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,Unheimlich austauschbar‘

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Ein seltsamer fremder Ton durchbricht das meist etwas monotone Stimmengewirr der ununterbrochen auf den Konsumenten einströmenden Konsumwerbung. Das Produkt namens politische Partei, das, diesmal vorzeitig, wieder einmal auf Plakatwänden, Aufsteilem, in Zeitungsanzeigen, Femsehspots und Postwurfsendungen angeboten wird, will und will sich nicht unauffällig in die bunte Menge der Waschmaschinen, Autos, Erfrischungsgetränke, Lebensmittel, Kosmetika und so weiter ein- fügen. Aber auch Werbung für politische Parteien ist Werbung und folgt, zumindest teilweise, den Gesetzen der Konsumwerbung. Wie denken jene Leute, die Tag für Tag für Kosumgüter werben, über die fachliche Qualität dieses Wahlkampfes? Wir haben diese Frage einer Reihe bekannter österreichischer Werbefachleute gestellt. Hier die Antworten:

Emst Haupt- Stummer, Werbeagentur Haupt- Stummer:

„Um mit der ÖVP zu beginnen — ich finde deren Aussagen etwas zu kompliziert, die Plakate unleserlich. Die Produktion ist rein technisch nicht so perfekt wie die der SPÖ-Werbung, was erst recht für die Filme gilt. Zu der Inseraten- doppelseite am vergangenen Wochenende allerdings ist schon zu sagen, daß es richtig ist, wenn man hier sagt, was man meint, eher sogar mit etwas zu geringem Umfang. Ganz allgemein wirkt die ÖVP-Wahlwer- bung so vielfältig und reichhaltig, daß sie nicht recht durchkommt.

Die SPÖ mit ihren knappen, aber prägnanten Aussagen bildet dazu eine Art Gegenpol; die Aussagen haben sich offensichtlich bewährt, die Linie wurde daher nicht geändert. Technisch ist die bisherige SPÖ-Werbung wesentlich besser als die der ÖVP, ihre Plakate sind etwas zu primitiv, aber jedenfalls gut lesbar.

Ob die FPÖ-Werbung die angestrebte Wirkung erzielt, das ist die Frage. Umfragen haben, wie man hören konnte, gezeigt, daß Peter lm Fernsehen so gut ankommt, deshalb erscheint sein Kopf überall, was ja an sich nur bei einer Persönlichkeitswahl, also Präsidentschaftswahl, gerechtfertigt wäre. Der Slogan von der Politik der Vernunft könnte auch so verstanden werden, daß man darunter nicht die Vernunft des Wählers, sondern die Vernunft der Partei, dorthin zu gehen, wo es ihr gut geht, versteht, wobei aber zu bedenken wäre, daß Wechselwähler — um die es hier geht — eher auf grundsätzliche Argumente ansprechen.“

Dr. Leblszczak der Werbeagentur Gramm & Grey:

„Ich kenne natürlich nicht die Hintergründe dieser Werbung, fand aber ihre bisherigen Äußerungen eher enttäuschend.

Was die Motive angeht, erscheinen sie mir geradezu unheimlich austauschbar, und man könnte sich vorstellen, daß auf diesem Weg auch für ganz andere Produkte geworben würde. Kein Profil. Positionierungen sind kaum zu merken. Aber vielleicht sind die Verantwortlichen durch den Verzicht auf Aggressivität gehandikapt, nicht gewöhnt, ln einem solchen Rahmen, also mit Sachlichkeit, zu kämpfen — was aber kein Grund hätte sein dürfen, nicht doch eine bessere Werbung zu machen. Das gilt für beide Parteien.

Die sozialistische Plakatwerbung ist einfach schwach, die Mutter mit Kind substituierbar — natürlich läßt sich durch eine Mutter mit Kind Sicherheit ausdrücken, aber da hätte man auch etwas anderes finden können. Auch die ÖVP-Landschaft ist schwach. Möglicherweise hat man sich in den Parteien auf einen ganz anderen Wahlkampf vorbereitet, der dann durch die Verpflichtung zur Sachlichkeit hinfällig wurde.

Aber an sich verspreche ich mir von der eigentlichen Wahlwerbung überhaupt wenig Effekt, meinungsbildend wirken heute die Massenmedien, das Fernsehen. Die Plakatwahlkämpfe erscheinen immer mehr als unnötige finanzielle Pflichtübung.“

Johann Georg Herberstein,

Werbeagentur Herberstein-Kut- schera-Inmann:

„Ich bin befangen, well Ich beratend im Wahlkampfausschuß der ÖVP tätig war, dort aber nicht sehr wirksam wurde. Die größte Crux dieses Wahlkampfes liegt darin, daß man im Zug des Wahlkampfes wieder einmal Erfahrungen sammelt, wie man einen Wahlkampf führen soll. Meiner Meinung nützt die ÖVP nur zu einem geringen Teil die Möglichkeiten, die sich im Sinne eines Meinungsumschwunges im Wahlkampf bieten.

Es handelt sich im großen und ganzen darum, daß man den Wahlkampf mit eingebautem Alibi für einen möglichen Mißerfolg macht, was dazu führt, daß man erfolgversprechende spektakuläre Möglichkeiten nicht nützt. Der Wahlkampf ist der kommunikative Teil der Politik. In der zwischenmenschlichen Kommunikation gelten Gesetze, die dort selbstverständlich angewendet werden, zum Beispiel: Diffamierung, Selbstlob, Wadelbeißerei, unklare, verschwommene Aussagen wirken unsympathisch und wenig vertrauen- fördemd. Im Wahlkampf ist derlei aber noch die Regel. Die Erkenntnis, daß dies sich im Wahlkampf ebenso auswirkt wie in den zwischenmenschlichen Beziehungen, setzt sich noch immer nicht durch. Das gestörte Image der Politik und der Politiker resultiert daraus.

Ich würde für den Rest des Wahlkampfes dafür plädieren, Persönlichkeiten und die an sie gebundenen Konzepte so in den Vordergrund zu stellen, daß jeder sofort begreift, worum es geht.“

Willem van der Geest, Werbeagentur Lintas:

„Als Nichtwähler, weil ich ja Gastarbeiter bin, Ausländer, ist mir vor allem aufgefallen, daß die Wahlwerbung in den Medien (also Plakat,

Inserat, Fernsehen) eine, sagen wir einmal echte, aggressive Werbung ist. Ich habe bisher sehr aggressive Aussagen dieser Partei über jene Partei gefunden, aber Information habe ich bisher eigentlich nicht gefunden.

Den ÖVP-Politikem, die im Fernsehen erscheinen, sollte man vielleicht raten, sich mediengerechter zu verhalten. Ich habe bisher noch nie einen lachenden ÖVP-Politiker auf dem Bildschirm gesehen. Diese Politiker vergessen, daß sie in einem Heimmedium auf treten und zu einzelnen Menschen und Familien sprechen, nicht zu einem Saal voll von Menschen.

Von der SPÖ habe ich bisher eine Sendung gesehen, und die fand ich sehr aggressiv, aber vom Parteigesichtspunkt keineswegs unfach männisch gemacht.

Zusammenfassend möchte ich also sagen, daß man von der Konsumwerbung bekanntlich Information erwartet, daß aber die politische Werbung, soweit ich bisher feststellen konnte, vorwiegend aus Aggressivität besteht, und es fragt sich, ob sich Aggressivität als Information einstufen läßt.“

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