Gescheite machen Programm für Blöde. (Oder umgekehrt?)

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Wenn Sie schon meckern, daß sich die Furche zu wenig mit dem Fernsehen befaßt", - ich hatte diesbezügliches in einem Leserbrief geäußert -, "dann schreiben Sie halt selber was!" sagt der Redakteur. Er sagt es natürlich viel höflicher. "Okay. Und was?" "Niedergang eines Mediums, oder so ähnlich ..."

Da sitze ich nun. Und habe jede Menge Probleme.

Klar, auf die Frage, ob das Fernsehprogramm immer schlechter wird (das ist ja wohl mit "Niedergang eines Mediums" gemeint) kann ich nur "Ja! Jaa!! JAAA!!!" schreien, aber das ergibt noch keinen Artikel von 8.000 Zeichen. Also muß ich mir wohl oder übel was einfallen lassen.

Nächstes Problem: Wenn ich mich mit dem Fernsehen befasse, dann eben nicht nur als Konsumentin, sondern auch als Produzentin, das heißt als Filmemacherin, die diesem Medium von Zeit zu Zeit ein Stück Programm liefert. Und da gerät man beim Kritisieren sehr schnell in den Verdacht, nur Mißgunst und Konkurrenzneid loswerden zu wollen. Kann sein, daß da was dran ist. Aber damit muß ich leben.

Nächstes Problem: Mir fallen eine Menge Fragen ein, aber keine Antworten; eine Menge Anfänge, aber keine Schlußfolgerungen; eine Menge Symptome, aber keine Therapievorschläge. Nützt es dem/der werten Leser/in, wenn er/sie am Ende meint: "Ja, das finde ich auch!" So what? Und dann? In solchen Fällen sagt man gern "Denkanstoß". Paßt immer. Und ist ja auch nicht so schlecht.

Nun denn - ein Anfang muß her. Wie wär's damit: Vor einiger Zeit lief im Hauptabendprogramm ein Arztfilm. Zu erwarten war das Übliche, weiße Kittel, Herz und Schmerz. Ich habe probeweise zugeschaut und bin dann hängengeblieben, 90 Minuten lang.

Gleich nach dem Abspann läutete das Telefon. Eine Freundin war dran: "Hast du eben diesen Film gesehen?!" Und dann waren wir uns minutenlang einig in unserem Glück, endlich wieder einmal einen brauchbaren Fernsehfilm erlebt zu haben.

Dabei war gar nichts "Besonderes" dran: gute Schauspieler, eine intelligente Geschichte, ein Konflikt, der durch Zivilcourage gelöst worden ist, etwas Liebe und Humor zum Drüberstreuen - also: Abendunterhaltung pur, so angenehm wie ein gutes Essen oder ein Gespräch mit Freunden. Und ich habe mich gefragt, warum sowas im TV immer seltener vorkommt.

Nun muß man allerdings dazusagen, daß sowohl ich als auch die anrufende Freundin schon jenseits der Fünfzig, also für die Fernsehmacher nicht mehr interessant sind, denn die starren alle auf die Altersgruppe der 24- bis 49-jährigen, die angeblich eher auf Werbung reinfallen. Und weil Werbung das Programm finanziert (zunehmend auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern), will die Werbewirtschaft ein Programm haben, das sich die Leute von 24 bis 49 anschauen. Und was schauen die, bitteschön?! Schauen die "Musikantenstadl", "Wetten, daß?", "Traumschiff", Rosamunde Pilcher oder "Vom Kinderzimmer auf den Babystrich"? Schauen die Serien, in denen zwar viel (teure!) Action, aber keine vernünftige Geschichte vorkommt?

Wer hat beschlossen, daß Menschen zwischen 24 und 49 infantil und primitiv sind? Wer in den Sendern oder sonstwo hat beschlossen, daß Menschen, die nie in ihrem Leben einen Heftlroman in die Hand nehmen würden, verfilmte Heftlromane anschauen müssen?! Und das in 52 Folgen!

Ich merke grade, daß ich mich in meiner Polemik auf den Fiction-Bereich (Filme und Serien) einschieße, aber da kenne ich mich am besten aus, das ist mein Metier. Außerdem weigere ich mich kategorisch, mich mit den unsäglichen Talkshows zu befassen; die schaue ich mir nicht freiwillig an, ebensowenig wie den "Musikantenstadl". Und ich kenne auch niemanden, der das tut.

Aber irgendwo muß es sie ja geben, die "Musikantenstadl"- und "Vera"-Freaks, die die Quote in die Höhe treiben. Und da taucht es nun auf, das magische Wort "Quote", das von Sendern und Produzenten zur Gottheit erhoben worden ist und alle anderen Begriffe wie "Qualität", "Verantwortung", "Kulturauftrag" (igitt!) ersetzt zu haben scheint. Aber davon später.

Eines frage ich mich immer wieder: warum machen TV-Verantwortliche dummes Fernsehprogramm? Weil sie selber dumm sind oder weil sie die Zuschauer für dumm halten? So oder so - beides ist ein entsetzlicher Gedanke.

Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, daß ich bei TV-Sendern sehr viele ziemlich dumme Menschen kennengelernt habe, eitle, inkompetente Typen von atemberaubender Unfähigkeit, Qualität von Mist zu unterscheiden. In einem durchschnittlichen Industrieunternehmen würde man solche Mitarbeiter feuern; im größten Informations- und Unterhaltungsbetrieb ist Dilettantismus offenbar kein Kündigungsgrund. Ich habe aber auch sehr kluge und gebildete Leute getroffen.

Und das verwirrt mich total. Merken die nicht, daß sie Junkfood produzieren?! "Jaaaa", sagen sie dann, in Momenten seltener Aufrichtigkeit, "ich selber schau mir den Schmarren eh nicht freiwillig an; viel lieber würde ich was Anspruchsvolles machen, aber: Die Konkurrenz! Das Publikum! Die Quote! Schrecklich! Übrigens, Ihr Drehbuch mit dem Mann, der arbeitslos wird ... das muß noch irgendwie reißerischer werden. Die tote Frau, da machen Sie mal eine Prostituierte draus; kommt gut in den Programmzeitschriften; und wir haben gleich eine Million Zuschauer mehr!"

Wie nennt man das? Opportunismus? Zynismus? Menschenverachtung? Aber woher denn! Es geht doch nur darum, die Zuschauer zufriedenzustellen, die mit ihrer Fernbedienung entscheiden, was sie sehen wollen. Und damit Macht ausüben. Und die Quote bestimmen.

Wenn die Quote hoch ist, dann freut sich die Werbewirtschaft und bucht Werbezeit vorher, nachher und dazwischen. Wenn nicht, dann gibt's kein Geld von der Werbung, und das Programm fliegt raus. Und der Zuschauer? Selber schuld, wenn er sich den Käse anschaut. So einfach ist das! Ist es so einfach?

Ich weiß schon, daß ganze Heerscharen von Markt-, Medien-, und Meinungsforschern untersuchen, warum viele Menschen lieber "Forsthaus Falkenau" einschalten als "Fidelio". Sehnsucht nach heiler Welt, Flucht aus dem eigenen, langweiligen Alltag, oder so ähnlich.

Meine persönliche, unwissenschaftliche Meinung dazu lautet: Das Bedürfnis der Menschen nach Entspannung und Unterhaltung ist ernst zu nehmen, und es ist in Ordnung, daß das Fernsehen (auch) dieses Bedürfnis bedient. Es ist allerdings nicht in Ordnung, wenn das Niveau des Angebots den Zuschauer zum analphabetischen Dodel degradiert.

Das hat nichts mit Quote und den Wünschen der Werbewirtschaft zu tun, sondern schlicht und einfach mit der platten Phantasielosigkeit der TV-Verantwortlichen.

Oder wie nennt man das, wenn jemand allen Ernstes meint, weil einmal eine Klinikserie erfolgreich gewesen ist, müßten es zwanzig weitere auch sein?! Ißt ein vernünftiger Mensch jeden Tag Schnitzel, nur weil ihm neulich eines gut geschmeckt hat? Quote läßt sich auch mit Niveau erzielen: "Universum", Zeitgeschichte, "Klingendes Österreich", (ja, doch, das ist eine feine Sache!). Und natürlich gibt es sie auch noch immer, die guten Fernsehgeschichten, bei denen man lachen, weinen und bangen kann, ohne sich dafür genieren zu müssen. Aber sie werden nachweislich weniger.

Was kann der mündige Konsument tun? Briefe und Beschwerden nützen nix; seit Jahren lese ich die immer gleiche Klage, daß es gute Sendungen erst zu nachtschlafender Zeit gibt. Hat sich was geändert? Nein. Kritiken nützen nix; die Fernsehkritiker in den Printmedien sind die natürlichen Feinde der Fernsehmacher; warum soll man die ernst nehmen, solange die Quote stimmt?

Aber wenn - einmal angenommen - der Schwachsinn keine Quote mehr zusammenbringt, dann wird man nervös werden in den TV-Zentralen! Das ist das einzige Machtmittel, das der Zuschauer hat, und das sollte er nützen.

Also, lieber mündiger Konsument: Aus- oder Umschalttaste betätigen! Es ist ganz leicht.

Fast so leicht wie - sich das Rauchen abzugewöhnen ...

Die Autorin ist freie Filmemacherin und lebt in Wien.

Zum Dossier Noch ist das Fernsehen Medium Nummer eins, auch wenn Internet & Co auf der Überholspur sind. Die Entwicklung beeinflußt die Television stark: Internet und Fernsehen rücken einander immer näher (Seite 14). In Österreich ist TV noch eine hauptsächlich öffentlich-rechtliche Sache - ein weiteres medienpolitisches Kuriosum im Lande (Seite 15). Dabei gibt es zum Programmangebot, das über die Schirme flimmert, einiges anzumerken. Beileibe nicht nur Gutes (Seite 13).

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