Format und Nachrichten sind bis zur "Prime Time" um 20.15 Uhr zu sehen. Danach gibt es Filmware aus dem Archiv. Die Talkshows und das Boulevardmagazin orientieren sich an deutschen Vorbildern, erhalten jedoch eine "österreichische Note". Die Nachrichten will Fuchs nicht bloß als Alibi-Handlung verstanden wissen: "Wir wollen hier echte Kompetenz zeigen." Mit dem Comedy-Format will man sich bei "ATV" noch etwas Zeit lassen. "Wir werden völlig neue Comedy-Talente im Stile der amerikanischen "Stand-Up-Comedians" aufbauen, da die meisten bekannten Spaßmacher bei ORF fix unter Vertrag sind", so Tillmann Fuchs.

"Wichtig ist, daß wir ein österreichweites Programm machen. Wir werden in unseren Talkshows ebenso Wiener wie Tiroler sitzen haben", meint Fuchs. Lokale Berichterstattung a la "Bundesland heute" wird es aber nicht geben: "Wer in Österreich Fernsehen macht, bringt bereits ein Lokalprogramm", so Tillmann Fuchs, der ob seiner deutschen Medienvergangenheit in europäischen Maßstäben denkt.

Fernsehen kostet allerdings Geld. Über ein Gesamtbudget schweigt sich Fuchs aus. "Nur so viel: Wir haben sehr wenig Geld. In Deutschland könnte man damit nicht einmal Radio machen".

Das Ziel von "ATV" sei es, die jüngere Alternative zum ORF zu sein. Im Gegensatz zur deutschen Konkurrenz wolle man mehr jenes österreichische verkörpern, das jenseits von Lederhosen und Wien-Lastigkeit liegt. Wir werden zeigen, daß dieses Land auch eine junge, frische Identität besitzt".

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