„Arte“ für Private?

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Gegenpol zum Trash-Fernsehen: Mit „Servus TV“ will „Red Bull“-Chef Dietrich Mateschitz seit Oktober Privatfernsehen mit öffentlich-rechtlichem Charakter machen. Einen Markt für Qualitätsfernsehen gibt es auch hierzulande, schätzen Kommunikationswissenschaftler.

Der Name klingt mehr nach einer Wetterpanorama-Dauersendung denn nach Qualitäts-Vollprogramm. Servus TV, das könnte ein rustikaler Gemütlichkeits-Erzeuger mit Landler-Musik sein, doch das Gegenteil ist der Fall. Der Sender von Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz, der Anfang Oktober seinen Betrieb aufnahm und aus dem Lokalsender Salzburg TV hervorging, will nämlich der erste Privatsender sein, der öffentlich-rechtliche Inhalte sendet. Also keine Konkurrenz für den boulevardlastigen ATV, keine für den urban ausgerichteten Puls 4. Aber für den ORF, dem Servus TV mit intelligentem Programm zu Leibe rückt.

Um es auf die Worte von Servus TV zu bringen: „Klare Formate. Großartige Highlights. Bessere Unterhaltung. Das ist – vereinfacht dargestellt – der Anspruch von Servus TV.“ Also meilenweit vom Wetterpanorama entfernt. „Der Name Servus TV entstand, weil wir im Alpen-Donau-Adria-Raum senden, also überall dort, wo man ‚Servus‘ als Grußformel verwendet“, erläutert Servus-TV-Pressesprecher Johannes Legard.

Die ersten inhaltlichen Eindrücke des neuen Kanals sind denn auch einigermaßen interessant: Statt eine weitere Abspielstätte für alte Film- und Serienware zu sein, fokussiert der Sender auf die Themenfelder Unterhaltung (Menschen und ihre Geschichten, Filme, Musik), Kultur („Schönes Leben“, Brauchtum, Musik), „Leben & Bewegen“ (Sport) und Entdecken (Wissen, Reise, Dokus & Reportagen). Anspruchsvolle Dokus und Diskussionsrunden, aktuelle Themen und kulturelle Highlights stehen am Spielplan, eingewandet ist das Ganze in ein modernes Design, das ein bisschen an jenes des Kultursenders Arte erinnert. Wichtig sind bei Servus TV die Gegensätze: „Unser Programm ist anspruchsvoll, aber nicht intellektuell. Kritisch, aber nicht parteipolitisch. Breit gefächert, aber keinesfalls ein Massenprodukt. Es richtet sich an ein weltoffenes und vielseitig interessiertes Publikum“, steht auf der Website www.servustv.com zu lesen. Derzeit ist das Programm bereits in den größten heimischen Kabelnetzen, via Satellit oder terrestrisch via DVB-T empfangbar. „Wir bauen unsere Reichweite schrittweise aus, das braucht noch etwas Zeit“, so Legard.

Beinahe heimlich on Air gegangen

Zeit will sich der Sender auch noch in Bezug auf sein Programmschema nehmen: Dietrich Mateschitz ist – für ihn eher untypisch – still und beinahe heimlich mit Servus TV on Air gegangen. Ohne große Werbekampagne, ohne viel Aufsehen. Nicht einmal die Mitarbeiter seiner übrigen Firmen hätten vom genauen Sendebeginn gewusst, munkelt man in der Branche. Jetzt tauchen vereinzelt Print-Anzeigen in den heimischen Qualitätsblättern auf, doch die sind ebenso unauffällig wie vornehm gestaltet, dem kühlen, anspruchsvollen Sender-Layout verpflichtet.

Ein Vorgehen, hinter dem Hannes Haas, Vorstand des Wiener Publizistik-Instituts, eine Strategie vermutet: „Es ist mittlerweile gar nicht so unüblich, in einem schreienden Markt nicht zu schreien“, so der Kommunikationswissenschafter.

„Der Grund für unseren leisen Start ist, dass wir das Ganze noch ein bisschen als Testbetrieb sehen“, räumt Johannes Legard ein. „Wir brauchen noch Zeit, das Programm zusammenzubauen und zu justieren. Auch in den Programmzeitschriften werden wir erst ab Dezember aufscheinen.“ Wann es „so richtig los“ geht, „das wollen wir uns offenhalten“, sagt Legard.

Doch schon jetzt ist das Angebot vielfältig: In literaTOUR besucht Moderator Thomas Rottenberg bekannte Autoren in ihrer Heim- und Wirkstätte (diese Woche Eva Rossmann im Weinviertel), die Reihe Wir sind Österreich stellt kurz besondere Menschen vor, bei Zu Gast im Ikarus treten die besten Köche der Welt abwechselnd im Restaurant Ikarus des Hangar-7 auf, um dort gemeinsam ein Menü des Monats zu kreieren. Das Brauchtum-Magazin Hoagascht will Volksmusik, Riten, Sitten und Gebräuche aus dem Sendegebiet vorstellen, dazu gibt’s Kulinarisches unter dem Titel Wohl bekomm’s, etwa über die Kunst der Käseerzeugung.

„Scientia potentia est“ et cetera

Damit noch lange nicht genug: Talk im Hangar 7 ist eine wöchentliche Talkshow mit Isabella Richtar, und sogar eine Kinosendung unter dem Titel Lichtspiele wird geboten. Ex-Wettermann Andreas Jäger gibt in Scientia potentia est – Wissenswert Einblicke in die Welt der Wissenschaft, dazu gibt es eine Fülle von Dokus und Reportagen, die dem ARTE-Stil näher liegen als etwa jenem von RTL 2 und Co.

Im Sport-Bereich wird eng auf die Verzahnung mit Red Bull gesetzt. Dort gibt es das Red Bull Air Race zu sehen, Wakeboarding oder Snowboarding, Hauptsache extrem. Und Hauptsache mit Red Bull als Sponsor. Synergieeffekt nennt man das.

Trotz der Qualitätsvielfalt wäre es für Hannes Haas noch zu früh, den Sender nachhaltig zu beurteilen: „Man muss abwarten, ob der Anspruch, öffentlich-rechtliches Programm zu senden, dauerhaft erfüllbar ist.“ Bei Servus TV selber ist man jedenfalls davon überzeugt: „Für uns ist vollkommen klar: Trash-Programm wird es auf Servus TV nicht geben“, sagt Legard. „Keine Dschungel-Camps, keine Call-In-Sendungen, keine Gerichtsshows. Wir schielen nicht gleich auf die Quote. Alle hier sind der Meinung, dass es eine Basis von Menschen gibt, die Qualität im Fernsehen schätzen und suchen.“

Auch Hannes Haas glaubt das: „Servus TV ist sicher kein Schnellschuss. Da liegt eine genaue Marktprüfung zugrunde, die offenbar zu dem Schluss kommt, dass es Bedarf an öffentlich-rechtlichen Inhalten gibt.“ Haas schätzt, dass 15 bis 20 Prozent der Österreicher für Qualitätsmedien Interesse aufbringen. Ein gar nicht so kleiner Markt.

Der Qualitätsanspruch von Servus TV ist für Haas jedenfalls eine „intelligente Positionierung. Vorausgesetzt, man hat die entsprechenden Mittel und einen langen Atem. Aber das dürfte in diesem Fall wohl gegeben sein“.

Wie lange ist also der Atem? Man gibt sich, wie oft bei Geschäften von Dietrich Mateschitz, wortkarg. Johannes Legard: „Dazu kann ich momentan leider nicht antworten. Nur soviel: Das Projekt ist langfristig angelegt, sicher nicht nur auf ein oder zwei Jahre.“

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